«Finde das Gerät ziemlich cool»
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/10
Swiss IT Magazine: Sie benützen bereits seit längerem ein Windows-Phone-7-Gerät. Können Sie uns kurz Ihre Erfahrungen schildern?
Marco Wyrsch: Als ich das Gerät zum ersten Mal eingeschaltet habe, war ich angesichts einiger Skepsis ziemlich überrascht. Zum einen wegen des komplett neuen Interfaces, zum anderen auch, weil das Gerät in puncto Geschwindigkeit einem iPhone 4G oder einem Android-Handy in nichts nachsteht. Für Microsoft ist dies schon eine beachtliche Leistung (lacht). Erstaunlich war für mich auch, dass das Konzept hinter dem Sys-tem wirklich neu ist. In dieser Form kennt man das nicht. Bei anderen Plattformen wurde nach dem Vorbild von Apple einfach auf Apps gesetzt. Auch Android hat nach diesem Vorbild gearbeitet und zusätzlich noch Widgets obendrauf gepackt, damit der User den Home-Screen nach seinen Bedürfnissen anpassen kann. Microsoft hingegen setzt auf eine Mischung dieser beiden Konzepte. Zwar gibt es auch Apps, doch Microsoft fasst in Windows Phone 7 primär Services zusammen. Das Windows-Phone-7-Konzept will nicht, dass der User zuerst zehn Apps öffnen muss, um an seine Informationen zu kommen, und setzt dazu auf Hubs. Im Bilder-Hub zum Beispiel werden alle Bilder – sowohl von der lokalen Kamera und vom PC als auch die von Facebook, Windows Live oder anderen online Cloud-Storage-Angeboten – sauber zusammengefasst dargestellt. Mir persönlich gefällt dieses Konzept, ich finde das Gerät ziemlich cool.
Und was empfinden Sie als negativ?
Es ist nun mal so, dass ein neues Gerät oder eine neue Plattform beim Erscheinen daran gemessen wird, wie viele Apps dafür verfügbar sind. Ich weiss zwar nicht, wie viele Apps zum Start von Windows Phone 7 vorhanden sein werden, aber es werden sicher noch nicht so viele sein wie bei Apple oder Android heute. Viele Entwickler haben aber Apps angekündigt, und ich hoffe, dass diese dann wirklich erscheinen und dass sich der Marketplace schnell füllt. Das ist sicher mitentscheidend für den Erfolg. Störend sind zudem auch die Einschränkungen, die das Gerät hat. Das Telefon funktioniert ohne viel Aufwand. Jedes Programm, das ich herunterlade, funktioniert einwandfrei. Aber früher – auf der Windows-Mobile-Plattform – hatte man die Möglichkeit, ein wenig zu basteln und rasch eigene Programme im Unternehmen zu verteilen. Das ist heute ein wenig komplizierter und für mich als Entwickler ein Nachteil. Für den normalen Nutzer wird das aber keine grosse Rolle spielen. Persönlich als störend empfinde ich auch die ganze Speicherkarten-Geschichte. Ich würde das Telefon beispielsweise gerne auch als USB-Stick verwenden und rasch Daten oder Musik darauf speichern. Doch wie bereits beim iPhone funktioniert das leider nicht. Ich verstehe zwar, dass dies aufgrund von DRM-Fragen (Digital Rights Management) schwierig ist, ärgerlich ist es trotzdem. Und schade ist auch, dass Copy&Paste im Moment noch nicht auf dem gesamten System funktioniert, sondern nur bei einzelnen Anwendungen. Microsoft wird diese Funktion aber schon bald nachreichen.
Sie haben ja bereits Apps für Windows Phone 7 entwickelt. Erzählen Sie uns doch von Ihren Erfahrungen.
Im Rahmen eines Hochschulprojektes haben wir die Entwicklung von Apps für das iPhone, für Android und für Windows Phone ver-glichen. Dabei haben wir festgestellt, dass beispielsweise die Entwicklung im Bereich User Interface (UI) bei Windows Phone 7 klar am schnellsten von der Hand geht. Dies aus dem einfachen Grund, weil die Entwickler-Tools für die Plattform am ausgereiftesten und am einfachsten zu bedienen sind. Selbst ich – und ich bezeichne mich als Banause im Bereich Usability und UI – konnte innert 45 Minuten ein sauber animiertes, ansprechendes Interface programmieren. Das ist ein Riesenvorteil. Interessant ist auch folgendes: Wenn ich für ein iPhone ein Programm schreibe und dieses dann auch auf einem Mac, einem PC und einer Linux-Kiste laufen lassen will, programmiere ich dieses Programm viermal «von Grund» auf. Ein Programm aber, das ich für Windows Phone 7 gebaut habe, kann ich mit einigen wenigen Anpassungen auch auf einem Windows-PC, einer Xbox, einem TV oder auf Linux laufen lassen. Den grössten Teil des Codes inklusive UI kann übernommen werden.
Wieso geht das?
Weil letztlich alles auf Basis von Silverlight entwickelt wird, und Silverlight plattformunabhängig ist. Das heisst, Programme können über jeden Browser gestartet werden. Dies könnte natürlich auch ein Anreiz beispielsweise für einen iPhone-Entwickler sein. Vorausgesetzt, Windows Phone 7 legt einen guten Start hin, und ein Entwickler sieht es als Vorteil, wenn eine App neben dem Handy auch gleich auf anderen Plattformen läuft, könnte dies durchaus ein Anreiz sein, für Microsofts Telefone zu entwickeln.
Wo liegen denn noch weitere Unterschiede beim Entwickeln für Windows Phone 7 im Vergleich mit anderen Plattformen?
Die Einstiegshürde ist tiefer, man findet sich schneller zurecht. Zum einen, weil es grössere Communities hinter Silverlight gibt, zum anderen ist die Entwicklungsumgebung von Windows Phone 7 viel einfacher und bietet mehr Unterstützung für den Entwickler. Ein Beispiel: Jüngst wollte ich einen einfachen Task realisieren – das Abholen eines RSS-Feed, einmal für Android und einmal für Windows Phone 7. Für Windows Phone 7 musste ich fünf, sechs Zeilen Code schreiben, und dann funktionierte das Ganze und sah auch noch hübsch aus. Für Android musste ich zuerst schauen, welche Komponente XML parsen und Webservices ansprechen kann. Dann musste ich mehrere Komponenten runterladen und prüfen, ob das Ganze auch auf den verschiedenen Geräten läuft. Dies ist bei Android ohnehin der grösste Schwachpunkt, dass eine Applikation nicht in allen Fällen auf allen Geräten läuft, sondern man immer schauen muss, welche Komponenten man verwenden darf. Bei Apple gibt es dieses Problem zumindest auch nicht. Hier muss ich dafür Objective-C erlernen, was mir persönlich nicht nahe liegt und was die App-Entwicklung in den meisten Fällen aufwendiger macht, als wenn ich einfach auf .Net entwickeln kann.
Wir haben jetzt einige Male über Entwickler-Tools gesprochen. Mit welchen Werkzeugen entwickeln Sie denn letztlich für Windows Phone 7?
Ich habe Visual Studio 2010 für die Entwicklung im Einsatz. Hier gibt es übrigens eine abgespeckte Gratis-Variante. Und für das Design verwende ich Expression Blend. Expression Blend ist eigentlich auf Anwender ausgerichtet, die eher von der grafischen Seite her kommen, ist aber trotzdem auch für Entwickler sehr intuitiv zu bedienen. Mit diesen beiden Tools kann man Applikationen erstellen.
Wie stark muss sich denn ein Entwickler umstellen, der bislang fürs iPhone oder für Android entwickelt hat?
Bei Android hält sich die Umstellung in Grenzen, da Android auf Java basiert und Java und C# sehr ähnlich sind. Für mein letztes Projekt hatte ich zum Beispiel einen Java-Entwickler an Bord, der sich zwar ein wenig in C# einarbeiten musste, aber relativ schnell im Entwicklungsprozess drin war. Ausserdem musste er abschliessend eingestehen, dass die ganzen Komponenten, die Microsoft zur Verfügung stellt, den ganzen Entwicklungsprozess schon vereinfachen und dem Programmierer Arbeit abnehmen, die man bei Android zum Beispiel selbst codieren muss. Es gibt halt einfach diverse Dinge, die in der .Net-Technologie schon vorhanden sind. Bei Apple gibts dies auch nicht.
Schränkt mich diese Einfachheit als Entwickler denn nicht auch ein und nimmt mir den Spielraum?
Nein, das ist höchstens bei Android so. Bei gewissen Android-Controls ist es äusserst mühsam, wenn man etwas anpassen muss. Bei Windows Phone 7 jedoch lassen sich alle Controls entweder eins zu eins verwenden oder man programmiert sie um und überschreibt Funktionen, die nicht passen. Man kann auch den Source Code dieser Controls nehmen und auf dessen Basis selbst etwas bauen. Das bedeutet also: Wenn man schnell etwas auf die Beine stellen will, kommt man rasch vorwärts, aber man kann mit etwas Aufwand auch flexibel spezielle Eigenschaften programmieren.
Mit Apple und Android haben wir bereits zwei grosse Handy-Plattformen. Nun kommt eine weitere mit viel Potential dazu. Ist dies nicht überaus mühsam für den Entwickler, schliesslich muss er so seine Apps dreimal von Grund auf entwickeln?
Das ist so. Und für jeden Entwickler gibt es nichts Mühsameres, als dieselbe Applikation dreimal zu bauen, nur damit sie auf allen Plattformen läuft.
Lässt sich denn gar nichts übernehmen?
Nun, das Interface zumindest lässt sich sicher von der Idee her übernehmen. Jedoch muss auch dieses neu programmiert werden. Auch die ganzen Algorithmen und Logiken muss man im Prinzip nur einmal konzipieren und danach einfach den Code umschreiben. Am einfachsten dürfte es wohl für einen Java-Entwickler sein, der auf C# wechselt, weil die beiden Sprachen wie erwähnt von der Syntax her sehr ähnlich sind. Schaut man sich nun an, wie viele User ich mit einer iPhone-Applikation ansprechen kann, sind das zwar relativ viele. Jedoch kann die Applikation nur auf dem iPhone verwertet werden. Darum nochmals: In meinen Augen ist es ein Riesenvorteil, wenn ich ein Programm für Windows Phone 7 schreibe und dieses dann relativ schnell auch auf anderen Plattformen zur Verfügung habe.
Sehen Sie hier einen Ausweg – eine einheitliche Programmierumgebung für alle Mobile-Plattformen?Ehrlich gesagt nein. Teilweise wird dieser Ansatz verfolgt, mittels Internetservices, die einmal programmiert werden müssen und für verschiedene Plattformen kompiliert werden können. Doch hier stellt sich wieder die Problematik, dass die Funktionen der Endgeräte zu unterschiedlich sind. Ich kann beispielsweise nicht erwarten, dass jedes Telefon mit einem Kompass ausgestattet ist.
Kommen wir noch rasch zum Marketplace von Windows Phone 7. Welche Anforderungen muss ein Entwickler erfüllen, um Apps für den Marketplace verkaufen zu können?
Er muss sich online registrieren und seine Bankkonto-Informationen angeben. In diesem Zusammenhang etwas kompliziert ist die ganze Steuergeschichte mit den USA. Man findet hierzu im Internet aber Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Ausserdem werden 99 Dollar fällig, damit Apps eingestellt werden können. Danach geht es im Prinzip los. Man kann seine App hochladen, diese wird geprüft und automatisch bezüglich Ausführungszeiten optimiert und dann wird die Applikation freigegeben.
Und wie werden die Einnahmen aufgeteilt?
Stand heute ist: 30 Prozent bleiben bei Microsoft, 70 Prozent gehen an den Entwickler.
Wo sehen Sie bezüglich Marketplace die grossen Unterschiede?
Im Vergleich mit Apple ist die Situation praktisch identisch. Microsoft wird aber versuchen, nicht in dieselben Negativschlagzeilen wie Apple zu geraten und Applikationen schneller freizugeben. Bei Apple ist es ja oft so, dass zwei, drei Wochen gar nichts passiert. Ausserdem werden die Richtlinien wohl kaum so strikt sein wie bei Apple. Hier wird es ja schon kritisch, wenn beispielsweise Fremdkalender oder andere Komponenten, die versuchen, Sys-temfunktionen abzubilden, integriert werden.
Also darf man hoffen, dass die Microsoft-Plattform etwas weniger restriktiv ist, was Inhalte angeht?
Ich denke schon, ja. Auch deshalb, weil sich Microsoft gegenüber Apple etwas abheben will.
Denken Sie, dass es im Business-Umfeld für eine Firma auch möglich sein wird, eine App direkt und ohne Umweg über den Marketplace auf die Endgeräte der Firma zu bringen?
Microsoft sagt hierzu im Moment nur, dass Ende Oktober die weitere Strategie für Windows Phone 7 bekanntgegeben wird. Eine Möglichkeit, die man aber heute schon hat, ist folgende: Man kann als Entwickler Geräte im Beta-Status betreiben. Meine Mitarbeiter sind beispielsweise alles Beta-Tester. Auf diese Geräte kann ich natürlich auch meine Software raufladen. Dieser Workaround soll auch nach dem offiziellen Release der Plattform funktionieren. Dies kann auch für eine Firma ein gangbarer Weg sein.
Abschliessend: Welche Apps erwarten Sie am stärksten zum Start von Windows Phone 7?
Ganz klar Games und Social-Networking-Apps.
Und Business Apps? Schliesslich war Windows auf dem Handy bislang vor allem für Business-User konzipiert.
Schon. Aber Microsoft hat seit Ankündigung von Windows Phone 7 vor allem versucht, die Consumer anzusprechen. Aus Marketing-Sicht bei Microsoft ist das Wort Business kaum einmal gefallen. Leute sind sogar schon zu mir gekommen mit der Bemerkung, dass Windows Phone 7 fürs Business ja gar nicht mehr tauge. Dem ist aber nicht so. Denn langsam sieht man: Office ist perfekt integriert, für den Sharepoint-Zugriff muss ich lediglich die URL meines Sharepoint-Server eingeben, und es funktioniert. Auch mehrere Exchange-Accounts oder mehrere Kalender sind kein Problem, und auch Security-Policies können durchgesetzt werden. Die Business-Features sind also alle vorhanden und funktionieren, sie werden von Microsoft einfach nicht im grossen Stil angekündigt.