Mässiges Office aus der Cloud
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/07
Seit Mitte Juni ist Microsofts neue Bürosoftware-Suite Office 2010 für alle erhältlich. Gleichzeitig haben die Redmonder mit den Office Web Apps erstmals in ihrer Geschichte auch eine vollständig Web-basierte Office-Lösung lanciert, die Office Web Apps. Sie stehen in zwei Arten zur Verfügung: Zum einen sind sie Bestandteil der Windows-Live-Services und damit kostenlos und ohne Installationsaufwand für jedermann zugänglich. Zum anderen stellt Microsoft sein neues Web-Office Unternehmen auch zur internen Nutzung, also der Installation auf eigenen Servern zur Verfügung. Swiss IT Magazine hat die Windows-Live-Variante einmal genauer unter die Lupe genommen.
Das Wenige, was man neben einem Browser mit Java-Unterstützung für die Nutzung der Web Apps unbedingt benötigt, ist ein Windows-Live-Account. Damit loggt man sich auf office.live.com ein und los geht’s. Auf der Startseite kann man direkt ein neues Dokument erstellen, hochladen oder bereits abgelegte Dateien öffnen. Ablage- und Sharing-Ort ist übrigens der Storage-Dienst Live Skydrive, mit 25 GB Speicherplatz.
Sie fragen sich jetzt bestimmt: Eine kostenlose Office-Version, kein Installationsaufwand und man kann seine Dokumente ab sofort überall lesen und bearbeiten? Da muss doch irgendwo ein Haken sein. Ja, den gibt es. Bei der Arbeit mit den Office Web Apps stellt man schnell fest: Ganz so toll wie in der Theorie ist es in der Praxis leider noch nicht.
Wer davon ausgeht, dass die Office Web Apps ein voller Ersatz für das normale Office sind, liegt falsch. Mit Word, Excel, Powerpoint und Onenote stehen einem zwar die wichtigsten Produkte der Office-Suite zur Verfügung, allerdings nur in einer abgespeckten Version. Ohne eine auf dem PC installierte Office-Version kommt man beim Dokumente-Erstellen definitiv nicht aus.
Wir vermissen in den Office Web Apps verschiedene Seitenlayout-Optionen. Es ist beispielsweise nicht möglich, ein Word- oder Excel-Dokument vom Hoch- ins Querformat zu transformieren. Das Mühsamste ist jedoch, dass man die Dokumente in den Web Apps nicht in einer Seitenlayout-Ansicht bearbeiten kann. Man hat keine Ahnung, wie das Dokument, an dem man gerade arbeitet, tatsächlich aussieht. Dazu muss man es erst speichern, schliessen und dann in die Vorschauansicht wechseln. Genau denselben, umständlichen Weg muss man gehen, wenn man Dokumente drucken will. Weiter ist erwähnenswert, dass das Speichern der Dokumente als PDF oder in ein anderes als Microsofts XML-Format nicht möglich ist.
Speziell auf die vier Applikationen bezogen gibt es dann noch eine ganze Reihe weiterer Features, die man vermisst – vor allem in Word und Excel, die Web Apps von Powerpoint und Onenote sind ziemlich umfangreich. In der Excel Web App lassen sich zum Beispiel keine Diagramme erstellen, in der Word Web App sucht man vergeblich nach Optionen, um Seitenzahlen, Fussnoten etc. einzufügen.
So weit zu den Möglichkeiten der Web Apps. Aber wie lässt es sich damit arbeiten? Insgesamt recht gut, als Office-2007-Nutzer kennt man die Ribbons, das Interface ist einem sehr vertraut. Leider sind die Apps aber nicht so schnell, wie man sich das wünschen würde. Als Benutzer muss man häufig lange warten, ob beim Öffnen des Dokumentes oder in der Bearbeitung selber. Allerdings gibt es bezüglich der Performance grosse Unterschiede zwischen den Browsern, die man einsetzt: Am schnellsten ging die Online-Dokumentenbearbeitung in unserem Test mit Chrome 5. Firefox 3.6 folgt knapp dahinter, noch vor dem Internet Explorer 8. Beim IE gibt es vor allem Verzögerungen beim Markieren von Text, was recht mühsam ist. Dass der IE schlecht abschneidet, dürfte an seiner Java-Engine liegen: Sie ist die vermeintlich langsamste der drei Browser.
Unangenehme Wartezeiten gibt es auch beim Öffnen von Dokumenten, die noch im alten Office-Format (vor 2007) gespeichert sind. Die Office Web Apps müssen diese nämlich vorgängig ins XML-Format umwandeln, damit man sie bearbeiten kann.
Betrachten wir zum Schluss noch die neuen Collaboration-Möglichkeiten, die die Web Apps bieten. Effektiv gleichzeitig in einem Dokument zusammenarbeiten lässt sich derzeit nur mit der Excel Web App – das allerdings einwandfrei. In allen anderen Apps kann nur eine Person gleichzeitig an einem Dokument arbeiten. Im Versionsverlauf kann man derweil die aktuelle Version eines Dokumentes sowie auch die letzten Fassungen öffnen und sehen, wer wann was erstellt hat. Bearbeiten lässt sich allerdings immer nur die aktuellste.
Dieser erste, kurze Überblick über die Office Web Apps zeigt: Microsoft steht mit seinem Cloud-Office erst am Anfang. Man könnte den Online-Versionen von Word und Co. durchaus noch ein paar zusätzliche Funktionen spendieren und einige Sachen vereinfachen. Zum Glück haben die Redmonder bereits angekündigt, den Funktionsumfang der Web Apps Schritt für Schritt erweitern zu wollen. Das Performance-Problem liegt derweil nicht an den Apps, sondern am Browser und ist ein anderes Thema. Alles in allem ist die kostenlose Online-Version ein Schritt in die richtige Richtung und wir sind gespannt auf mehr.
(mv)