MyCustomer – so lautet die neue Strategie von Orange. Ich persönlich fühle mich von dieser gleich ungemein angesprochen, schliesslich bin ich ja Orange-Kunde. Nicht der zufriedenste, muss ich vielleicht anfügen. Ich glaube inzwischen, jeden Orange-Support-Mitarbeiter persönlich zu kennen, so viele Stunden habe ich die letzten Monate mit einer Person unter meiner Lieblingsnummer 0800 700 700 am Draht verbracht. Ist es denn wirklich so schwierig, eine Rechnung richtig zu stellen? Doch dieses Editorial soll keine Plattform für mich sein, meinen Frust über Orange loszuwerden (trotzdem: Leidensgenossen mögen sich doch bitte unter marcel_wuethrich@vogel-media.ch melden, schliesslich ist geteiltes Leid nur halbes Leid). Vielmehr soll ein kritischer Blick auf die neue Orange-Strategie geworfen werden.
Orange richtet sich also strategisch neu aus und will Marktanteile gewinnen. Den Fokus legt das Unternehmen dabei auf den Kundendienst und auf die Nähe zum Kunden. Doch so lässt sich keine neue Klientel gewinnen. Es kann höchstens verhindert werden, dass weiterhin Kunden abwandern. Den Knaller, den es brauchen würde, um Kunden zum Wechsel zu Orange zu bewegen, wurde von Orange-Chef Thomas Sieber höchstens angedeutet. Ein ominöser neuer Preisplan sei in Entwicklung, so Sieber, der alle bisherigen Preispläne ablösen soll. Wenn man schon eine Pressekonferenz einberuft, um darüber zu informieren, wie man den Schweizer Markt künftig erfolgreich bearbeiten will, dann soll man doch auch sagen, wie man dies denn wirklich tun will. Doch was hat Sieber effektiv angekündigt?
- Orange will die Netzabdeckung verbessern: Damit wird man Swisscom kaum Kunden abjagen, denn diese hat bereits ein hervorragendes Netz.
- Orange will den Kunden ins Zentrum rücken: Wo bitte schön stand er denn bis anhin? Und: Kann es sich irgendein Mobilfunkanbieter überhaupt leisten, einen schlechten Kundendienst zu bieten?
- Orange hat die Unternehmensstruktur angepasst: Das ist 99,99 Prozent der potentiellen Neukunden wohl ziemlich egal.
- Orange will sein Angebot bei den digitalen Unterhaltungsdiensten ausbauen? Hier läge beim Privatkunden ein gewisses Potential, doch dummerweise hat der Telekom-Anbieter noch immer kein eigenes Festnetz und wird auch noch lange keines haben. IPTV und Triple-Play-Angebote bleiben wohl also Wunschdenken, und mit dem angekündigten Web TV und etwas Musik und Games lässt sich der Schweizer Markt kaum von hinten aufrollen.
- Orange bearbeitet den Schweizer Markt regional: Funktionieren Herr und Frau Zürcher wirklich so anders als Herr und Frau Basler, oder Herr und Frau Churer?Und somit bleibt nach der Ankündigung der neuen Orange-Strategie eigentlich nur die Enttäuschung, dass sich im Mobilfunkmarkt Schweiz wohl auch weiterhin nicht viel bewegen wird. Und dass die Weko vielleicht doch besser die Fusion von Orange und Sunrise genehmigt hätte. Es bleibt noch die Hoffnung, dass der neue Sunrise-CEO etwas zu bewirken vermag. Aber bei Swisscom wird man wohl trotz der Orange-Pläne auch in Zukunft gut schlafen können.
(mw)