Mit Standards zur totalen Web-Integration

Einheitliche Technologien schaffen die Basis für eine offene Kommunikation über Web-Services.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/19

     

Microsoft nennt es .Net, HP nennt es eSpeak und Sun nennt es ONE. Die zukünftigen Standards des Internet sollen die grösste Innovation im Rahmen des World Wide Web seit der Erfindung des Browers darstellen. Nachdem der Hype mittlerweile in die Internetjahre gekommen ist und die meisten Business-Modelle versagt haben, sind Webdienstleistungen notwendig, die die Einführung profitabler Geschäftsmodelle erlauben. Das Aufkommen neuer Standards könnte den Rahmen für ein neues Zeitalter des Computing einläuten. Das Sharen von Prozessorleistungen und Softwareanwendungen im Rahmen des sogenannten Grid, in dem das Netzwerk zum Computer avanciert, ist der seit Jahren von Sun Microsystems propagierte Slogan. Damit steht das Internet jedoch immer weniger für die direkte Verbindung von Computern, sondern es ist zunehmend ein Medium für die Vernetzung von Maschinen und deren Agenten. Das Web könnte somit zu einem sich selbst organisierenden Netzwerk für die Weiterentwicklung der Computertechnologie avancieren. Ohne dass ein Computer auf eine Webseite gehen muss, kann dieser zukünftig mit anderen Computern Daten austauschen. Neben XML gewinnen neue Standards wie UDDI und SOAP an Bedeutung, die Daten von Webservern und anderen verbundenen Rechnern abrufen können, ohne dass dafür menschliche Interaktionen notwendig wären. Zukünftige XML-Mutationen werden es einem Computer erlauben, bestimmte Aufgaben an einen anderen Computer zu delegieren, so dass es keiner Webprogrammierer bedarf, um diesen Ablauf zum Laufen zu bringen.


Web-Services

Die bedeutendste Innovation im Internet sind heute die sogenannten Web-Services, bei denen Programme an einen bestimmten Service herantreten, um dort Daten abzurufen und diese zu verarbeiten. Pionierfirma für die Einführung von Web-Services war Hewlett-Packard mit seinen sogenannten "E-Services", lange bevor Microsoft sein .Net-Konzept vorstellte. HPs Zielsetzung war, Software in eine Dienstleistung zu verwandeln, die über das Internet sicher zur Verfügung gestellt werden kann. Web-Services werden den Automatisierungsgrad und die Maschinen-zu-Maschinen-Kommunikation innerhalb des Internet weiter forcieren. Webdienstleistungen können über XML-Dokumente in einem spezifizierten Format beschrieben werden, und es lässt sich in zentralen Datenbanken ein Verzeichnis der verfügbaren Dienste aufbauen, ein sogenanntes UDDI-Verzeichnis (Universal Description, Discovery and Integration). Der Aufbau von Web-Services-Plattformen ist eine langfristige Vision, deren Umsetzung mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird und die sehr stark von vier Internetstandards abhängt:




• HTTP (Hypertext Transfer Protocol), um über das Internet Daten zu transportieren und Zugang zu Applikationen zu ermöglichen.





• XML (Extensible Markup Language), für den Austausch von Daten, die in verschiedenen Formaten und Datenbanken gespeichert sind.




• SOAP (Simple Object Access Protocol), ein Protokoll, das es Anwendungen und Diensten ermöglicht, Anfragen über andere Anwendungen und Dienste über das Internet zu tätigen.




• UDDI, einem DNS-ähnlichen verteilten Webverzeichnis, welches Dienste dazu befähigt, sich gegenseitig zu entdecken, und zu bestimmen, wie diese miteinander kommunizieren und interagieren können.


Verteilte Systeme sind "in"

Das Internet ist heute kein Synonym mehr für isolierte Websites oder elektronische Kataloge, sondern es ist eine Infrastruktur für Internet-basierte Technologien. Die Basisarchitektur für Web-Services stellt ein Dreiecksverhältnis zwischen einem Dienstanbieter (Service Provider), einem Dienstnachfrager (Service Requester) und einem Vermittler (Service Broker) dar. Wer heute eine führende Rolle einnehmen will, muss im Internet verteilte Systeme nutzen, konfigurieren, anpassen oder bauen können. Unterschiedlichste Systeme aus den verschiedensten Geschäftsbereichen lassen sich heute über Netzwerke effektiv verbinden. Die neuen Internet-basierten Architekturen sind weit mehr als blosses Website-Design, sondern übernehmen zunehmend eine Integrationsfunktion für Unternehmen. Um den wachsenden Ansprüchen zu genügen, entstehen heute völlig neue Infrastrukturen wie z.B. .Net oder J2EE.



Web-Services zielen darauf ab, weltweit verfügbare Dienste zu implementieren, die entweder direkt vom End-User oder von Zwischenhändlern in neue Anwendungen integriert werden können. Verglichen mit den heute eingesetzten verteilten Webanwendungen werden mit Web-Services die bisher nur intern verwendeten Dienste von Enterprise Java Beans, DCOM- oder CORBA-Komponenten nach aussen bekannt und nutzbar gemacht. Web-Services setzen hierbei konsequent auf die Verwendung offener Standards und möglichst einfacher Protokolle. Allerdings ist nicht völlig klar, ob die Web-Service-Entwicklung in den nächsten Jahren überhaupt so konsequent in Richtung Standardisierung gehen wird, wie Microsoft und IBM, die Initiatoren von SOAP und UDDI, vorhersagen.





Marktentwicklung von Web-Services

Für die Analysten von Gartner wird der Web-Services-Markt ab dem Jahr 2003 ein grösseres Potenzial entfalten, wobei erst im Jahr 2005 Web-Services-Lösungen über ein einzelnes Unternehmen hinausführen werden. Bis dahin wird ein Anstieg des Marktvolumens für Software- und Service-Komponenten von heute 4,1 auf bis zu 15,4 Milliarden Dollar erwartet.



Doch trotz der aktuellen Dominanz von Microsoft und IBM beschränken sich Web-Service-Produkte nicht auf diese beiden Hersteller. Cisco setzt beispielsweise auf das Angebot des Bostoner Startup Bowstreet mit seiner Software "Business Webfactory". Bowstreet ist das einzige kleine Unternehmen in diesem Technologiesektor, welches von Gartner aufgrund dieser Tatsache auch als Übernahmekandidat eingestuft wird. Das ausgerechnet Sun und Oracle sich gegenüber Microsoft geschlagen geben werden, ist kaum zu erwarten. Sun Microsystems vereint seine Web-Services-Technologie unter dem Etikett Sun Open Net Environment (ONE). Und die neue Applikationsserver- und Datenbank-Suite Oracle9i stellt ein breitgefächertes Programmier-Framework dar, mit dem auf unterschiedliche Datenquellen zugegriffen und Inhalte in die unterschiedlichsten Kanäle verteilt werden können.





Standards für Web-Services

Ausser den Internet-Basistechnologien TCP/IP, HTTP und XML spielen derzeit drei weitere Standards bei Web-Services eine Rolle: UDDI, WSDL und SOAP, die alle drei unter der Ägide von IBM und Microsoft entwickelt wurden. Zusammenarbeit (Collaboration) ist heute die wichtigste Triebfeder für die Entwicklung von Standards. Die Industriestandards für die sogenannte E-Collaboration werden unter dem Deckmantel UDDI gruppiert. UDDI ermöglicht es, Web-Services zu registrieren und diese weltweit bekannt und verfügbar zu machen. UDDI basiert auf einem Set von Standards, wie z.B. HTTP, XML und SOAP.



Eine neue Spezifikation zur Beschreibung vernetzter XML-basierter Services ist die Web Services Description Language (WSDL). WSDL bietet eine einfache Methode zur Beschreibung des grundlegenden Anfrageformats, und zwar unabhängig vom verwendeten Protokoll bzw. von der Codierung (z.B. MIME). SOAP ist ein schlankes Protokoll auf XML-Basis, mit dem proprietäre Module verpackt und mit allgemein verständlichen Schnittstellen versehen werden können. Es definiert einen Message-Austausch zwischen dem Programm-objekt, das Dienste nachfragt, und dem Programmobjekt, das Dienste anbietet. Dabei ist SOAP vollkommen herstellerneutral und unabhängig von der verwendeten Programmiersprache, dem verwendeten Objektmodell und der jeweiligen Betriebssystemplattform. Die Kombination von HTTP und SOAP bildet heute die Basis für die E-Collaboration. Ferner ist SOAP unabhängig von Objektmodellen wie DCOM von Microsoft oder CORBA der Object Management Group (OMG). Die Definition des SOAP-Standards hat Microsoft mittlerweile schon einen Vorteil gegenüber Konkurrenten wie Sun oder auch Oracle und IBM verschafft, die bisher auf Java und CORBA für Web-fähige Applikationen setzten.





Alles dreht sich um XML

Die Basistechnik für Web-Services ist heute XML. Diese Sprache wurde geschaffen, um einen einheitlichen Standard für die Kooperation von Computern festzusetzen. So kann jeder im Rahmen von XML seine Daten mit Markierungstags versehen, d.h., es ist wesentlich einfacher, zielorientiert im Meer des Wissens zu navigieren. Ein XML-Dokument kann aus einer Mischung von Tags aus einem Namensraum bestehen, der durch eine URL identifiziert wird. Dadurch wird es möglich, jedes XML-Dokument über das Web zu definieren.



Die XML-Sprache ist eine Anstrengung von SGML-Experten, die Möglichkeiten von SGML mit der Einfachheit von HTML zu verbinden. XML bildet hierbei eine Untermenge der SGML-Sprache. Die Koordination dieser Experten findet in einer Arbeitsgruppe innerhalb des World Wide Web Consortium (W3C) statt. Von Anfang an war XML äussert gefragt, da es die Trennung von Präsentation, Logik und Datenhaltung ermöglicht und unabhängig von Plattformen, Programmiersprachen und Zielformaten ist, Struktur und Inhalte leicht verständlich sind und die Standardisierung von Prozessen vereinfacht wird. XML ist hierbei kein Wettbewerber zu SGML oder HTML, sondern dafür bestimmt, die Lücke zwischen den beiden Standards zu füllen. XML geht deutlich über das bestehende Markieren von Dokumenten hinaus, da es das verteilte Rechnen und den Umgang mit Metadaten unterstützt. Es erlaubt das Design von Software-Tools, die XML-Objekte schnell handhaben und somit die Software nicht überfordern. Dadurch ist XML ein idealer Kandidat für ein sogenanntes "Message Interchange Format" zwischen verteilten Anwendungen und Komponenten, eine Idee, die in der SGML-Community stark favorisiert wird.





Warum findet XML eine so breite Unterstützung?

Mittlerweile wird der XML-Standard industrieübergreifend akzeptiert. Unternehmen wie IBM, Microsoft und Sun unterstützen den Standard, der sich in idealer Weise für den Einsatz in Portalumgebungen eignet. Darüber hinaus fungiert XML als Metasprache für die Definition eigener Austauschformate, die in Verbindung mit einer Grammatik und eines Namensraumes weltweit normiert und standardisiert werden können. Nahezu alle Anbieter von E-Business-Tools bieten eine XML-basierte Import/Export-Schnittstelle an. Es werden immer mehr XML-basierte Frameworks (beispielsweise Cocoon von der Apache Group), XML-basierte Datenbeschreibungsformate (z.B. EJB 1.1 für die Interoperabilität von EJB-Komponenten) oder XML-Datenbanken (z.B. Tamino von der Software AG) angeboten. XML ist mittlerweile zu einem Key-Enabler für E-Business und E-Commerce-Anwendungen avanciert.



XML unterstützt ausserdem Metadaten, also Informationen über Abstracts oder Schlüsselwörter. Damit ist es in der Lage, Verbindungen zwischen unterschiedlichen Channels wie Audio, Video, Text oder Bildern zu schaffen. XML erlaubt erweiterte Möglichkeiten, um Hyperlinks zu setzen. Als Teil der XML-Familie kann die sogenannte XLL (Extensible Linking Language) völlig neue Beziehungsmechanismen für Hyperlinks und Hyper-Navigation zur Verfügung stellen, wie z.B. multi-direktionale Links, externe Links, Adressierung basierend auf der Struktur eines Dokumentes, neue Stylesheet-Standards, die Kaskadierung von Stylesheets, eine neue Stylesheet-Sprache (XSL), Lenkung von Metadaten, Meta-Content Routing (die richtige Information zum richtigen Zeitpunkt zur richtigen Information zu bringen) sowie Channel-, User-, Gruppen- oder Desktop-Profile einrichten.




Einer der Key-Player in diesem Bereich ist mittlerweile Netegrity, welche DataChannel, die ehemals führende Firma im Bereich von Meta-Portalen, aufgekauft hat.




XML-Server

Bei den XML-Servern hat die Firma Software AG mit einem Marktanteil von über 40 Prozent die Nase vorn. Die zentralen Services von Tamino umfassen die Speicherung, die Abfrage, das Browsen und die Pflege XML-basierter Geschäftsdokumente und -daten. Des weiteren stellt der Tamino-Server eine breite Palette von Werkzeugen und Komponenten für die produktive Entwicklung XML-basierter Unternehmenslösungen zur Verfügung. Im Mittelpunkt stehen dabei Lösungstypen für die Webanbindung bestehender disparater Unternehmens-IT-Infrastrukturen sowie das effiziente Publizieren und Austauschen von elektronischen Dokumenten über das Internet.



Der Tamino-XML-Server basiert auf offenen Standards und ist für mittlere und grosse Unternehmen konzipiert, die strategisch wichtige und geschäftskritische Webanwendungen auf der Basis von XML-Standards erstellen. Firmen, die bei skalierbaren XML-basierten Webdatenserver einen hohen Datendurchsatz, absolute Zuverlässigkeit, Integration heterogener Daten oder sehr geringe Administrationskosten wollen, setzen heute vorwiegend auf den Tamino-XML-Server.




Zudem in der Print-Ausgabe: J2EE versus .Net: Zweikampf der Konzepte



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