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Editorial

Zuverlässigkeit statt Lichtgeschwindigkeit


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/11

     

Neulich, an einem verregneten, kalten Herbstabend: Endlich zu Hause nach einem langen Tag, wollte ich nur noch schnell eine äusserst wichtige Zahlung tätigen und dann ab ins Bett. So mein Plan – doch es kam anders. Kein Internet! Auch mindestens fünf Mal das Kabelmodem und den WLAN-Router neu starten mit gleichzeitigem Fluchen half nichts. Kurz bevor das ganze Netzwerk-Equipment in die Ecke des Büros flog, besann ich mich dann aber doch noch und griff zu meinem Handy. Ich aktivierte die Internet-Tethering-Funktion, holte mein Notebook und erledigte mein Online-Geschäft halt so, übers Mobilfunknetz. Zwar etwas langsamer als üblich, aber zumindest ging hier was.

Diese kurze Geschichte illustriert meiner Meinung nach sehr schön, wo aktuell und in den kommenden Monaten in Sachen Internetzugang der Schuh drückt. Ob Kupfer-, Coax- oder Glasfaserkabel, 10 oder 100 MBit/s – das ist heute nicht entscheidend. Was die Leute brauchen, sind möglichst zuverlässige Dienste. Man ist es sich gewohnt, dass das Internet einfach da ist, wie Strom und warmes Wasser. Es ist in vielen Haushalten – und natürlich auch in Büros – zu einem Grundbedürfnis geworden.


Fibre-to-the-Home (FTTH), also Glasfaseranschlüsse bis in die Wohnung, sind im Gegensatz dazu aktuell noch kein Grundbedürfnis, wie Ex-Swiss-com-CEO Jens Alder im Juni anlässlich des diesjährigen Asut-Seminars erklärte. Unternehmen oder Stadtwerke, die darin investieren, müssen laut ihm schon sehr viel Zukunftsglaube haben.

Auch ich brauche FTTH (noch) nicht: Nachdem ich in den Anfangszeiten des Internet stetig meine Bandbreite hochgeschraubt habe, bin ich mittlerweile seit fast zwei Jahren glücklich und zwar mit meinen 10 MBit/s über das Coax-Kabel. Und wenn ich als Power-User heute bereits zufrieden bin, dann sind es bestimmt auch die meisten Schweizer Internet-Nutzer. Klar, vielleicht sieht das in ein paar Jahren anders aus, vielleicht brauchen wir dann Internet in Lichtgeschwindigkeit. Aber wer weiss das schon?

Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Dr. Pascal Sieber & Partners, die zusammen mit Dätwyler Cables, EMC Electronic Media Communication, Ericsson, Keymile, Cablex und Drahtex durchgeführt wurde, vermeint, es zu wissen. Fibre-to-the-Home ist demnach die Zukunft, daran führt kein Weg vorbei. In 11 bis 16 Jahren müssten die Schweizer Kabelnetzbetreiber umgesattelt haben, heisst es (mehr dazu auf Seite 9).

Ob wir 2026 aber überhaupt noch einen fixen Internetzugang brauchen? Ob der ganzen Diskussion um die Glasfaser und den Bau ebendieser Netze geht ein spannendes Thema nämlich fast unter: LTE – die «Funk-Glasfaser», wenn man die versprochenen Daten-übertragungsraten von bis zu 100 MBit/s betrachtet.

Swisscom testet LTE bereits (siehe Seite 9), in anderen Ländern wie Schweden wurden bereits erste kommerzielle Netze in Betrieb genommen. Und LTE, wie wir es heute kennen und noch kennen lernen werden, ist bestimmt erst der Anfang. Ich denke, dass im Bereich des Mobilfunks in den kommenden 11 bis 16 Jahren bestimmt noch die eine oder andere Weiterentwicklung kommen wird, die eine noch schnellere Datenübertragung ermöglicht.

Übrigens: Nur zehn Minuten nachdem ich die Zahlung via das gemächliche 3G-Netz getätigt hatte, blinkten die Lämpli an meinem Modem wieder richtig und ich wäre wieder online gewesen... Manchmal braucht es auch einfach nur ein bisschen Geduld! (mv)


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