Billiger abrechnen mit Invoicing
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/10
Das «Sparen bei der Rechnung» versprechen Invoicing-Systeme durch eine Beschleunigung und Verbesserung der mit der Rechnungseingangs-Bearbeitung verbundenen Prozesse. Hierbei kommen unterschiedliche Ansätze und Systemkategorien zum Einsatz. Für den Erfolg ist eine detaillierte Untersuchung der technischen Rahmenbedingungen, der funktionalen Anforderungen und der geforderten Projektziele notwendig.
Ausgangspunkt für die Realisierung der Effizienzpotentiale ist die Vermeidung von Medienbrüchen und damit verbunden die digitale Vorgangsbearbeitung. Die Unterstützung des Gesamtprozesses lässt sich entsprechend den eingesetzten Werkzeugen in bis zu sechs Phasen einteilen:
Erfassung: Papierbasierte Eingangsrechnungen müssen in einem ersten Schritt über Scanner digitalisiert werden. Die Werkzeuge unterscheiden sich hinsichtlich des verarbeitbaren Volumens und der Funktionalitäten zur Nachkorrektur. Die erzeugten digitalen Abbilder werden in Texte umgewandelt.
Datenklassifikation: Bei den vorbereiteten Datenstrukturen werden Klassifikationswerkzeuge zur Identifikation der Art des Dokuments und damit der zu lesenden Informationen genutzt. Dabei kommen unterschiedliche Verfahren zum Einsatz. Bei Formular-basierten Systemen werden die Felder aufgrund ihrer Position auf der Rechnung erkannt. Diese sind in Form von Templates in der Software hinterlegt worden, daher ist hier die Klassifikation des Rechnungstyps (welche Art von Rechnung von welchem Lieferanten?) entscheidend.
Im Gegensatz dazu werden bei Freiform-Systemen mathematische Verfahren oder Referenzlisten auf den kompletten Text angewandt. Die Klassifikation des Rechnungs-typs und der Inhalte erfolgt anhand von Worten und Wortzusammenhängen. Beispielsweise wird unterstellt, dass eine Ziffernfolge hinter dem gefundenen Wort «Rechn.-Nr.:» eine Rechnungsnummer bezeichnet.
Datenextraktion: Die im Zuge der Klassifikation identifizierten Merkmale werden in vorgegebene Datenstrukturen übernommen. Dabei werden die für die jeweilige Bearbeitung notwendigen Felder gefüllt und der Workflow angestossen. Konnten Informationen nicht oder nur unvollständig gelesen werden, wird der Anwender auf entsprechende Lücken hingewiesen. Verschiedene Systeme ermöglichen die einfache Nacherfassung durch direkte Eingabe der Daten oder das Markieren und Auslesen der nicht automatisch identifizierten Felder im Image.
Die Systeme unterscheiden sich darin, ob nur das Auslesen der Rechnungskopf-Informationen sowie der Summen oder auch eine Erfassung der einzelnen Posten möglich ist. Den höheren Kosten stehen Vorteile bei der Prüfung und Verbuchung gegenüber.
Bearbeitung: Die Kernaufgaben der Bearbeitung sind das Erteilen oder Verweigern von Freigaben und das Zuweisen von Kostenstellen, wobei je nach Rechnungsgegenstand und -betrag unterschiedliche Abteilungen und Hierarchiestufen einzubinden sind. Durch Invoicing-Systeme kann dieser Prozess vollständig digital abgewickelt werden.
Verbuchung: Im ERP-System (Enterprise Resource Planning) erfolgt die wirkliche Verbuchung gemäss den Anweisungen aus dem Dokument und dem vorgelagerten Workflow. Invoicing-Systeme bieten hier den Vorteil, dass das manuelle Abtippen der Rechnungspositionen entfällt. Zudem können Rechnungen automatisch verbucht werden, wenn ein direkter Bestellbezug im ERP-System hergestellt werden konnte und Abweichungen in Menge oder Preis sich innerhalb festgelegter Toleranzgrenzen bewegen.
Archivierung: Direkt nach der Erzeugung des Image erfolgt eine Ablage in das Archiv. Papierbasierte Originale werden zumeist vernichtet und nur in Ausnahmefällen in herkömmlichen Archiven aufbewahrt. Durch die digitale Vorgangsbearbeitung können alle während der Erfassung, Bearbeitung und Verbuchung erzeugten Belege in eine gemeinsame, logisch verbundene Struktur überführt werden. Transparenz und Nachweisbarkeit der Bearbeitung steigen und Entscheidungen können leichter nachvollzogen werden.
Bei der Entscheidung über den Einsatz und die Ausgestaltung eines Invoicing-Systems werden technische und fachliche Anforderungen erhoben, die mit verschiedenen Erfolgsfaktoren verknüpft sind.
Direkte Kostenaspekte: Durch die deutlich schnellere Rechnungsbearbeitung werden Mahngebühren vermieden und eine Ausnutzung von gewährtem Skonto ist möglich. Zudem können durch die digitale Bearbeitung und Ablage Papierarchive reduziert und Transportkosten gespart werden. Klassifikations- und Erfassungsarbeitsplätze sind nicht mehr im ursprünglichen Umfang erforderlich.
Zeitaspekte: Die Durchlaufzeiten der Rechnungsverarbeitung verkürzen sich deutlich durch die digitale Verteilung und Weiterleitung sowie den fast vollständigen Wegfall der manuellen Erfassung. Auch einige Teilaspekte der Bearbeitung, wie beispielsweise bestimmte Prüfroutinen, können vollständig automatisiert werden.
Qualitätsaspekte: Steuerungsmechanismen sichern die Einhaltung der Entscheidungswege, Prüfroutinen kontrollieren das Vorhandensein von Pflichtfeldern und nehmen bei entsprechender Ausgestaltung des Systems die Kontrolle von Summen oder einen Abgleich gegen die Bestellung vor.
Nachweisbarkeit: Durch die Nachvollziehbarkeit der Bearbeitungsschritte und die gemeinsame Ablage logisch zusammengehörender Informationen in elektronischen Archiven wird ein hohes Mass an Prozesstransparenz erreicht. Damit kann dem berech-tigten, in Verträgen oder Gesetzen festgelegten Informations- und Auskunftsbedürfnis externer Ansprechpartner entsprochen werden.
Datenschutz und -sicherheit: Durch die digitale Bearbeitung und Weiterleitung im System sowie die Zugriffsberechtigungen im Archiv kann die unberechtigte Einsicht-nahme in Rechnungsinformationen verhindert werden.
Lieferantenmanagement: Die verbesserte Auskunftsfähigkeit sowie die verzögerungsfreie Begleichung von ausstehenden Rechnungen erhöhen die Zufriedenheit externer Partner und damit die Bindung an das Unternehmen.
Ob sich der Einsatz eines Invoicing-Systems lohnt, hängt von der Menge der zu verarbeitenden Rechnungen und der Anzahl der unterschiedlichen Rechnungsarten ab.
Martin Böhn ist Analyst am Business Application Research Center (BARC) in Würzburg (D).