Die heiligen Kühe des Internet


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/14

     

Über das Internet und seine negativen Seiten wird in den Medien jeweils ausgiebig berichtet. Mal ist es Kinderpornographie oder Rassismus, immer häufiger sind es Raubkopien und ab und zu steht eine Ehrverletzung zur Diskussion. Wo kommerzielle oder Sicherheitsinteressen auf dem Spiel stehen, wird immer häufiger auch rechtlich gegen unerlaubte Inhalte vorgegangen. Zumindest im Ausland nimmt die Zahl der Verfahren gegen Provider wieder zu.
Eine Kategorie von Internet-Protagonisten ist bis jetzt allerdings von Recht, Politik und Medien so gut wie nie getadelt worden: Die Suchmaschinen. Das liegt wohl kaum daran, dass sie mit den Schattenseiten des Internets nichts zu tun hätten. Gäbe es sie nicht, müssten zum Beispiel auch viele Websites mit illegalen Inhalten ein tristes Leben fristen: Kaum jemand würde sie finden. Wer jedoch oben in den Treffer-Listen von Google & Co. landet, zieht umso mehr Aufmerksamkeit auf sich. Manche «Opfer» von Hate-Sites oder Blogs mit Schmähkritik erfahren von ihrem Schicksal denn auch meist zuerst über eine zufällige Suche in Google oder der Blog-Suchmaschine Technorati. Theoretisch könnten sie den Betreibern dieser Suchmaschinen daraus einen Strick drehen, wenn diese auf eine Abmahnung nicht reagieren, helfen Suchmaschinen doch in gewisser Weise mit, die Verbreitung solcher Inhalte zu steigern.



Abgesehen von einigen wenigen Fällen geschieht aber nichts dergleichen. Selbst die eifrige Untersuchungsrichterin aus dem Waadtland, die vor Jahren wegen einer ehrverletzenden Website Provider zur Sperrung von Internet-Zugängen zwingen wollte, liess Suchmaschinenbetreiber unbehelligt. Die Cache-Funktion von Google ist ein weiteres Beispiel. Rechtlich ist sie vorsichtig ausgedrückt heikel, da die Suchmaschine fremde, häufig urheberrechtlich geschützte Inhalte ungefragt auf ihre eigenen Server kopiert. Dort sind sie auch dann noch abrufbar, wenn der betreffende Inhalt vom Netz ist. Gibt es Verfahren gegen Google deswegen? Fast keine. Ein Gericht in Nevada beschäftigte sich jüngst mit Googles Cache und verteidigte ihn. Der Richter liess den Kläger mit der Begründung abblitzen, er habe Google ja auch benutzt, die Cache-Funktion gekannt und hätte Google durch Metatags am Kopieren seiner Seiten hindern können.




Nicht zimperlich ist auch das Schweizer Bundesgericht: Es schützte den Betreiber eines Suchspiders, der Immobilienanzeigedaten von fremden Websites kopierte, um sie in einem Metasuchdienst anzubieten. Die Richter bemerkten, die klagenden Anzeigeplattformen könnten ja ebenfalls solche Spider einsetzen.
Der Entscheid war allerdings richtig. Denn wer das Internet für seine Zwecke nutzt, muss auch Links und Suchmaschinen akzeptieren, wie der deutsche Bundesgerichtshof befand. Doch gerade weil im Internet nichts mehr ohne Suchmaschinen geht und sie so allgegenwärtig sind, bleiben sie oft unbehelligt: Die von ihnen ausgehende «Gefahr» ist angesichts ihrer vielen Vorteile gesellschaftlich akzeptiert, jedenfalls solange sie im Rahmen bleibt.



Ob der Goodwill der Politiker und Gerichte gegenüber den Suchmaschinen Bestand hat, muss sich noch zeigen - sollte in den USA zum Beispiel ein Fall publik werden, in welchem ein Terrorist an entscheidende Angaben nur dank Google gelangte. Zur Bekämpfung von Kinderpornographie hat das US-Justizministerium jedenfalls kürzlich bereits Einblick in Suchdaten von Google & Co. verlangt.




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