Rechtliche Tücken des E-Commerce
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/09
Unter dem Begriff E-Commerce versteht man das Anbieten von Waren und Dienstleistungen über das Internet. Im Zusammenhang mit E-Commerce interessieren rechtlich vor allem die Fragen, inwiefern Angebote im Internet verbindlich sind, wie Verträge im Internet zustande kommen, wie allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) für E-Commerce formell und inhaltlich gestaltet werden müssen und was bei der elektronischen Werbung zu beachten ist. Da das Internet typischerweise keine Grenzen kennt spielt auch das internationale Recht eine wichtige Rolle.
Laut dem Schweizerischen Obligationenrecht (OR) und der dazugehörigen Rechtsprechung sind Angebote in Katalogen nicht verbindlich. Nun fragt sich, ob dies auch für Angebote im Internet gilt. Eine Rechtsprechung gibt es zu dieser Frage noch nicht. Ein Teil der Juristen geht aber davon aus, dass mittelbare Angebote, die über Formulare oder ähnliches bestellt werden, den unverbindlichen Angeboten in Katalogen entsprechen. Werden Bestellungen von mittelbaren Angeboten aber online bestätigt, führt dies zum Vertragsschluss - auch wenn die Bestätigung automatisiert erfolgt. Der Händler muss also sicherstellen, dass das Angebot geliefert werden kann. Unmittelbare Angebote sind solche, die direkt über das Internet bezogen werde können. Das trifft auf alle Waren und Dienstleistungen zu, die in elektronischer Form übermittelt werden können, wie zum Beispiel Musik, Filme, Fotos und Software.
Verträge bedürfen dem Obligationenrecht zufolge einer besonderen Form, wenn es das Gesetz explizit verlangt. Ansonsten gilt die Formfreiheit. Zu den Formen, die das Gesetz vorschreibt, gehören vor allem die einfache Schriftlichkeit und die notarielle Beurkundung (insbesondere für Grundstückgeschäfte). Die notarielle Beurkundung kann bis dato nicht über das Internet vorgenommen werden. Die handschriftliche Unterschrift wurde jedoch der qualifizierten digitalen Signatur gleichgestellt. Die meisten Verträge, die über das Internet abgeschlossen werden, bedürfen jedoch keiner besonderen Form, wie der Kaufvertrag, der Lizenzvertrag (Innominatvertrag) und der Auftrag. Diese Verträge können also ohne weiteres formell gültig über das Internet abgeschlossen werden.
Im Zusammenhang mit E-Commerce werden oft allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) eingesetzt. Aus rechtlicher Sicht ist dabei die Frage, wann und wie AGB zur Anwendung gebracht werden können, von besonderer Bedeutung. Auch das auf das Vertragsverhältnis anwendbare Recht und das für allfällige Rechtsstreitigkeiten zuständige Gericht spielen eine Rolle. Soweit es sich um Konsumentenverträge handelt, können anwendbares Recht und Gerichtsstand nicht vereinbart werden, da sie von Gesetz (Internationales Privatrechtsgesetz) und Übereinkommen (Lugano Übereinkommen) zwingend vorgeschrieben werden. Im gewerblichen Bereich können die Parteien jedoch in der Regel anwendbares Recht und Gerichtsstand wählen. Trotz Konsumentenschutz macht es für einen Anbieter im Internet Sinn, sowohl anwendbares Recht wie Gerichtsstand festzuschreiben – vorbehältlich des zwingenden Rechts und zwingenden Gerichtsstandes. Damit AGB zur Anwendung kommen, müssen sie rechtsgültig übernommen worden sein. Dazu ist es notwendig, dass der User die AGB zur Kenntnis nehmen kann. Er muss sie jedoch nicht unbedingt gelesen und schon gar nicht verstanden haben. Es ist zu empfehlen, AGB so einzubauen, dass der Anwender für den Abschluss eines Geschäfts zwingend die Frage beantworten muss, ob er die AGB anerkennt. Zudem sollte die Frage unmittelbar mit einem Link zu den AGB verbunden werden. Wichtig ist auch, dass ein Beweis gesichert wird, zu welchem Zeitpunkt in E-Commerce welche AGB gelten (mit Datierung).
Es ist naheliegend, dass insbesondere reine E-Commerce-Angebote auch elektronisch beworben werden, insbesondere per E-Mail. Dabei sind jedoch die entsprechenden Vorschriften zu beachten. Es gilt sowohl in der Schweiz, wie in der Europäischen Union (EU) das Opt-In-, wie auch das Opt-Out-Prinzip. Das Opt-In-Prinzip bedeutet, dass keine kommerziellen E-Mails an Adressaten verschickt werden dürfen, die nicht bereits Kunden des Versenders sind oder der Werbung durch E-Mails gegenüber dem Versender explizit zugestimmt haben. Kommerzielle E-Mails, die ohne diese Voraussetzungen verschickt werden, sind illegal. Das Verschicken von Spam ist strafbar.
Da der Markt hierzulande relativ klein ist, streben viele Schweizer E-Commerce-Anbieter danach, ihr Angebot mindestens auf die Nachbarländer auszudehnen. Ist dies der Fall, sind die entsprechenden Normen dieser Zielländer zu beachten, wobei für alle Länder in diesem Bereich die EU-Fernabsatz- und die EU-E-Commerce-Richtlinie die Mindeststandards bilden, an denen man sich orientieren kann.
Vor allem die Informationspflichten im Zusammenhang mit E-Commerce im Bereich B2C sind einzuhalten. Dabei müssen folgende Informationen leicht, unmittelbar und ständig zur Verfügung gehalten werden:
-Firma oder Vorname/Name, physische Adresse, E-Mail, PLZ/Ort des Lieferanten
-Sitz einer Gesellschaft
-Mehrwertsteuernummer
-Name und Ort der Aufsichtsbehörde, wenn Bewilligung erforderlich (z.B. Apotheker)
-Berufsverband und Berufsregeln von reglementierten Berufen (Rechtsanwälte, Ärzte, Apotheker usw.)
-Wesentliche Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen
-Preis der Waren oder Dienstleistungen, einschliesslich aller Abgaben (MwSt.)
-Gültigkeitsdauer des Angebotes oder des Preises
-Höhe der Gebühren und Kosten (Lieferungs-/Versandkosten, Kommunikationskosten, sofern nicht nach dem Grundtarif berechnet)
-Bedingungen für Zahlung, Lieferung respektive Erfüllung
-Mindestlaufzeit bei Dauer- oder Sukzessivlieferungsverträgen (Zeitungsabo)
-Bestehen eines Widerrufsrechts sowie Form und Frist für dessen Geltendmachung
-Einzelne technische Schritte, die zu einem Vertragsabschluss führen
-Angaben dazu, ob der Vertragstext nach Vertragsabschluss vom Anbieter gespeichert wird und ob er weiterhin zugänglich sein wird
-Technische Mittel zur Erkennung und Korrektur von Eingabefehlern vor Abgabe der Bestellung
-Für den Vertragsschluss zur Verfügung stehenden Sprachen
Die Vertragsbestimmungen und die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) müssen den Konsumenten so zur Verfügung stehen, dass sie sie speichern und ausdrucken können. Weiter muss die Bestellung eines Konsumenten unverzüglich elektronisch bestätigt werden. Ein in der EU wohnhafter Konsument kann einen Vertrag innerhalb einer Frist von mindestens sieben Werktagen ohne Angabe von Gründen und ohne Strafzahlung widerrufen. Einzig die Kosten für die Rücksendung der Ware können einem Konsumenten auferlegt werden, wenn er vom Widerrufsrecht gebrauch macht. Die Frist für die Wahrnehmung des Widerrufsrechts beginnt bei Waren mit dem Tag ihres Eingangs beim Konsumenten, bei Dienstleistungen mit dem Tag des Vertragsabschlusses. Informiert der Anbieter den Konsumenten nicht über das Widerrufsrecht, beträgt die Frist drei Monate. Das Widerrufsrecht gilt aber nicht für Dienstleistungen, deren Ausführung bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen haben, also für Finanzmarktgeschäfte, für Werkverträge, für den Kauf von schnell verderblichen Waren, für Waren, die für die Rücksendung nicht geeignet sind (insbesondere Software, Musik und Videos) sowie Zeitungsabonnemente. Wird das E-Commerce-Geschäft mit einem Konsumkredit verbunden, kann mit dem Widerrufsrecht auch dieser aufgelöst werden.
In der Schweiz gibt es weder ein Fernabsatz- noch ein E-Commerce-Gesetz. Der Bundesrat wollte ein E-Commerce-Gesetz lancieren, stellte das Projekt jedoch nach einer mehrheitlich ablehnenden Vernehmlassung ein. Insbesondere wurde nicht goutiert, dass das Gesetz eine generelle Ausdehnung des Konsumentenschutzes in der Schweiz anstrebte. Das heisst aber nicht, dass es in der Schweiz nicht ähnliche Normen wie in der EU-Fernabsatz- und EU-E-Commerce-Richtlinie gibt. Die Information von Konsumenten bei E-Commerce ergibt sich in der Schweiz primär aus dem Lauterkeitsgesetz aber auch aus der Preisbekanntgabeverordnung, dem Konsumkreditgesetz und dem Pauschalreisegesetz. Ein generelles Widerrufsrecht bei E-Commerce gibt es in der Schweiz nicht. Hierzulande haben Konsumenten zum Beispiel bei Irrtum oder absichtlicher Täuschung, bei Haustürgeschäften und Werbeveranstaltungen und beim Konsumkredit ein Widerrufsrecht. Die Mehrheit der Juristen geht übrigens davon aus, dass E-Commerce nicht unter die Haustürgeschäfte fällt, es also kein generelles Widerrufsrecht gibt. Denn beim E-Commerce nimmt man an, dass der Konsument sich nicht überrumpelt fühlen kann, wie möglicherweise bei einem Haustürgeschäft.
Ein Kunde von uns verlangt, dass wir seine Daten gemäss Datenschutzgesetz löschen. Kann man das verlangen? Was müssen wir löschen?
Kundendaten werden für den Abschluss und die Durchführung eines Geschäftes mit dem Einverständnis des Kunden erfasst. Soweit die erfassten Daten für diesen Zweck notwendig und geeignet sind, ist dagegen nichts einzuwenden. Nach Abschluss des Geschäftes fragt sich, welche Daten weiterhin aufbewahrt werden dürfen oder müssen respektive welche gelöscht werden müssen. Aufbewahrt werden müssen im Wesentlichen diejenigen Daten, die notwendig sind, um Abschluss und Durchführung des Geschäfts sowie Forderungen daraus zu beweisen. Dazu kommen Daten, die für die Steuerbehörden aufbewahrt werden müssen. Sowohl vertrags- wie steuerrechtlich ist je nach Geschäft eine Aufbewahrungszeit von fünf bis zehn Jahren angezeigt, wobei man mit zehn Jahren auf der sicheren Seite ist. In einigen steuerrechtlichen Angelegenheiten ist eine Aufbewahrung während zwanzig Jahren notwendig. Nach Ablauf dieser Aufbewahrungsfrist sind Daten jedoch in der Regel vollständig zu vernichten, sowohl auf Papier wie auch elektronisch, inklusive allfälliger Backups. In einigen Fällen, z.B. bei Rechtsanwälten, kann es notwendig sein, mindestens die Namen der Kunden weiterhin auf einer Liste zu führen, um auch inskünftig Interessenkonflikte zu vermeiden. Ein spezielles Problem stellt sich bei Werbe-E-Mails. Verlangt jemand, dass er von einer Versandliste gestrichen wird und wünscht explizit, nie mehr ein Werbe-E-Mail zu erhalten, fragt sich, ob man diesen auf eine sogenannte Blacklist setzen darf. Das Problem ist umstritten. Wenn jemand verlangt, dass seine Daten komplett gelöscht werden, wäre ein Weiterführen in einer Blacklist wohl ein Verstoss gegen das Datenschutzgesetz. Verlangt jemand, dass er nie mehr Werbe-E-Mails erhält, dient es ihm jedoch, wenn man ihn auf eine Blacklist setzt.