Ruf nach Mobilität bei ERP
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/10
Der ständig wachsende Wettbewerbsdruck zwingt die Unternehmen, ihre Prozesse zu optimieren und diese weitgehend den technologischen Möglichkeiten anzupassen. Neue Arbeits-abläufe, Heimarbeitsplätze, verbesserte Hardware sowie sinkende Verbindungskosten haben zu einem deutlichen Anstieg der Nachfrage nach mobil anwendbaren Unternehmensapplikationen geführt. Laut einer Erhebung des Zürcher Analysten- und Beratungshauses Intelligent Systems Solutions (i2s) bei 91 mittelständischen Unternehmen aus der Schweiz, Österreich und Deutschland sind die Haupttreiber für den Einsatz von Mobile ERP der Wunsch nach Zeitersparnis (57%), gefolgt von Prozessoptimierung (43%) und eine Verbesserung der Datenaktualität (39%). Aktuell setzen 30 Prozent der befragten Unternehmen mobile ERP-Anwendungen ein. Weitere fünf Prozent planen den Einsatz in absehbarer Zeit.
Durch den mobilen Zugriff auf das ERP-System haben Mitarbeiter ständig Zugang zu wichtigen Informationen, selbst wenn sie nicht am Arbeitsplatz, sondern beim Kunden vor Ort sind. Kennt der Mitarbeiter beispielsweise sofort die aktuellen Produktpreise oder den Lagerbestand, kann er schneller reagieren. Zudem werden Entnahmen aus dem oder Aufstockungen im Lager in dem Moment eingegeben, in dem sie passieren – egal, ob vom Büro aus oder von unterwegs. So stimmt die Auskunft über die Lagerbestände jederzeit mit dem aktuellen Level überein. Auch was den Materialfluss angeht, bieten der mobile Zugriff beziehungsweise die mobile Eingabe einige Vorteile: Geschäftskritische Komponenten können sozusagen im Flug bestellt werden, und das zu jedem Produktionszeitpunkt.
Beim Projekt «mobiles ERP» darf es nicht darum gehen, das ganze System auf dem jeweiligen mobilen Endgerät vollständig abzubilden. Den unterschiedlichen Nutzern, die das System von unterwegs bedienen sollen, müssen die von ihnen benötigten Prozesse zur Verfügung gestellt werden. Dabei stehen Prozesse rund um CRM (67 Prozent), Materialwirtschaft (44 Prozent) und Vertrieb (39 Prozent) ganz oben auf der Einsatzliste. Im Bereich Vertrieb erwarten die Befragten durch den Mobile-ERP-Einsatz eine Verbesserung der Kundenkommunikation und eine erhöhte Kundenzufriedenheit (jeweils 44 Prozent).
Erfahrungsgemäss werden administrative Aufgaben meist im Büro erledigt, während beim Kundenkontakt oftmals das Notebook zum Einsatz kommt. Den Mitarbeitern mit Kundenkontakt müssen daher alle wichtigen Funktionen zur Unterstützung ihrer Arbeit zur Verfügung gestellt werden, während administrative Prozesse nicht unbedingt mobil verfügbar sein müssen.
Der Anwender kann durch die Nutzung mobiler Endgeräte unabhängig von seinem Aufenthaltsort kommunizieren, Informationen abrufen und Daten versenden. In früheren Jahren mussten bei Dienstreisen, beispielsweise mit dem Flugzeug, notwendige Informationen in Papierformat vorher bereitgestellt und mitgenommen werden. Die Wartezeit im Flughafengebäude und der Flug konnten als «tote Zeiten» angesehen werden, da in der Regel eine Bearbeitung oder Aktualisierung der Informationen ausserhalb des Unternehmens nicht oder nur schwer möglich war. Die einzige Nutzung bestand darin, dass Hinweise auf den mitgenommenen Unterlagen vermerkt wurden. Im Gegensatz dazu besteht mit dem Einsatz von Mobile ERP die Möglichkeit, unabhängig vom Büro oder Unternehmen auf die relevanten Daten vom ERP-System zuzugreifen.
Neben der Ortsunabhängigkeit kann als weiterer wesentlicher Vorteil von Mobile ERP auch die zeitliche Komponente genannt werden. Mithilfe des Einsatzes von mobilen Endgeräten können Mitarbeiter nahezu zu jeder Zeit auf die Firmenressourcen und somit auch auf das ERP-System zugreifen. Beim Einsatz von Echtzeitkommunikation stehen dem Unternehmen aktuelle Daten und damit auch eine erhöhte Datenqualität zur Verfügung, und dies jederzeit. Dies schlägt sich zum Beispiel in schnelleren Bearbeitungs-, Durchlauf- und Auslieferungszeiten nieder und hat somit eine Erhöhung der Produktivität zur Folge. Gerade zeitkritische Daten können unter Einsatz von Echtzeitkommunikation weitaus schneller als früher übermittelt werden.
Durch die ständige Weitergabe und Abholung von Echtzeitdaten und der damit verbundenen besseren Integration ist auch der Mitarbeiter immer aktuell über die Geschäftsvorgänge im Unternehmen informiert. Dies hat für ihn den Vorteil, dass er sich ständig auf die ihm zur Verfügung gestellten Daten verlassen kann. Sollten die von ihm bearbeiteten Kunden- oder Interessenteninformationen von einem anderen Mitarbeiter durch einen weiteren Geschäftsvorfall auf diesen Kunden beeinträchtigt werden, erhält der Mitarbeiter diese ihm bis dahin nicht bekannte Information über die ständige Aktualisierung. Dadurch wird die gemeinsame Kommunikation unter den Mitarbeitern wesentlich verbessert. Die i2s-Umfrage zeigt, dass bereits zwei Drittel der befragten Mobile-ERP-Anwender von unterwegs auf Kundendaten zugreifen können.
Insbesondere ein Service-Techniker mit ständig wechselnden Einsatzorten profitiert von Mobile ERP, da seine Dienststelle einerseits den aktuellen Aufenthaltsort kennt und andererseits eine optimale Disposition für ihn durchführen kann. So ist es möglich, dass der Techniker bereits bei der ersten Anfahrt notwendige Daten für das zu reparierende Gerät und für die Reparatur erforderliche Ersatzteile mitnimmt und in aller Regel sofort eine erfolgreiche Instandsetzung gewährleis-tet ist. Ohne den Einsatz von Mobile ERP stellt der Techniker beim ersten Besuch zuerst die Schadensursache sowie die benötigten Ersatzteile fest und baut diese dann im zweiten Besuch ein. Durch den Einsatz von mobilen Applikationen für ERP-Systeme und die damit verbundene Echtzeitkommunikation werden Ressourcen geschont, was sich in einer geringeren Rechnungsstellung beim Kunden auswirkt.
Die Kombination aus örtlicher Unabhängigkeit und sofortiger Daten-aktualität macht flexibel. Darüber hinaus profitieren das Unternehmen und der Mitarbeiter von der ständigen Mitführung des mobilen End-gerätes, das durch seinen Standby-Betrieb ohne grossen Bootvorgang sofort benutzbar ist. Mit der Einführung von modernen Mobilfunknetzen wie zum Beispiel UMTS, GPRS oder LTE fallen Verbindungsaufbauzeiten weg, da das mobile Endgerät ständig mit dem ERP-System verbunden ist. Dadurch wird es möglich, Informationen und Daten ohne zeitliche Verzögerung zu senden und zu empfangen. Auf den ersten Blick führt die Ausstattung sämtlicher relevanten Mitarbeiter mit mobilen Endgeräten zu einer Kostensteigerung. Diese Kosten werden aber durch Einsparungen aus den Prozessoptimierungen oder anderen Kostenfaktoren mindestens ausgeglichen. So sind die mobilen Endgeräte insgesamt betrachtet kostengünstiger als die komplette IT-Arbeitsplatzausstattung für die betroffenen Mitarbeiter im Unternehmen.
Trotz aller Vorteile kommt für knapp zwei Drittel der Unternehmen der Einsatz von Mobile ERP nicht in Frage. Als Hauptgrund wird mangelnder Bedarf angeführt (40%). Jeweils 27 Prozent beklagen eine mangelnde Nutzenargumentation durch den Hersteller oder finden die Investitionen zu hoch.
Doch auch diejenigen, die Mobile ERP einsetzen, sehen nicht nur Vorteile. 22 Prozent der Befragten geben als Nachteil die steigenden Anforderungen an die Mitarbeiter an. Das ist die Kehrseite der ständigen Erreichbarkeit. 11 Prozent bemängeln ausserdem eine fehlende Trennung zwischen Arbeit und Freizeit durch die zunehmende Verbreitung von Mobile-ERP-Anwendungen. Des weiteren kritisiert ein Drittel der Befragten die langsame Verbindung unterwegs und weitere 28 Prozent beanstanden die Stabilität der Software. Ein zusätzlicher Kritikpunkt ist die Anpassbarkeit der Software an die Endgeräte (50%).
Der Einsatz von mobilen Geschäftsanwendungen wird durch die grössere Verfügbarkeit von Smartphones und Notebooks, gesunkene Tarife für das mobile Surfen und das zunehmende Angebot der ERP-Anbieter weiter zunehmen. Die Vorteile in den kundennahen Bereichen sind offensichtlich. Für die Unternehmen geht es darum, insbesondere die Datensicherheit sicherzustellen und einen Wildwuchs unter den eingesetzten Geräten zu verhindern.