Wie gut ist Microsofts Windows XP wirklich?

Angekündigt als das beste Windows aller Zeiten muss Windows XP hohe Anforderungen erfüllen. InfoWeek zeigt, ob das dem jüngsten Microsoft-Baby gelingt und ob das Update Pflicht ist.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/37

     

Ab heute steht Windows XP in den Läden. Ein Betriebssystem, das auf der einen Seite gross angekündigt und viel diskutiert wurde, auf der anderen Seite aber doch wie eine neue Version von Windows 2000 Professional wirkt.



Was zunächst auffällt, ist die Änderung der Oberfläche. Die Optik ist im ersten Moment gewöhnungsbedürftig - wie immer, wenn sich etwas Vertrautes verändert. Und Optik ist immer auch Geschmacksache, so dass sie sich einer direkten Beurteilung entzieht.




Anders sieht das mit den neuen Strukturen beim Standardmenü aus. Der Fokus von Microsoft lag hier eindeutig auf dem durchschnittlichen Endanwender, für den die Bedienung soweit wie möglich vereinfacht werden soll. Soviel Funktionalität wie möglich wird zunächst versteckt, während Anwendungen wie der Windows Movie Maker standardmässig auftauchen. Über "Alle Programme" kommt man allerdings schnell zurück zu den vertrauten Menüstrukturen. Zudem kann das Startmenü auch einfach wieder in den von Windows 2000 oder Windows ME vertrauten Zustand zurückversetzt werden. Für den Endanwender wird die Bedienung des Systems aber insgesamt wohl vereinfacht.


Das Systemverhalten

Die Stabilität von Windows XP hat in den bisherigen Tests das gehalten, was man von Windows 2000 Professional gewohnt ist. Das ist auch keine grosse Überraschung, da Windows XP technisch gesehen der direkte Nachfolger von Windows 2000 Professional ist. Für Anwender von Windows 9x und Windows ME dürfte das eines der wichtigsten Argumente für einen Umstieg sein. Denn die mangelnde Stabilität ist immer eines der Kernprobleme bei diesen Betriebssystemen geblieben.
Die Performance des Systems war in den Tests weitgehend vergleichbar mit Windows 2000 Professional. Die von einigen Testern berichteten Performance-Steigerungen um den Faktor 2 bis 3 bei Systemstart und Systemabschluss konnten wir nicht beobachten. Die Unterschiede lagen im Bereich von zumeist unter 20 Prozent, wobei Windows XP Professional allerdings leichte Vorteile hatte. Ein Argument für den Umstieg ist das alleine aber sicherlich nicht. Hinzu kommt, dass beispielsweise der Systemabschluss auf einem Notebook insbesondere von der Anzahl der zu synchronisierenden Offline-Dateien abhängt und damit von der Geschwindigkeit von Netzwerk und Festplatten-Subsystem.





Die Hardware

Das grösste Hindernis für einen Umstieg dürfte, gerade bei Systemen auf Basis von Windows 98, die für Windows XP Professional erforderliche Hardware sein. Ein Pentium-III-Prozessor sollte es für einen sinnvollen Einsatz schon sein, und unter 128 MB Hauptspeicher macht das Arbeiten nicht wirklich Spass. Für viele ältere Systeme bedeutet das, dass ein komplett neuer Rechner erforderlich wird. Denn auch die Plattenplatz-Anforderungen sind mit mehr als 1,1 GB in einer Standardinstallation beachtlich.



Auf der anderen Seite sind die Unterschiede beispielsweise zu Windows 2000 Professional eher gering. Denn auch dort sind eher 128 MB als 64 MB Hauptspeicher sinnvoll, und mit rund 900 MB erforderlichem Plattenplatz zeigt sich auch dieses System schon recht anspruchsvoll. Die Vorteile, die Windows XP sowohl bei der Stabilität als beispielsweise auch bei der Unterstützung von Notebooks bietet, lassen einen Umstieg daher als sinnvoll erscheinen.





Professionelle Anwender

Manchem Verantwortlichen für eine Vielzahl von Clients in Firmennetzen wird die gestiegene Anzahl von Anwendungen mit eher "privatem" Charakter auch bei Windows XP Professional zunächst sauer aufstossen. So gibt es neue Spiele und Anwendungen wie eben den Windows Movie Maker. Auf der anderen Seite sind die Möglichkeiten zur Konfiguration der Systeme beispielsweise durch die automatisierte Installation oder über Gruppenrichtlinien weiter ausgebaut worden. Damit können solche Anwendungen einfach aus den Menüs entfernt werden.



Leider lassen sich die installierten Dateien nicht so effektiv einschränken. Das geht nur mit erheblichem Konfigurationsaufwand. Hier ist Microsoft gefordert, effektivere Ansätze zu entwickeln, mit denen die Listen der zu installierenden Dateien einfach bearbeitet werden können.




Auf der anderen Seite wird bei einer genaueren Analyse von Windows XP deutlich, dass die Optimierung des Systems für professionelle Anwender im Vordergrund stand. Denn die meisten neuen oder, im Vergleich mit Windows 2000 Professional, verbesserten Funktionen sind eben nicht neue Anwendungen für den Endbenutzer oder optische Anpassungen, sondern systeminterne Funktionen wie beispielsweise die integrierte Firewall oder das Rollback von Änderungen bei Einheitentreibern.




Netzwerkoptionen

Weiter verbessert wurde auch die Konfiguration von Netzwerkverbindungen. Bei LAN-Verbindungen gefallen hier die Analyse- und Reparaturfunktionen ausgesprochen gut. Auch die Firewall oder die Funktion zum Überbrücken von Verbindungen, die die Nutzung von XP als Netzwerk-Bridge erlaubt, sind gerade für kleinere Netzwerke hochattraktive Dienste. Hier wurde Windows 2000 Professional als ein gutes System noch gezielt verbessert.



Sehr gut gefallen auch die überarbeiteten Assistenten für die Einrichtung von DFÜ-Verbindungen. Hier wurden wichtige und nützliche Optionen aufgenommen. So können beispielsweise Internetanbieter aus einer Liste ausgewählt und CDs von Anbietern direkt angesteuert werden. Wiederum gilt, dass das gerade Endbenutzern und den zuständigen Mitarbeitern in kleineren Unternehmen die Arbeit deutlich erleichtert.




Verglichen mit Windows 9x/Me ist insbesondere die Unterstützung von mobilen Anwendern zu erwähnen. Offline-Dateien, die automatisch mit Dateien auf dem Server synchronisiert werden können, stehen dem Benutzer auf seinem Notebook jederzeit zur Verfügung. Damit kann ein Anwender auch mobil auf "Netzwerk"-Dateien zugreifen, ohne diese immer wieder erst mühsam und mit der Gefahr des Überschreibens noch gültiger Versionen zwischen seinem Rechner und dem Server hin und her zu kopieren. Auch hier gilt aber wieder, dass es sich um eine Funktionalität handelt, die Benutzern von Windows 2000 Professional bereits bekannt ist.




Kompatibilität und Upgrades

Wirklich überzeugend ist der Programmkompatibilitäts-Assistent. Nachdem Microsoft nun endlich den lange angekündigten Abschied von seiner 16-Bit-Vergangenheit und den DOS-Wurzeln vollzogen hat, die auch noch Windows 9x/Me geprägt haben, gilt es, die Anwendungen, die für diese Plattformen entwickelt wurden, optimal zu unterstützen.



Unter Windows XP Professional laufen dabei 32-Bit-Windows-Anwendungen mit allen Variationen, die es bei den entsprechenden APIs (Application Programming Interfaces) im Laufe der Zeit gegeben hat. Damit sollten beispielsweise auch Spiele, die bei Windows 2000 Professional noch Probleme gemacht haben, reibungslos funktionieren. Unterstützt werden Modi für Windows 95, Windows 98/Me, Windows NT 4.0 mit Service Pack 5 und Windows 2000. Hier hat Microsoft eine wichtige Voraussetzung geschaffen, um auch privaten Anwendern den Umstieg auf Windows XP schmackhaft zu machen. Allerdings haben die Tests auch gezeigt, dass kaum einmal auf den Kompatibilitäts-Modus zurückgegriffen werden muss.




Postiv aufgefallen sind auch die Steuerungsmöglichkeiten für Upgrades. So kann bereits bei der Systeminstallation nach Aktualisierungen gesucht werden. Später können Updates aus dem Internet im Hintergrund bei bestehenden Verbindungen geladen werden. Der einzige Kritikpunkt ist hier, dass das automatische Update standardmässig aktiviert ist und manuell deaktiviert werden muss.




Umstellung

Das vielleicht wichtigste Werkzeug bei Windows XP ist aber die Anwendung "Übertragen von Dateien und Einstellungen". Damit können bestehende Anwenderdateien und Konfigurationseinstellungen gesichert und auf andere Systeme übertragen werden.



Hier gefällt nicht nur die Tatsache, dass man so "sein" Windows jederzeit wiederherstellen kann, sondern auch die Flexibilität in der Art der Verbindungen. Von der Diskette über andere Wechseldatenträger bis hin zu direkten Verbindungen zwischen zwei Systemen und LAN-Verbindungen werden unterschiedlichste Verfahren unterstützt.




Zudem gibt es auch Automatisierungsfunktionen, die Netzwerkverantwortliche für eine effiziente Durchführung solcher Prozesse benötigen. Mit Hilfe eines Assistenten ist die Nutzung ausgesprochen einfach. Das Übertragen von Dateien und Einstellungen ist zweifelsohne eine der sinnvollsten Erweiterungen, die sich bei Windows XP finden.


Die Aktivierung

Viel geschrieben wurde in den letzten Monaten über die für eine Nutzung erforderliche Aktivierung. Über die Frage, inwieweit Microsoft damit Informationen über die Kunden erhält, kann man sich trefflich streiten. Bei den durchgeführten Prozeduren für die Aktivierung kam allerdings zu keinem Zeitpunkt das Gefühl auf, dass unnötig viele Informationen angefordert würden.



Etwas lästig ist allerdings die Aktivierung über das Telefon, bei der eine endlos lange Ziffern- und Buchstabenfolge erst vorgelesen und dann eine andere auf dem lokalen Rechner eingetippt werden muss. Das ist noch deutlich lästiger als der bisherige Ansatz mit der Eingabe von Codes, die auf der CD-Hülle geliefert wurden. Andererseits muss man Microsoft zugute halten, dass die Masse an Raubkopien zu solch rigiden Massnahmen geführt hat.





Windows XP - wie gut ist es?

Eine Beurteilung von Windows XP fällt auch nach einiger Zeit der Arbeit schwer. Auf der einen Seite ist es derzeit sicherlich die beste verfügbare Lösung als Desktop-Betriebssystem und ersetzt in dieser Rolle Windows 2000 Professional. Auf der anderen Seite fällt der Schritt von Windows 2000 Professional zu Windows XP recht klein aus. Funktionen wie die genannten Tools, die Multi-User-Unterstützung beim Encrypting File System oder Optimierungen bei der unbeaufsichtigten Installation sind hilfreich. Sie alleine rechtfertigen aber keine Migration zu Windows XP.



Aus Sicht von Windows-2000-Anwendern ist Windows XP schlicht ein Upgrade, das man sich überlegen kann, das man aber nicht unbedingt sofort haben muss. Windows XP hat eindeutige Vorteile, die in den meisten Fällen jedoch nicht so bedeutend sind, dass man in grösseren Netzwerken den aufwendigen Migrationsprozess starten müsste.




Anders sieht es im Vergleich mit Windows 9x und Windows Me aus. Hier spricht insbesondere die Stabilität für einen Upgrade. Durch den Kompatibilitätsmodus und die Übertragung von Dateien und Einstellungen ist die Umstellung wenig problematisch.



Als Fazit bleibt festzuhalten, dass Windows XP eine konsequente Weiterentwicklung, aber sicherlich kein wirklich grosser Schritt ist. Die Zahl der Gerätetreiber wurde weiter erhöht, auch an ihrer Stabilität wurde weiter gearbeitet. Aber das Gefühl, dass man Windows XP unbedingt bräuchte, entsteht bei einem mit Windows 2000 Professional vertrauten Anwender nicht. Das gilt umso mehr, wenn man die Kosten für den Upgrade einbezieht. Aus Sicht von Windows-9x/Me-Anwendern sieht das eindeutig anders aus: Wenn man die erforderliche Hardware hat, gibt es zur Migration eigentlich keine Alternative.



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