Aufstieg durch Umstieg
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/04
Der Jobwechsel ist heute ein fester Bestandteil der beruflichen Biografie. Im Laufe des Berufslebens gibt es oft konkrete Anlässe, über einen Wechsel der Tätigkeit nachzudenken: Umstrukturierungen gefährden den Arbeitsplatz, ein befristeter Arbeitsvertrag geht zu Ende, fehlende interne Entwicklungsmöglichkeiten oder der Wunsch, sich zu verändern. Gleichzeitig bietet der Wandel enorme Chancen: Ein kluger Umstieg zur rechten Zeit kann der Karriere den nötigen Schub geben.
"Eine langfristige Karriere setzt ein klares Karriereziel voraus", sagt Claire Barmettler, diplomierte Berufsberaterin vom S&B Institut für Berufs- und Lebensgestaltung. Auf dem Weg zu diesem Ziel gelte es, Berufserfahrung zu sammeln. Dies könne man einerseits in einem aktiven Unternehmen tun, indem man sich mit der Firma entwickeln würde. Andererseits durch einen internen Stellenwechsel oder aber durch einen neuen Job auf dem externen Arbeitsmarkt. "Erfahrung braucht auch Zeit", ist die Fachfrau und Buchautorin überzeugt.
Eine lebenslange Firmentreue gibt es schon lange nicht mehr - und gilt nur bedingt als wünschenswert, sind Personalfachleute sich einig. "Allerdings sollte die Stelle auch nicht zu oft gewechselt werden", weiss Guido Kägi, Personal- und Unternehmensberater von Kägi-Consulting. Er selber würde keinen Jungmanager einstellen, der sich in den letzten Jahren alle sechs Monate beruflich verändert hat. Begründete Stellenwechsel und gut genutzte Auszeiten sind jedoch keine Makel im Curriculum Vitae. Entscheidend ist der Nachweis, dass eine Führungspersönlichkeit ihre Fähigkeiten systematisch weiterentwickelt hat. Personalverantwortliche achten bei der Lektüre eines Lebenslaufs auf Kontinuität, den klassischen "roten Faden". Ist dieser vorhanden, hat man von vornherein die besseren Chancen, als wenn der Eindruck planlosen Herumprobierens erweckt wird.
"Diese Stellenwechsel sollten im Drei- bis Fünfjahresrhythmus geschehen. Zweckdienlich sind die Veränderungen dann, wenn sie das eigene Erfahrungsportefeuille erweitern", rät Claire Barmettler. Je nach Branche gelten andere Gesetze. "Wichtig scheint mir, dass langjährige Angestellte sich regelmässig, mindestens jährlich überlegen, ob ein Stellenwechsel angezeigt ist." Dazu gehört das Beobachten des Umfelds und das Verfolgen des Werdegangs von neuen Kollegen. Dies liefert Hinweise, ob man die nötigen Qualifikationen für den Job noch habe, oder ob der Zeitpunkt für eine Weiterbildung oder einen Stellenwechsel gekommen sei.
Im allgemeinen gilt: Zu Beginn einer beruflichen Laufbahn werden kurzfristige Wechsel (nach etwa zwei bis drei Jahren Firmenzugehörigkeit) von Arbeitgebern toleriert und sogar als wertvoller Erfahrungszuwachs geschätzt. Hat man aber die 30 oder gar die 35 überschritten, kehrt im Idealfall mehr Stetigkeit ein, die Wechselzyklen werden langfristiger (vier bis fünf Jahre). Ab 40 sollte man einigermassen fest im Sattel sitzen, ein Umstieg sollte wohlbegründet sein. Man rechnet fünf Jahre und länger, um in einem Unternehmen solide Erfolge vorweisen und weitere Karriereschritte einleiten zu können.
Das Sprichwort "Man sollte gehen, wenn es am schönsten ist" gilt auch für den Stellenwechsel. Einen allgemein gültigen Zeitpunkt für einen Karrieresprung gibt es nicht. Auf jeden Fall sollte er nicht übereilt erfolgen. "Das Erklimmen der Karriereleiter sollte nie dem Zufall überlassen werden", sagt Guido Kägi. In den 33 Jahren als Personalberater hat er gelernt, dass es nötig ist, sich auf einen neuen Job intensiv vorzubereiten. "Man muss sich selbst sehr gut kennen, seine Stärken, seine Schwächen und seine Ambitionen. Werthaltung und ein fundierter Laufbahnplan sind wichtig für eine gezielte Karriere." Zu unterschiedlich sind die individuellen Rahmenbedingungen und persönlichen Entwicklungsschritte. Viele Nachwuchskräfte unterliegen dem Irrtum, es sei höchste Zeit für einen Wechsel, wenn sie Aufgaben und Rahmenbedingungen ihrer Stelle kennen. Berufserfahrung bedeutet aber auch, auf der Grundlage dieser Erkenntnisse Lösungen zu entwickeln und erfolgreich umzusetzen.
Auch sollte eine Stelle niemals vorschnell und ohne gründliche Prüfung angenommen werden; denn auch jeder neue Arbeitsplatz bringt Vor- und Nachteile mit sich, die im Vorfeld nicht ohne weiteres erkennbar sind. Langfristige Vorbereitungen auf einen Arbeitsplatzwechsel helfen, die damit zwangsläufig verbundenen Risiken zu minimieren.
Die Anforderungen an Kaderleute bleiben hoch: Vor allem in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten sind Persönlichkeiten gefragt, die sich durch Ausdauer, Standhaftigkeit und Weitblick auszeichnen.
Was firmenintern gilt, gilt auch für externe Entwicklungsmöglichkeiten. Nur wer sich kontinuierlich über Trends informiert und seine Qualifikationen mit den Anforderungen kritisch abgleicht, hat langfristig Karrierechancen. Die zunehmende Zahl befristeter Arbeitsverhältnisse, projektbezogener Einsätze und freier Mitarbeit unterstreicht die Notwendigkeit, regelmässig über seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt informiert zu sein, seine berufliche Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen und im richtigen Moment zu nutzen.