Editorial

Open Source und Malerei


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/07

     

Die Google-Site Orkut ist derzeit in aller Munde. Ursprünglich ein privates Projekt eines Mitarbeiters, wächst es nun mit offizieller Unterstützung zu einer der wichtigsten Social Networking Sites heran. Google ist ein Unternehmen, das bewusst versucht, das kreative Potential seiner Mitarbeiter zu erschliessen, indem Zeit für persönliche Projekte bereitgestellt wird.



Auch einige Schweizer Firmen fördern die Initiative ihrer Mitarbeiter, indem sie diese zur Entwicklung von Software in ihrer Freizeit ermutigen und auch einmal ein Auge zudrücken, wenn das Freizeitprojekt in die reguläre Arbeitszeit hinüberschwappt. Der Reputationsgewinn kann gerade bei kleineren Unternehmen, welche nicht über eine dedizierte Marketingabteilung verfügen, durchwegs positive Auswirkungen auf die Auftragslage haben. Zudem heben sich die Firmen dadurch von Mitbewerbern ab, die sich zwar Open Source auf die Fahne geschrieben haben, darunter aber lediglich das Herunterladen von Open-Source-Software ohne aktive Mitwirkung in der Community verstehen.




Die Unterstützung von Open-Source-Entwickler kann sich für ein Unternehmen also durchaus auszahlen. Doch was motiviert den Entwickler zum Mitmachen bei einem Open-Source-Projekt? Ist es die reine Selbstlosigkeit? Oder stehen womöglich noch andere Absichten dahinter?



Ein Grund dürften die Methoden der Softwareentwicklung sein. Ein wesentlicher Teil von Open-Source-Software wird nämlich nicht am Arbeitsplatz mit etablierten Methoden geschrieben, sondern entsteht statt dessen an Wochenenden und Feierabenden, mit Methoden, die zum Teil in keinem Lehrbuch für Softwareentwicklung zu finden sind.



Überspitzt könnte man sagen: Open-Source-Entwickler sind Maler. Sie sind wie diese fasziniert von schönen Dingen; beide sind sie Macher, und beide lassen sie sich bei der Arbeit nicht von Konventionen behindern. Paul Graham, eine der wichtigsten Figuren in der Welt der Spambekämpfung, argumentiert in seinem Essay "Hackers and Painters" denn auch, dass Open-Source-Entwickler und Maler sich sehr ähnlich sind.



Folgt man dieser Analogie, so wird auch klar, weshalb Open-Source-Entwickler flexible Programmiersprachen bevorzugen: Sie machen es einfacher, Änderungen einzuarbeiten, und stehen dem kreativen Prozess weniger im Weg. Derselbe kreative Prozess übrigens, welcher in Zeiten der Konkurrenz aus Schwellenländern nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit sichern kann.



Auf der anderen Seite sind starre Frameworks nicht sehr beliebt, welche Design strikt von der Implementation trennen, denn Eleganz ist nur näherungsweise und iterativ erreichbar. Eleganz als oberstes Ziel ist aber oft unvereinbar mit anderen, kurzfristigeren Zielen wie dem nächsten Meilenstein eines Projekts oder Kundenanforderungen. Um wirklich ungestört und unbeeinflusst von externen Faktoren an Software arbeiten zu können, braucht es daher die Freizeit. Bedeutet dies, dass Open-Source-Entwickler ihren Job nur ausführen, um sich in ihrer Freizeit ihrer Passion widmen zu können?



Ja, für einige mag das zutreffen. Ist dies ein Problem für den Arbeitgeber? Nein, denn Open-Source-Entwickler schreiben Software aus Leidenschaft und sind daher motiviert, ihre Fähigkeiten weiter zu entwickeln als ihre Kollegen, welche Softwareentwicklung lediglich als Job sehen. Immer mehr Arbeitgeber achten daher darauf, wieviel Software ein Kandidat in der Freizeit entwickelt hat. Das Erlernen guter Softwareentwicklung ist ein steiniger Weg, und nur die Liebe zur Sache formt wahre Meister.




Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Welche Farbe hatte Rotkäppchens Kappe?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER