Editorial

HP/Compaq: Eine Hochzeit und ein Todesfall

Die Konkurrenz reibt sich die Hände: Eine Verbindung in dieser Grössenordnung erfolgreich über die Bühne zu bringen, bedeutet einen enormen Kraftakt

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/17

     

Das Ja-Wort haben sich die beiden Heiratswilligen schon im September gegeben. Und mittlerweile ist auch das mit diesem "wer gegen diese Verbindung etwas vorzubringen
hat, der möge jetzt sprechen oder für immer schweigen" vorbei. Vorbei, spätestens seit letzter Woche. Bis dahin hatte nämlich Firmengründererbe Walter Hewlett sehr wohl etwas gegen die Verbindung vorzubringen. Nur wurde seine Klage vor Gericht nicht erhört, und so hat er sich denn entschlossen, zu schweigen. Nicht nur das, vielmehr will er nun das Brautpaar auf seinem weiteren Weg sogar unterstützen.



Die Zweifler sind verstummt oder mundtot gemacht worden, die Hochzeit findet statt. Gründe genug, zurück und in die Zukunft zu blicken.




Als PC-Marktführer-Macho konnte Compaq nur verlieren. In einem Geschäft mit immer dünner werdenden Margen war es nur eine Frage der Zeit, bis Dell, der umtriebige und viel effizienter arbeitende Direktverkäufer, die Oberhand gewinnt. Im High-End-Umfeld brachte sich die Firma in eine bessere Position, indem sie den mächtigen Konkurrenten Digital mit seiner Alpha-Technologie schlicht und einfach wegfusionierte.



HP blickte ebenfalls auf ein schwieriges Umfeld. Und in den meisten Geschäftsfeldern sah man sich einem Konkurrenten gegenüber: Compaq. Statt sich also gegenseitig im Kampf um Marktanteile zu zermürben, beschlossen die beiden IT-Ungetüme, gemeinsam ihr Glück zu versuchen.



Die Verlobung fand statt, der Hochzeitstermin wurde festgelegt. Als wichtiger Trauzeuge konnte Intel mit der 64-Bit-CPU Itanium gewonnen werden - Compaq wird sich dafür von der Alpha-Technologie trennen. Und immer wieder wurde der Erfolg der Jahrhunderthochzeit in der IT angezweifelt.



Es folgten PR-Ringkämpfe, die mit harten Bandagen und viel Geld geführt wurden. Auffällig dabei war, dass sie im Umfeld von HP stattfanden, währenddem bei Compaq alles ruhig verlief. Dieses Bild widerspiegelte sich auch bei den entscheidenden Aktionärsversammlungen: Die HP-Aktionäre stimmten mit knappem, diejenigen Compaqs mit überwältigendem Mehr der Heirat zu. Nachdem vergangene Woche die letzten Steine aus dem Weg geräumt waren, blieb es aber ziemlich ruhig.



Kein Wunder: Die Champagnerkorken scheinen vor allem bei der Konkurrenz zu knallen. Die reibt sich die Hände. Eine Verbindung in dieser Grössenordnung erfolgreich über die Bühne zu bringen, bedeutet einen enormen Kraftakt. Zwar glühen die Hirnsynapsen bereits seit langem in den Denkfabriken der beiden Firmen: Strategien werden festgelegt, Doppelspurigkeiten bei den Produkten aus der Welt geschafft und neue Kader erkoren. Bis der gemeinsame Haushalt auf Vordermann gebracht ist, wird es aber noch Monate dauern. Und bis der Haussegen beim frisch vermählten Paar im Lot sein wird, hat die Konkurrenz Zeit, Kunden wegzuschnappen.



Wenigstens stirbt gleichzeitig durch die Heirat sowohl für den Bräutigam als auch für die Braut ein bedrohlicher Konkurrent. Es bleibt, den Frischverheirateten auf ihrem weiteren Lebensweg viel Glück zu wünschen.




Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wie hiess im Märchen die Schwester von Hänsel?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER