Webprofis aufgepasst!
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/08
Sie sind wirklich selber schuld! Sie haben viel Zeit und Geld in Ihre Ausbildung investiert, jahrelang Erfahrungen gesammelt und kämpfen immer noch um jeden einzelnen Kunden. Das hätten Sie alles viel einfacher haben können!
Denn jetzt kann jeder, ganz ohne jegliche Vorkenntnisse, professioneller Webmaster, beziehungsweise Web@Master (was immer das bedeutet) werden und damit gutes Geld verdienen. Der Teilnehmer lernt, wie man eine professionelle Webseite gestaltet, dabei 60 bis 70 Prozent an Zeit einspart und die Site dem Kunden für vergleichsweise wenig Geld verkauft. Und nicht nur das: Mit nur vier Tagen Ausbildung und einem bescheidenen Beitrag von 2000 Euro können Sie Kunden bei der Beratung, Schulung und Implementation eines Online-Verwaltungssystems unterstützen. Als empfohlener Tagesverdienst für diese Tätigkeit winken nach erfolgreicher Zertifizierung immerhin satte 490 Euro.
Dies alles verspricht die Firma Worldsoft. Tolle Sache, nicht wahr? Das Neuenburger Unternehmen wurde denn auch kürzlich als einzige ausländische Firma beim renommierten deutschen eco-Award mit einem Preis ausgezeichnet. Gratulation!
Bei genauerer Betrachtung mutet das Angebot dann doch etwas dubios an. Was hier angeboten wird, scheint ein eher zweifelhaftes Site-Baukastenprinzip zu sein, das nur bescheidenen Ansprüchen genügt. Die so erstellten Sites müssen überdies auch bei Worldsoft gehostet werden - das Unternehmen verwaltet nach eigenen Angaben zur Zeit stolze 10'130 Websites auf seinen Servern (stündlich steigend).
Was hier wirklich professionell zu funktionieren scheint, ist vor allem das Marketing. So wurde auch der eco-Award nicht etwa für herausragende Leistungen im Bereich Internetschulung verliehen, sondern in der Kategorie Geschäftsmodell. Und dieses bedient sich uralter Tricks: Man veranstalte eine kostenlose und unverbindliche Informationsveranstaltung in einer professionellen Umgebung, serviere einige Erfolgsgeschichten der Superlative und animiere die Teilnehmer durch künstlich erzeugten Gruppenzwang zur Unterschrift.
Bleibt also die Frage, wer denn hier das gute Geld verdient.