Die IT-Berufslehre wird immer wichtiger

Die Wirtschaft boomt - und es herrscht Mangel an IT-Spezialisten. Ein Plädoyer für mehr Lehrstellen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/15

     

Mit der erfreulicheren Wirtschaftslage erhöht sich auch der Bedarf an IT-Personal. Doch exakt in dieser Situation wirkt sich der Abbau der IT-Lehrplätze seit 2002 negativ aus. Damals haben in der ganzen Schweiz 2042 Personen eine Informatik-Grundbildung begonnen, im folgenden Jahr waren es nur noch 1562. Entsprechend beenden nun bis 2008 jährlich immer weniger die Grundausbildung. Viele negative Meldungen liessen auch die Lust der Studenten nach einem Informatikstudium drastisch sinken. Schlossen 2004 noch 299 Studenten ein Informatikstudium an einer universitären Hochschule und 567 an den Fachhochschulen mit Diplom ab, sinkt nun die Anzahl der Universitätsabgänger bis 2008 auf rund 150, bei den Fachhochschulabsolventen dürften es 450 sein.


Drei Grundpfeiler

Die Behebung des chronischen Fachleutemangels verlangt ein Nachwuchsförderungs-Konzept, wie es in anderen Berufen schon längst üblich ist. Das Konzept
stützt sich auf drei Pfeiler mit
dem Ziel, genügend Nachwuchsleute für den eigenen Betrieb aufzubauen.


- Die Grundbildung: Die duale Berufslehre in der Schweiz gehört zweifellos zu den besten Berufsbildungssystemen überhaupt. Der praktische Teil wird in den Betrieben nach dem Prinzip des «learning by doing» gelernt und geübt, in der Berufsfachschule werden die grundlegenden Konzepte, Methoden und Praktiken erlernt.




- Die Weiterbildung: Nach dem Lehrabschluss muss ein grosser Teil der Abgänger direkt in die Weiterbildung an eine höhere Schule. Im Zentrum stehen dabei die Fachhochschulen und höheren Fachschulen mit ihren Diplomlehrgängen, welche in der Regel drei Jahre dauern und mit einem eidg. Diplom abschliessen.


- Berufliche Förderungsprogramme: Sie richten sich an die Lehrabsolventen mit hervorragenden Leistungen. Ziel ist es, die berufliche Erfahrung und Professionalität durch gezielte Förderung weiter zu erhöhen. Im Vordergrund steht auch hier «learning by doing». Die Förderung ist also mit komplexerer Arbeit und mit gezielten Produkte- oder Methoden-Kursen verbunden. In einem weiteren Schritt ist die typisch duale Weiterbildung mit einem Fachausweis und dem eidg. Berufsdiplom zu vervollständigen.


Potential ist noch längst nicht ausgeschöpft

Der Anteil der Informatik-Nachwuchs ausbildenden Betriebe liegt bei rund 20 Prozent des Möglichen. Entsprechend hoch ist das noch vorhandene Potential in Informatik-Abteilungen oder IT-Betrieben, die sehr wohl in der Lage wären, Lehrlinge auszubilden, das jedoch verkennen. Häufig wird fälschlicherweise «Lehrlinge ausbilden» mit dauerhaftem Lernen und entsprechendem Lehr- und Betreuungsaufwand assoziiert. Diese Annahme ist jedoch falsch. Lehrlinge sind Mitarbeiter, die in angepassten Schritten «by doing» in den Beruf eingeführt werden. Zur Lehrlingsausbildung braucht es eine kantonale Bewilligung. Diese wird jeweils für einen Beruf erteilt und ist davon abhängig, dass Tätigkeiten gemäss Modell-Lehrgang in diesem Betrieb zeitgemäss wahrgenommen werden und erfahrene Berufsleute die Lernenden führen können.
Jede Informatik-Abteilung eines Betriebs aus irgendewiner Branche kann Lehrlinge ausbilden, sobald genügend Informatik-Tätigkeiten verrichtet werden und so für einen Lehrling genügend fachlich qualifizierte Tätigkeiten möglich sind. Mit jeder zusätzlichen Fachperson ist grundsätzlich auch ein weiterer Lehrling möglich. Als Lehrmeister für Informatik-Lehrlinge kommt in Frage, wer ein Informatikstudium abgeschlossen hat, eine Informatiklehre mit eidg. Fähigkeitszeugnis (EFZ) abgeschlossen und zwei Jahre Praxiserfahrung hat oder eine andere Lehre (mit EFZ) abgeschlossen und fünf Jahre Informatik-Praxiserfahrung hat. Der Lehrmeister ist zudem verpflichtet, einen einwöchigen Lehrmeisterkurs zu absolvieren.
Als erstes ist der verantwortliche Ausbildner zu bestimmen. Diese Person, die selbst daran interessiert sein muss (sonst scheitert der Versuch), ist idealerweise auch mit den Vorbereitungen betraut.


Die Lehrmeistervereinigung berät

Der nächste Schritt ist ein Anruf beim Berufsinspektorat des Kantons. Damit ist der Prozess ausgelöst. Je nach Kanton kommt der Berufsinspektor oder eine Fachperson der Lehrmeistervereinigung zu Besuch und klärt die Eignung ab. Einige Tage danach folgt im positiven Fall die Ausbildungsbewilligung. Der Besuch des Lehrmeisterkurses und die Erstellung eines betrieblichen Ausbildungsprogramms bis zum Lehrstart sind in der Regel die einzigen Auflagen. In verschiedenen Kantonen hilft die Lehrmeistervereinigung mit Beratung und Unterlagen. Die Zürcher Lehrmeistervereinigung Informatik führt am 3. November 2006 von 17.00 bis 18.30 Uhr eine Infoveranstaltung zum Thema «Wie werde ich Lehrmeister» für interessierte Betriebe durch. Mehr Informationen zum Anlass finden sich im Internet unter www.zli.ch.


Vielfältige IT-Lehre

Die Zürcher Lehrmeistervereinigung Informatik (ZLI) macht die Tätigkeitsfelder Support, Systemtechnik und Applikationsentwicklung als Schwerpunkte für eine IT-Lehre aus. Für eine Ausbildung in Support eignen sich vor allem Betriebe mit entsprechend verbreiteten IT-Systemen wie Verwaltungen, Büros, Spitäler, Schulen, PC-Werkstätten und Informatik-Dienstleister. Für angehende Systemtechniker empfehlen sich Banken, Versicherungen sowie ebenfalls Verwaltungen, Spitäler, Schulen und grössere IT-Unternehmen. Für die Applikationsentwicklung empfehlen sich der Handel und Firmen mit Inhouse-Entwicklung.


Der Autor

Alfred Breu ist Präsident der Züricher Lehrmeistervereinigung Informatik.




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