Editorial

Microsoft macht sichere Betriebssysteme - für Hollywood


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/22

     

In dieser Wintersession will der Ständerat über den Vorschlag des Bundesrates für ein revidiertes Urheberrechtsgesetz beraten. Seine Kommission hat den Gesetzesentwurf weitgehend abgesegnet. Als eine wesentliche Neuerung sieht er vor, dass künftig auch das Schweizer Recht technische Systeme für das Digital Rights Management (DRM) ausdrücklich schützt. Damit sind Techniken gemeint, mit denen die Nutzung von und der Zugang zu digitalen Inhalten kontrolliert und beschränkt werden können.


Microsofts Windows Vista ist ein gutes Beispiel dafür, auch wenn noch nicht ganz klar ist, was es an DRM-Funktionen tatsächlich enthalten wird. Den Berichten zufolge wird es zwar neu hochauflösende Videoinhalte abspielen können, allerdings je nach DRM-Codierung nur noch dann als solche anzeigen, wenn der Benutzer über eine autorisierte Hardware verfügt, die verhindert, dass die Videosignale an ungeschützten Schnittstellen digital ab-
gefangen und aufgezeichnet — sprich «gerippt» — werden. Bietet das der eigene Bildschirm nicht, bleibt er also unter Umständen schwarz. Vista bietet aber noch mehr. Wer die Festplatte seines PC aus- und in ein anderes Gerät wieder einbaut, wird seine chiffrierten Mediendateien möglicherweise ebenfalls nicht mehr abspielen können, weil Vista den Wechsel erkennt und aus Sicherheitsgründen blockiert. Möglich macht das ein kleiner Identifikationschip, der inskünftig in jedem PC eingebaut sein soll. Dieses Konzept stammt von Intel und nennt sich wohlklingend «Trusted Platform Module» (TPM).




Warum aber baut Microsoft solche Schranken in ihre Software ein? Die Antwort scheint naheliegend: Will das Softwarehaus, dass Hollywood mit seinen neuen Multimedia-Formaten wie Blu-ray oder HD-DVD Vista unterstützt, muss es sein Betriebssystem entsprechend sicherer machen – und zwar sicherer vor dem Benutzer. Weniger widerwillig, aber mit gleichem Elan geht die Firma auch dort ans Werk, wo mit DRM-Techniken ihre eigenen Produkte geschützt werden sollen: Vista wird zum Beispiel über einen noch ausgeklügelteren Mechanismus gegen Raubkopien verfügen als Windows XP. Geschieht allerdings dasselbe wie bei XP, werden auch etliche rechtmässige Benutzer daran gehindert werden, ihre Software problemlos zu nutzen. Sie müssen die Faust im Sack machen.


War es bisher die Aufgabe von IT-Security-Mechanismen, den Benutzer vor böswilligen Dritten und ihren Viren, Trojanern und Hackerangriffen zu schützen, geht es bei DRM um das Gegenteil: Der Computer und seine Inhalte sollen nunmehr vor dem Benutzer geschützt werden und die Produkte in ihrer Funktionalität und der Möglichkeit, Inhalte zu verarbeiten, eingeschränkt statt ausgebaut werden. Hatte Windows punkto Sicherheit zum Schutz des Benutzers bisher nicht gerade den besten Ruf, zeichnet sich ab, dass Microsoft beim Schutz von digitalen Inhalten vor dem Benutzer zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung weitaus bessere Arbeit leisten und zeigen wird, dass sie sichere Systeme bauen kann. Diese Entwicklung entbehrt freilich nicht einer gewissen Ironie. Fehlt nur noch, dass sie dem Benutzer als positive Errungenschaft verkauft wird, weil sie ihm immerhin den Zugang zu neuen, digitalen Inhalten eröffnet. Wieviel Freiheit sie ihm gleichzeitig nimmt, wird sich erst später zeigen, wenn unsere Computer nur noch verarbeiten, was und wie es die zuständigen Branchengremien und Content-Lieferanten genehmigen. Vielleicht ist dann die Zeit reif dafür, dass das Urheberrechtsgesetz DRM-Systeme nicht nur schützt, sondern auch beschränkt.




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