Recovery-Tools: Die letzte Rettung

Verlorene Daten können schnell zur Katastrophe ausarten. Hilfe in Form von Recovery-Tools ist zwar vorhanden, aber nicht billig.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/20

     

Versehentlich gelöschte Dateien und beschädigte Festplatten sind für Benutzer oft ein Alptraum. Mit einem Mal scheint die Arbeit von Stunden, wenn nicht gar von Tagen oder Monaten verloren. Recovery Tools, mit denen Informationen wiederhergestellt werden können, sind hier oft die letzte Rettung.



Am Markt gibt es mittlerweile eine ganze Reihe solcher Tools. Fünf davon haben wir näher betrachtet:





• R-Studio von r-tt.com




• EasyRecovery Professional von Ontrack




• FinalData NT Edition von FinalData




• FileRestore von Winternals Software




• RecoverNT von LC Technology.



Alle Produkte versprechen zumindest, dass sie gelöschte Dateien wiederherstellen können. Einige gehen in ihren Versprechungen noch wesentlich weiter. Sie behaupten, Daten von beschädigten Festplatten in fast allen Situationen wiederherstellen zu können, Wechseldatenträger zu unterstützen und auch über das Netzwerk zu arbeiten.



Interessant ist, dass es zwischen den verschiedenen Lösungen kaum funktionale Unterschiede gibt. Die Unterschiede entstehen allenfalls durch unterschiedliche Versionierung und die Preise. So gibt es bei Winternals beispielsweise neben dem Produkt FileRestore auch noch den Disk Commander.



FileRestore kümmert sich um die Wiederherstellung versehentlich gelöschter Dateien auf einer lokalen Festplatte, während der Disk Commander umfassendere Beschädigungen ganzer Datenträger beheben soll. Das bedeutet in diesem Fall natürlich auch, dass zwei Lizenzen benötigt werden, womit sich dann der günstige Preis von Winternals FileRestore schon wieder relativiert.



Die Preismodelle der verschiedenen Hersteller sind ohnehin recht komplex, mit beachtlichen Bandbreiten. So muss vor allem überlegt werden, ob man Netzwerklösungen benötigt, die typischerweise sehr teuer sind, und welcher Leistungsumfang überhaupt erforderlich ist. So kostet die Personal Edition von Ontrack für Windows 9x/Me nur rund ein Drittel der Professional Edition, die auch Windows NT, Windows 2000 und Windows XP unterstützt. Allerdings ist Ontrack ohnehin mit deutlichem Abstand der teuerste Anbieter im Test.



Der Preis ist aber häufig sekundär, wenn es darum geht, die Arbeit von Tagen oder Wochen wiederherzustellen. Dennoch sind die Preisunterschiede zwischen den verschiedenen Lösungen erheblich und spielen bei der Entscheidung zwischen den Produkten damit auch eine wichtige Rolle.


RecoverNT

Oder sollte man besser RecoverNOT schreiben? Das erste der getesteten Produkte erwies sich gleich als Enttäuschung. RecoverNT von LC Technology fiel zunächst durch das archaisch wirkende Interface auf. Solche Benutzerschnittstellen sollten in einer Version 3.5, die für Windows NT, Windows 2000 und Windows XP freigegeben ist, eigentlich nicht mehr vorkommen.



Nach der Installation überraschte das Produkt eher negativ mit einem sehr langen Scan-Prozess. Das gesamte Laufwerk, auf dem die Installation erfolgte, wurde Cluster für Cluster analysiert - ohne dabei aber gleich auf etwaige gelöschte Dateien zu stossen. Dieser Prozess dauerte selbst bei einer vergleichsweise kleinen Partition von 4 GB über 12 Minuten. Das ist für ein Produkt, das nicht einmal sofort sinnvolle Ergebnisse und Hinweise für die weitere Vorgehensweise an den Benutzer liefert, schlicht zu viel.




Die versprochene Bandbreite an Funktionen, die das Produkt laut Dokumentation und den Feature-Listen liefert, erschliesst sich auch einem geübten Benutzer nicht sehr schnell. Vergleicht man die breite Palette an Produkten, die es für die Wiederherstellung von Informationen auf Festplatten gibt, dann ist RecoverNT sicherlich nicht die erste Wahl.




EasyRecovery Professional

Schon der Name deutet es an - EasyRecovery von Ontrack zeigte sich wesentlich professioneller als RecoverNT. Allerdings ist auch die Personal Edition des Produkts mit einer einfach nutzbaren Oberfläche ausgestattet. Von diesem Produkt wird aber nur Windows 9x und Windows Me unterstützt, so dass es für das Testsystem unter Windows XP Professional nicht in Frage kam - hier musste schon die ungleich teurere Professional Edition herhalten. Der Preis dieses Produkts ist sowohl wesentlich höher als jener der eigenen Einstiegsversion, als auch jener von anderen Produkten im Test. Immerhin aber konnte EasyRecovery gleichermassen durch eine einfache Installation wie Bedienung gefallen.



Ein Assistent leitet den Benutzer schrittweise durch den Wiederherstellungsprozess. Auch hier ist ein Scan-Vorgang erforderlich, der allerdings wesentlich schneller als bei RecoverNT durchgeführt wird. Es wird nur rund 20 Prozent der Zeit benötigt. Das liegt letztlich auch daran, dass bereits im Vorfeld festgelegt werden kann, welche Fehler eigentlich beseitigt werden sollen.




Bei der Wiederherstellung kann EasyRecovery auf NTFS-Laufwerken optional die MFT (Master File Table) verwenden. Diese ist auf jedem NTFS-Dateisystem, wie es bei Windows NT, Windows 2000 und Windows XP unterstützt wird, doppelt vorhanden: Eine der beiden MFTs dient dabei als Sicherungskopie für die Wiederherstellung und wird je nach Version des Dateisystems in der Mitte oder am Ende der vom Datenträger belegten Sektoren auf dem physischen Datenträger gespeichert. Die MFT enthält alle Verzeichniseinträge und speichert kleinere Dateien bis zu etwa 1 kB Grösse direkt. Grössere Dateien, aber auch grössere Verzeichnisse, werden in sogenannten Extents abgelegt. Dabei handelt es sich um zusammenhängende Blöcke auf dem Datenträger. Wenn die MFT beschädigt ist, ist eine Wiederherstellung von Informationen deutlich komplexer, aber über die Sicherung der MFT und in Teilen über die in Extents abgelegten Informationen dennoch möglich.



Mit EasyRecovery hat Ontrack eine elegante Lösung für die Wiederherstellung von Dateien geschaffen, die im Test überzeugen konnte. Allerdings lässt sich Ontrack das auch teuer bezahlen - so kostet die Netzwerkversion noch einmal um einiges mehr als die ohnehin schon teure Professional Edition. Wenn man berücksichtigt, dass Windows XP mehr und mehr zum Standard-Betriebssystem wird, ist der Preisunterschied zwischen der Personal Edition und der Professional Edition auch nur schwer nachzuvollziehen.




R-Studio

Gleich auf den Punkt kommt R-Studio von r-tt.com. Schon beim ersten Start werden umfassende Informationen zu allen Datenträgern angezeigt. Der Scan-Prozess ist extrem effizient und innerhalb weniger Sekunden beendet. Das Programm bietet einfachen Zugriff auf alle Details eines Datenträgers und ist damit insbesondere für professionelle Anwender geeignet, die ein gewisses Grundverständnis für den Aufbau von Datenträgern und die interne Arbeitsweise von Dateisystemen mitbringen. Einige Bugs wie beispielsweise kleinere Anzeigefehler beim Scrollen durch die Laufwerksinformationen kann man da schnell verzeihen.



R-Studio ist vielleicht das professionellste Programm für die Wiederherstellung von gelöschten Informationen im Test. Es ist aber auch, trotz einer gelungenen Oberfläche, eines der komplexesten Programme, da der Benutzer mit einer immensen Menge an Informationen konfrontiert wird. Wo andere Anwendungen Details mit einem Assistenten verbergen, konfrontiert R-Studio den Benutzer mit Dialogfeldern, in denen durch Auswahl einer Schaltfläche noch erweiterte Funktionen eingeblendet werden können, die auch die letzten Details des Datenträgers beleuchten.




R-Studio ist damit weniger das Programm für den Heimanwender als vielmehr für den Administrator in Unternehmensnetzwerken, der Daten wiederherstellen muss. Hier kann das Produkt seine Stärken ausspielen und voll überzeugen.




FinalData

Mitgedacht haben die Entwickler von FinalData: Schon bei der Installation wird darauf hingewiesen, dass die Software möglichst nicht auf dem Laufwerk installiert werden sollte, auf dem Dateien wiederhergestellt werden müssen. Denn wenn Dateien gelöscht werden, bleiben sie noch auf dem Datenträger erhalten, die von ihnen belegten Bereiche werden nur als gelöscht markiert. Wenn nun andere Dateien auf den Datenträger kopiert werden, können diese sowohl die Einträge in den Verzeichnissen als auch die physischen Sektoren auf der Festplatte belegen und damit die gelöschten Dateien überschreiben, was eine Wiederherstellung unmöglich macht. Daher kann FinalData auch direkt von der CD geladen werden, um diese Probleme auszuschliessen.



Nach der Installation muss zunächst ein Scan-Prozess ausgeführt werden, um den Datenträger zu durchsuchen. Etwas irritierend ist dabei, dass ein Fortschrittsbalken erst kurz vor Abschluss des Scan-Vorgangs angezeigt wird. Bis dahin ist nur zu sehen, wie viele Dateien und Verzeichnisse analysiert wurden. Nach Abschluss dieses ersten, vergleichsweise kurzen Scan-Vorgangs können dann die Cluster angegeben werden, für die ein detaillierter Scan-Vorgang durchgeführt werden soll. Man kann aber auch direkt auf die Listen der gelöschten Dateien und Verzeichnisse zurückgreifen. Die Wiederherstellung gestaltet sich dann aber leider eher unhandlich.




Auch bei FinalData NT fallen an einigen Stellen Dialogfelder auf, deren Aussehen eher an Windows 3.x-Zeiten erinnern. Das wäre zu verschmerzen, wenn es wenigstens Kontextmenüs und andere aktuelle Bedienungselemente gäbe, mit denen wiedergefundene Dateien direkt hergestellt werden können. Alles in allem ist auch bei FinalData NT, wie bei vielen anderen Produkten, die Bedienung nicht wirklich ausgereift - es fehlen die einfachen Assistenten eines Ontrack EasyRecovery, aber auch die Tiefe der Information wie beim R-Studio.




Winternals FileRestore

Unprätentiös, so könnte man den Installationsprozess von Winternals FileRestore bezeichnen. Unprätentiös ist auch die Oberfläche und Bedienung der Anwendung. Nach dem Start lässt sich auf der linken Seite auswählen, nach welcher Art von gelöschten Dateien gesucht werden soll. Das System wird dann gescannt und eine Liste der Dateien angezeigt.



FileRestore ist sehr einfach in seiner Bedienung, in der Funktionalität allerdings auch limitiert. Winternals hat mit dem Disk Commander ein weiteres Werkzeug für das Recovery von ganzen Datenträgern im Programm. Wenn man beide Werkzeuge benötigt, relativiert sich auch der günstige Preis von FileRestore schnell wieder, denn der Disk Commander kostet ein Vielfaches von FileRestore. Wenn man beide Produkte benötigt, ist man auch bei Winternals schnell in Regionen von rund 450 Franken angelangt - dem Bereich, in dem sich auch die meisten anderen Lösungen bewegen.





Fazit

In einem Markt, in dem die Möglichkeiten zur technischen Differenzierung begrenzt sind, kommt es in hohem Masse darauf an, dass die Produkte einfach bedienbar sind und effizient arbeiten. Da das Funktionieren von Datenträgern und Dateisystemen kein Geheimnis ist, kann auch kein Hersteller wirkliche technische Wunder vollbringen - die Informationen zur Wiederherstellung sind für alle in gleicher Weise zugänglich, so dass es vor allem eine Fleissaufgabe ist, die Unterstützung für unterschiedliche Dateisysteme, Betriebssysteme und Fehlersituationen zu implementieren. Entsprechend gering sind auch die Differenzierungskriterien sowohl bezüglich der Funktionslisten als auch der tatsächlichen Leistungsfähigkeit. Die Unterschiede resultieren aus der Umsetzung der Funktionalität.



Wer nur Dateien wiederherstellen möchte, ist mit FileRestore von Winternals zweifelsohne am besten bedient. Das Produkt erledigt diese Aufgabe gut, schnell und zuverlässig und ist mit Abstand die günstigste Lösung im Test.




Mit Blick auf die Gesamtfunktionalität konnten insbesondere das R-Studio von r-tt.com und EasyRecovery von Ontrack gefallen. Unter dem Aspekt der Bedienbarkeit stellen die beiden Produkte die jeweiligen Enden des Spektrums dar. Das R-Studio fokussiert auf den technisch erfahrenen Anwender, EasyRecovery macht seinem Namen dagegen alle Ehre und verpackt die komplexen Wiederherstellungsprozesse hinter Assistenten. Es ist daher vor allem für den Normalanwender erste Wahl. Allerdings lässt sich Ontrack diese einfache Bedienung auch mit dem höchsten Preis aller getesteten Produkte bezahlen.



Deutlich wird bei einer genaueren Analyse der Preismodelle, dass die Wiederherstellung von Datenträgern ihren Preis hat. Hier muss man auch überlegen, ob es nicht im Zweifelsfall sinnvoller ist, professionelle Anbieter wie Vogon International in Anspruch zu nehmen, wenn eine Festplatte wirklich beschädigt ist. Denn so viel teurer als ein Wiederherstellungswerkzeug sind die Dienste solcher Unternehmen auch nicht - vor allem, wenn man auch noch die Arbeitszeit rechnet, die für die Rettungsversuche investiert werden muss. Für versehentlich gelöschte Dateien ist dann immer noch FileRestore von Winternals eine gute Einstiegslösung - komplexere Schäden an Datenträgern mit wirklich wichtigen Informationen wie beispielsweise Server-Festplatten sind hingegen ohnehin selten und können im Einzelfall vielleicht besser von Dienstleistern behoben werden, als dass man durch unsachgemässe Nutzung eines Wiederherstellungswerkzeugs noch mehr Schaden anrichtet. Wenn man sich aber für ein solches Tool entscheidet, dann bieten sich R-Studio und EasyRecovery an - je nach technischem Grundverständnis des Anwenders.




Zudem in der Print-Ausgabe: Fünf System-Recovery-Tools im Quervergleich.



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