Twitter-Ersatz im Unternehmen
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/06
Oh this is going to be addictive» war die 38. Kurznachricht des Twitter-Mitbegründers Dom Sagolla im Jahr 2006. Er sollte recht behalten: Die «Microblogging»-Plattform hat mittlerweile mehr als 100 Millionen User – Tendenz steigend.
Mit dem Erfolg der Social-Media-Plattformen und insbesondere von Microblogging stellt sich auch die Frage nach der Relevanz und den Möglichkeiten des Microblogging für den Business-Bereich. Tatsächlich entdecken immer mehr Unternehmen diese zumeist offenen Plattformen für sich. Bislang wird Microblogging hierbei hauptsächlich nur extern für PR- und Marketing-Aktivitäten eingesetzt. So verwendet beispielsweise die Deutsche Lufthansa die Plattform «Twitter», um über Preise, Aktionen und Flugausfälle zu informieren sowie, um bei Fragen und Problemen zur Verfügung zu stehen. Bei den Flugausfällen aufgrund der Aschewolke über Europa konnte dieses Medium erfolgreich als Informations- und Supportkanal eingesetzt werden.
Microblogging kann aber auch innerhalb von Unternehmen einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der internen Kommunikationsprozesse leisten. Die Notwendigkeit für neue Kommunikationsformen ergibt sich nicht zuletzt aus dem stetig steigenden E-Mail-Verkehr sowie dem mittlerweile gewohnten und teilweise auch geforderten Umgang mit den neuen Medien.
Dass das Thema «Enterprise Microblogging» generell steigendes Interesse verursacht, zeigt sich nicht zuletzt in der Tatsache, dass es bereits mehr als 30 solcher Plattformen gibt, die entweder als Einzel- oder integrierte Lösungen betrieben werden. Die Verbreitung von Smartphones, mit denen man Kurznachrichten auch direkt von unterwegs posten kann, hat dabei wesentlich dazu beigetragen, dass Microblogs zu Echtzeit-Informationssystemen geworden sind.
Insgesamt ist die Wahl sozialer Kommunikationsmittel innerhalb eines Unternehmens stark von den Rahmenbedingungen wie Unternehmensgrösse, lokale Verteilung der Teams oder Vernetzungsgrad der Kollegen untereinander abhängig.
Dass der unternehmensinterne Microblog in mehreren Bereichen und Situationen sehr gewinnbringend sein kann, zeigte sich beispielsweise beim deutschen Full-Service-Dienstleister Seibert Media. Der Vorteil einer effektiveren Kommunikation ergab sich hier in folgenden Anwendungsfällen:
? Statusberichte über Verfügbarkeit
? Austausch und Weiterentwicklung von Ideen («Brainstorming»)
? Hinweis auf interessante Links
? Schneller Chat-ähnlicher Erfahrungsaustausch
? Zentrale Archivierung und Wiederauffindbarkeit via Suchmaschine
Die grössten Vorteile des Enterprise Microblogging liegen denn auch in folgenden übergeordneten Bereichen.
Viele Organisationen scheitern daran, dass die zentrale Funktion des Knowledge Management dezidierten Verantwortlichen zugewiesen wird, die sich – üblicherweise nebenher – um bestimmte Themengebiete wie zum Beispiel Markt- und Wettbewerbsbeobachtung kümmern sollen. Diese Themen gehen im Tagesgeschäft jedoch zumeist unter, da der Aufwand der Aggregation und Organisation des Wissens unterschätzt wird. Microblogging bietet die Möglichkeit in knapper Darstellung – beispielsweise «Firma X bringt neues Produkt im Bereich Y heraus» oder «Schon der vierte Kunde, der nach Produkterweiterung Z fragt» – wesentliche Informationen im Unternehmen zu verteilen. Tiefere Erkenntnisse lassen sich dann im direkten Gespräch vermitteln. Das Stichwort lautet: «Wissen wer was weiss».
Die Nachricht wird dabei nicht an den Verteiler gesendet, der vermeintlich interessiert sein könnte (z.B. marketing@firma.com), sondern erreicht nur die «Follower», die die Tweets des Absenders aktiv abonniert haben. Dieser abteilungs- und teamübergreifende soziale Filter unterscheidet die Funktionsweise des Microblogging generell von der einer «Broadcast-E-Mail». Im Allgemeinen handelt es sich bei den Corporate Tweets um verhältnismässig kurzlebige Information, die unstrukturiert in den einzelnen Microblogs der Mitarbeiter vorliegen. Umso wichtiger für einen schnellen Überblick ist daher eine leistungsfähige Suchfunktion.
Doch wie kommt es überhaupt zu dieser Vielfalt und Vielzahl an Informationen? Die Erfahrung zeigt, dass klassische Anreizsys-teme aus der Mitarbeiterführung beim Einsatz von Social Media in Unternehmen kaum funktionieren. Vielmehr zeigt sich im Geschäftsumfeld eine ähnliche Motivation wie bei der privaten Nutzung von Social Media. Diese intrinsische Motivation besteht zumeist aus drei Faktoren: erstens dem Willen, Reputation aufzubauen; zweitens dem Streben nach Anerkennung sowie drittens der Interaktion mit Anderen.
Eine weitere zentrale Möglichkeit, um Microblogging in Unternehmen einzusetzen, ist der effiziente Informationsaustausch in Projekten. Eine für das Projekt speziell angelegte Gruppe in der Microblogging-Plattform kann hier für Transparenz sorgen. Die Tweets werden lediglich innerhalb dieser Gruppe gepostet und somit den Projektmitarbeitern zur Verfügung gestellt, wodurch die Vertraulichkeit der projektinternen Kommunikation sichergestellt wird. Die Kommunikation ist zudem zielgerichteter; es werden lange «E-Mail-Verteiler» vermieden, die bei ungerichteter Kommunikation zu hohen Streuverlusten und Informationsflut führen.
Als hilfreich haben sich auch kurze Status-updates aus der täglichen Arbeit erwiesen. Der Projektfortschritt wird dadurch transparenter («Workstream X hat den Meilenstein erreicht!»), Verzögerungen oder Risiken schneller kommuniziert und relevante Ergebnisse frühzeitig mitgeteilt («Habe gerade ein Workaround für Problem XY gefunden»). Auch kleinere Änderungen können bei Arbeitsabläufen so bekannt gemacht werden («Teamkalender ist auf http://intranet.xx eingerichtet») ohne dafür gleich das gesamte Team mit einer weiteren E-Mail zu «belästigen».
Nützlich ist der Kommunikationskanal zudem, wenn es Schwierigkeiten beim Arbeitsfortschritt gibt («Eben mit dem Kunden tel.: Die Projektdokumentation soll auch noch auf Französisch erstellt werden – komme da nicht weiter!»), da durch die «One-to-many»-Kommunikation verantwortliche sowie fähige Mitarbeiter für eine Aktivität einfacher angesprochen werden können. Eine gezielte «One-to-one»-Ansprache mehrerer Kollegen hat oft weniger Aussicht auf Erfolg, da man unter Umständen auch gar nicht weiss, wer eine bestimmte Problemstellung am ehesten lösen könnte.
Ihre Stärken zeigt eine Microblogging-Plattform bei der unternehmensübergreifenden Kommunikation. So können beispielsweise in Software-Entwicklungsprojekten Design-Agenturen, Systemintegratoren, mehrere Software-Hersteller und das Kundenteam über unterschiedliche Regionen hinweg problemlos und schnell interagieren. Die transparente Kommunikationshistorie und die Skalierbarkeit des Sys-tems helfen zusätzlich bei der Integration neuer Mitarbeiter, Dienstleis-ter oder Teilprojekte.
Zentrale Anforderung für die erfolgreiche Einführung von Social Media in der Geschäftskommunikation ist grundsätzlich eine von Offenheit und Wertschätzung geprägte Unternehmenskultur. Nur so ist es möglich, die Beteiligten zur regen Teilnahme zu motivieren und zu verhindern, dass Konflikte durch die Kürze der Nachrichten beziehungsweise in Folge von Missverständnissen eskalieren.
Das Potential von Microblogging im Unternehmenskontext kann nur ausgeschöpft werden, wenn die informelle, unstrukturierte Form der Kommunikation akzeptiert und nicht reglementiert wird. Grundvoraussetzung für den Erfolg einer Plattform ist dabei – neben der weitestgehenden Vermeidung von Restriktionen – die einfache Bedienung, ein übersichtlicher Aufbau und die ständige Erreichbarkeit des Systems.
Wie für die meisten Social-Media-Plattformen gilt eine signifikante, aktive Nutzergruppe als entscheidender Erfolgsfaktor. Ansonsten läuft Microblogging in Gefahr, als eine von vielen halbherzigen Enterprise-2.0-Initiativen am fehlenden Interesse der Mitarbeiter zu scheitern. Hierbei besitzen die aktiven Microblogger eine entscheidende Rolle – schliesslich sichert die Aktualität und Relevanz der Beiträge die Beteiligung der Follower. Folgende Zahl unterstreicht diese Aussage nur allzu deutlich: 10 Prozent der Twitter-Nutzer sind für 86 Prozent aller Aktivitäten auf der Plattform verantwortlich.
· Form des Bloggens, also der öffentlichen One-to-many-Kommunikation
· Textlänge beschränkt, z.B. 140 Zeichen auf Twitter
· Chronologische Darstellung der Textnachrichten, sogenannten «Tweets», auf Übersichtsseite
· User folgen anderen Usern und heissen daher «Follower»
· Die Begrenzung der Textlänge zwingt den Verfasser, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren