Nicht ohne Kleingedrucktes

Wer ein Wiki oder Blog betreibt, sollte sich Gedanken zum Umgang mit Missbräuchen und zu den Nutzungsrechten an den Inhalten machen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/13

     

Um es vorwegzunehmen: Die Zahl der juristischen Fallstricke beim Betrieb eines Wikis oder Blogs ist zwar theoretisch beträchtlich, doch Rechtsstreitigkeiten sind bisher selten geblieben. Ein Grund dafür mag die Schnelligkeit dieser Medienformen sein: Werden Regeln verletzt, wird rasch korrigiert. So bleiben Rechtsverletzungen oft ohne Folgen, denn auch hier gilt: Wo kein Kläger, da kein Richter.





Doch das Recht ist nicht nur ein Risikofaktor, sondern schützt die Nutzergemeinde auch. Das Urheberrecht ist ein Beispiel. Zwar ist ein Text, eine Grafik oder ein Bild nicht per se urheberrechtlich geschützt; diese Werke müssen schon über einen individuellen Charakter verfügen, also eine Kreativität zum Ausdruck bringen. Wer also nicht nur einige Sätze eines Wiki-Beitrags überarbeitet, sondern Texte wirklich verfasst, kann davon ausgehen, dass sein Werk ebenfalls durch das Urheberrecht geschützt wird und er bestimmen kann, was damit getan werden darf. An diesem Punkt kommen allerdings die Lizenzbestimmungen zum Zuge, die auf vielen Wikis vorgegeben sind (gute Muster bietet creativecommons.org an) und auch von Bloggern genutzt werden: Sie sind meist am Seitenende angeführt und halten fest, wie es Dritten erlaubt ist, das Werk zu nutzen. Wer an einem Wiki teilnimmt, unterwirft sich diesen Regeln, sei es als Nutzer, sei es als Autor. Oft erlauben sie zwar die freie Weitergabe des Textes oder Bilds, formulieren aber gewisse Beschränkungen wie das Verbot, die Autorennennung zu entfernen, oder die Auflage, alle eigenen Ergänzungen am Werk ebenfalls unter denselben Lizenzbestimmungen zu veröffentlichen. Das Konzept ist also mit der Lizenzierung von Open-Source-Software durchaus zu vergleichen.






Dass solche Lizenzbedingungen sinnvoll und juristisch ernstzunehmen sind, zeigt ein Urteil vom März dieses Jahres gegen einen holländischen Zeitungsverlag. Der Verlag druckte ein Bild ab, das in einer Web-Community zwar abrufbar, aber im Rahmen der beliebten «Creative Commons»-Standardlizenz nur für nicht-kommerzielle Nutzungen freigegeben worden war. Das Gericht verbot der Zeitung gestützt darauf jede weitere Nutzung des Bilds.


Auch «freie» Lizenzen sind juristisch verbindlich

Was für den Zeitungsverlag gilt, gilt auch für Privatpersonen und ihre Beiträge in Blogs und Wikis. Wer hier geschütztes Material ohne Zustimmung des Rechteinhabers oder unter Missachtung der Lizenzbedingungen verwendet, begeht eine Urheberrechtsverletzung. Das gilt auch für das Kopieren von Inhalten eines Wikis in ein anderes, sofern die Lizenzbedingungen der beiden nicht kompatibel sind. Daher sollten Inhalte auf fremden Websites nur dann kopiert werden, wenn Lizenzbedingungen vorhanden sind und diese es klar erlauben.
Es ist eine verbreitete Irrmeinung, wonach fremde Inhalte auf der eigenen Website veröffentlicht werden dürfen, sofern die Quelle angegeben wird. Das ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Eine solche Ausnahme sind im Schweizer Recht Zitate, aber nur, wenn das Zitat zur Erläuterung, als Hinweis oder zur Veranschaulichung dient und der Umfang des Zitats durch diesen Zweck gerechtfertigt ist. Ein Zitat muss als solches bezeichnet und die Quelle angegeben werden. Ohne Rückfrage dürfen zum Zwecke der Information über aktuelle Fragen auch kurze Ausschnitte aus Presseartikeln oder Radio- oder Fernsehberichten wiedergegeben werden, wenn Ausschnitt und Quelle gekennzeichnet werden.


Deep Linking weitgehend unproblematisch

Die Urheberrechtsproblematik relativiert sich in Blogs und Wikis dort, wo für fremde Texte oder Bilder nur externe Links gesetzt werden, anstatt die fraglichen auf die eigene Seite oder den eigenen Server zu kopieren. Solche externen Links stellen in aller Regel keine Urheberrechtsverletzung dar; auch Deep-Links – also direkte Links auf Unterseiten von Websites – gelten heute urheberrechtlich überwiegend als weitgehend unproblematisch, jedenfalls solange keine Zugriffssperren umgangen werden.
Wer mit Links arbeitet, sollte allerdings nicht nur das Urheberrecht, sondern auch den Inhalt der gelinkten Seite beachten: Ist dieser seinerseits illegal, so ist Vorsicht am Platze, denn wenn aufgrund der Umstände der Eindruck entsteht, dass derjenige, der den Link setzt, sich damit den fremden Inhalt «zu Eigen» gemacht hat, muss er für ihn einstehen wie für eigene Inhalte. Ein Disclaimer genügt nicht, um sich von einem bestimmten Inhalt zu distanzieren. Genauso wenig wirksam ist ein Haftungsausschluss, der auf einer Website aufgeschaltet wird.






Der Betreiber eines Blogs oder Wikis muss damit rechnen, für fremde Kommentare, die auf seinen Seiten erscheinen, nebst den Autoren zur Verantwortung gezogen zu werden, wenn ihm eine Verletzung einer Sorgfaltspflicht nachgewiesen werden kann. Welche Sorgfalt er walten lassen muss, ist gerichtlich bisher nicht geklärt. Nicht nötig ist das ständige Überprüfen bestehender Links. Dagegen sollte ein Blog-Betreiber regelmässig die Kommentare auf seiner Website durchsehen.
Ratsam sind ebenso Regeln für Feedback und Beiträge. Betreiber von Wikis sollten die Lizenzbedingungen für Nutzer und Autoren klar kommunizieren und deutlich darauf hinweisen, dass kein fremdes Material benutzt werden darf. Sinnvoll ist es auch, den Leser auf die möglichen Fehler, Lückenhaftigkeit und anderen Mängel der Inhalte hinzuweisen, damit er weiss, was ihn erwartet. Das ändert freilich nichts daran, dass auch Hobby-Journalisten und -Autoren Fakten hinreichend recherchieren sollten, bevor sie sie veröffentlichen. Hier dürften ähnliche Grundsätze wie für Profi-Journalisten gelten. Wer durch die Verbreitung von Unwahrheiten über eine Person diese schädigt, kann dafür grundsätzlich zur Verantwortung gezogen werden – sofern er sich ermitteln lässt (bei Internet-Straftaten sind die Provider zur Offenlegung ihrer Logbücher verpflichtet). Kann er es nicht, muss unter Umständen der Betreiber mit Forderungen rechnen, sei es auf Schadenersatz oder Genugtuung. Im Falle eines Blogs dürfte auch ein Anspruch auf Gegendarstellung gegeben sein. Weniger angreifbar sind hingegen Meinungsäusserungen. Ein Recht, diese zu äussern, gibt es gegen­über dem Betreiber eines Wikis oder Blogs aber nicht. Er darf also beliebig zensieren.


Löschen bei klarer Rechtsverletzung

Der häufigste Fall einer Sorgfaltspflichtverletzung bei fremden Beiträgen in einem Blog oder Wiki dürfte jener eines Betreibers sein, der einen rechtswidrigen fremden Beitrag beibehält, obwohl ein klarer, konkreter Hinweis einer seriösen Quelle vorliegt, die angezeigte Rechtsverletzung durch den Beitrag offenkundig und ein Eingreifen zumutbar und möglich ist. Typische Rechtsverstösse sind Ehr- und Persönlichkeitsverletzungen, falsche Anschuldigungen und andere Unwahrheiten, Urheber- und Markenrechtsverletzungen, rassistische Äusserungen und unlautere Äusserungen wie etwa unnötig herabsetzende Bemerkungen über Unternehmen oder unfaire Preis- oder Produktevergleiche. Handfeste Rechtsfälle sind hierzulande aber eher selten.
Eine Impressumspflicht dürfte in der Schweiz bei Blogs und Wikis keine bestehen; gerichtlich geklärt ist dies aber nicht. Da die Lage in anderen Ländern, an welche sich das Angebot womöglich ebenfalls richtet, jedoch anders sein kann, empfiehlt es sich dennoch, ein Impressum nach deutschem Muster aufzuführen und insbesondere auch eine E-Mail-Adresse für Beschwerden anzugeben.




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