Wege zum schlanken Unternehmen
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/09
SwissICT: Peter, die Bezeichnung "Lean Agile & Scrum" (LAS) dürfte für nicht Eingeweihte eine etwas gar abstrakte Begrifflichkeit sein. Andere wiederum - z.B. CEOs und CIOs - sehen darin eine grosse Kühnheit, an die man sich nicht wagt...
Peter Stevens: … und eine wachsende Gruppe innovativer IT-Spezialisten und Führungskräfte unterschiedlichster hierarchischer Stufen erfährt durch Lean Agile & Scrum eine neue Art und Weise, wie Software-Projekte erfolgreich(er) umgesetzt werden können.
Warum eine Abkehr von vertrauten-Entwicklungsmethoden?
Die Welt – namentlich das wirtschaftliche Umfeld – hat sich im Laufe der letzten 20, 30 Jahre drastisch verändert. Heute haben Kunden eine unendlich grosse Auswahl an Produkten und Lieferanten. Zudem führen moderne Kommunikationsmittel zu einem steten Informationsfluss und zu informierten Kunden. Vor diesem Hintergrund ist es für Firmen lebensnotwendig, Lösungen und Produkte anzubieten, die sich vom Mitbewerber abheben und Kunden glücklich, wenn nicht gar enthusiastisch machen. Dies wiederum bedingt in aller Regel neue Firmenstrukturen, ein neues Denken und innovative Formen der Produktentwicklung.
Inwieweit spielt LAS in diesem Zusammenhang eine Rolle?
Lean Agile & Scrum darf als neue Denkweise betrachtet werden, die mit alten Konventionen bricht, etablierte und scheinbar erfolgreiche Entwicklungsmethoden über Bord wirft. Wir können LAS auch als ideologische Alternative zur planorientierten Entwicklung betrachten, die sich der «Economies of Scale» (Skaleneffekte) und einer maximalen Produktivität verschrieben hat.
Was ist so falsch an der seit Jahren praktizierten Form der Softwareentwicklung?
Mary Poppendieck, eine weltweit angesehene Autorin und hochkarätige LAS-Expertin, geht im Rahmen ihrer Keynote an der Lean Agile Scrum Konferenz 2010 auf diese Frage ein. Sie stellt Ihr Referat unter den Titel «Die Tyrannei des Plans». Dabei geht sie sowohl auf einen der grössten Irrtümer im Bereich der Arbeits- und Projekt-Organisation ein – nämlich auf die Vorstellung, dass angeblich genaue Planung zu vorhersehbaren Leistungen und Resultaten führt –, als auch auf den Irrglauben, dass sich die Gliederung von Projekten in einzelne Tasks sowie deren detaillierte Planung in berechenbaren Outputs manifestiert. In Tat und Wahrheit – und das wissen wir alle nur allzu gut – werfen bereits geringste Abweichungen in einzelnen Teilprojekten die Gesamtplanung über den Haufen, führen zu überhöhten Kosten, zu verzögerten Markteinführungen sowie zu fehlerhaften Produkten …
…und LAS schafft diesbezüglich Abhilfe?
Im Gegensatz zu plan- und prozessgesteuerten Entwicklungen orientiert sich LAS an «economies of flow», also an Strömungseffekten und «Timeboxing» (zeitliche Einschänkungen). Dabei handelt es sich um einen Werte-orientierten Ansatz, der die wichtigen Aspekte ins Zentrum rückt. So beispielsweise Menschen – sowohl in der Kunden-, als auch in der Lieferanten- und Angestellten-Rolle. Zudem verpflichtet sich LAS der Schaffung von nachhaltigen Werten, lässt Dynamik und Projektänderungen zu und geht effektiv auf diese ein.
Wofür stehen die Begriffe Lean, Agile & Scrum?
Lean – übrigens ein Begriff, den wir namentlich aus der Automobilindustrie im Zusammenhang mit Lean Production bestens kennen – bezieht sich auf Kunden, Mitarbeitende und die Schaffung von Werten. Agile seinerseits ist die Offenheit gegenüber besseren Wegen zur Software-Entwicklung. Und Scrum ist ein Framework zur Organisation von Teams, die sich der Lösung komplexer Projekte annehmen. Agile und Scrum gemeinsam ist die Übertragung von Verantwortung auf sich selbst organisierende Teams, stehen folglich auch für Empowerment.
Warum wird LAS nicht bereits breiter eingesetzt beziehungsweise gelebt?
LAS ist nicht einfach ein weiterer kurzlebiger Management-Begriff, sondern eine Reaktion auf die fundamentalen ökonomischen Veränderungen. Es geht darum, in einer höchst dynamischen Welt Wettbewerbsvorteile zu schaffen – immer wieder von Neuem, in einem nie endenden Prozess. Bei Lean, Agile & Scrum handelt es sich um einen ganzheitlichen Ansatz, der das gesamte Unternehmen betrifft. Die Art und Weise, wie Probleme angegangen werden, ändert sich komplett. Rollen, starre Planungen und Organisations-Silos verlieren an Bedeutung oder verschwinden ganz. Kurz: die strukturellen und organisatorischen Auswirkungen von LAS sind enorm – und betreffen auch das oberste Management. Und wie wir alle wissen: das Mindset zu ändern dauert lange. Mit der LAS-Konferenz vom 7. September wollen wir einen kleinen Beitrag dazu leisten.
Lean Agile Scrum Konferenz 2010
Die «Lean Agile Scrum Konferenz 2010» vom 7. September 2010 in Zürich steht unter dem Motto «Vom Scrum-Projekt zum schlanken Unternehmen». Sie schlägt eine Brücke zwischen «agilen» Projekten und dem Management und zeigt Wege auf, wie sich Firmen zu einem das gesamte Unternehmen umfassenden «Lean Enterprise» wandeln können. Dabei finden Grundlagenbeiträge ebenso Platz wie konkrete Erfahrungen aus der Praxis sowie der persönliche Austausch unter den Teilnehmenden.