Teure Sicherheit? Investieren Sie in die Zufriedenheit!
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/07
Die eigenen Mitarbeitenden sind das grösste Sicherheitsrisiko. Zu diesem Schluss kommen fast alle Security-Studien und die Entwendung von Kundendaten aus Schweizer Banken hat dies einmal mehr mit aller Deutlichkeit untermauert. Die Finanzinstitute haben als Reaktion ihre Kontrollsysteme weiter ausgebaut. Die eigenen Angestellten werden inzwischen fast so intensiv überwacht wie Hacker, die von aussen in die Systeme einzudringen versuchen. Die bei anderen Gelegenheiten mit Wertschätzungsworthülsen umgarnten Kolleginnen und Kollegen mutieren immer mehr zum Feindbild der Sicherheitsverantwortlichen und des Managements.
Die Banken stehen mit der Forcierung ihrer Überwachungsanstrengungen allerdings nicht allein da. Auch die Politik setzt auf flächendeckende Kamerabeschattung, Staats-Trojaner, Nacktscanner, Hooligan-Datenbanken, digitale Fahrtenschreiber im Auto und biometrische Ausweise, um gegenüber dem wachsenden subjektiven Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung mit Aktivitäten aufzutrumpfen. Die Reichen verbunkern sich hinter elektronischen Abwehrsystemen. Der Normalbürger setzt auf Nachbarschaftsinitiativen. Aber sind wir dadurch wirklich besser geschützt?
Eine simple Studie englischer Wissenschaftler beweist den Erfolg von Überwachung: Menschen halten sich tatsächlich wesentlich besser an Regeln, wenn sie sich beobachtet fühlen. Die Forscher haben dafür bei der Kaffeekasse ihres Instituts einmal ein Preisschild mit einer freundlichen Blumenumrandung angebracht und ein anderes Mal eines mit einem Paar argwöhnischer Augen. Das Resultat spricht Bände: Das mit den Überwachungsaugen ausgestattete Schild führte zu 2,76-mal mehr Einnahmen. Wenn sich die Mitarbeiter beobachtet fühlen, betrügen sie offensichtlich weniger.
Also freie Bahn für die Überwachung? Beobach-tende Blicke an der Büromaterialschublade, eine kritische Miene in der Toilette, ein kontrollierendes Augenpaar als Bildschirmhintergrund – und alles ist gut? Im Einzelnen dürften diese Massnahmen tatsächlich genauso messbare Erfolge zeitigen wie die Augen auf der Kaffeepreisliste: Weniger unerlaubtes Facebook-Surfen, weniger Markerstifte und Bostitch-Geräte, die nach Hause abgezügelt werden. Die Verantwortlichen werden an den vierteljährlichen Reviewmeetings tolle Erfolgsgrafiken vorlegen!
Bloss, das Einzelne und das grosse Ganze sind zwei Paar Schuhe. Genauso automatisch, wie sich der Mensch besser an die Regeln hält, wenn er sich beobachtet fühlt, steigt sein Unwohlsein, wenn Überwachung und Kontrolle allgegenwärtig werden. Der Mitarbeiter zieht seinen «Benefit» dann halt einfach in Form von kleinen, nicht nachweisbaren Arbeitsverweigerungen ein. Und – das ist die Krux jeder vordergründig noch so erfolgreichen Überwachung – mit der Unzufriedenheit steigt die Bereitschaft, dem Unternehmen auch schwereren Schaden zuzufügen.
Es dürften denn auch kaum normale, zufriedene Mitarbeiter gewesen sein, welche in den Banken Daten geklaut haben. Sie waren viel eher frustriert: Sei es über die sich immer weiter öffnende Einkommensschere in ihrem Unternehmen, für die sie im persönlichen Umfeld auch noch dauernd den Kopf hinhalten müssen. Oder sei es aus persönlichen Gründen.
Den Banken bleibt bei einem Verdienstunterschied von mehr als einem Faktor 1000 zwischen einem einfachen Mitarbeiter und dem erfolgreichsten Bonusjäger wahrscheinlich gar keine andere Wahl als die totale Überwachung. Alle anderen investieren besser in die Zufriedenheit ihrer Angestellten.