Die IT-Kosten in den Griff bekommen
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/06
Pro Jahr befördern die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) 322 Millionen Passagiere und 54 Tonnen Güter. Dazu sind die SBB auf die Unterstützung von SBB IT angewiesen. Die SBB IT mit seinen 750 Mitarbeitern gewährleistet heute unter anderem den Betrieb von insgesamt 3000 Billett-Automaten, Zugpersonalgeräten und des Web-Portals. Hinzukommen die Betreuung von 14’000 Desktops, des SAP-Systems und 1200 weiteren Business-Applikationen sowie die Realisierung von rund 200 Projekten pro Jahr im Konzern. Die SBB IT gewährleistet damit nicht nur den internen Betrieb der IT, sondern erreicht mit ihren Services den Bahnkunden unmittelbar. Die Funktionalität, Ausfallsicherheit und Bedienerfreundlichkeit der Geräte im Tagesgeschäft der Bahn sind eine wesentliche Basis für die Zufriedenheit der Kunden. Und sie sind ein veritabler Umsatzfaktor des Konzerns. «Das Betriebs- und Inves-titions-Controlling zählen daher zu den wichtigsten Aufgaben des Finanzbereichs der SBB IT. Eine exakte und vor allem flexible Planung von Services und Investitionen ist essentiell, damit die Kosten nicht entgleisen», erläutert Andreas Kistler, Leiter des Financial-Management-Teams von SBB IT.
Bei der SBB IT hat man daher bereits in der Vergangenheit die Systemlandschaft und die Organisation umgestaltet. So wurden unter anderem Teile der IT-Bereiche der verschiedenen SBB-Divisionen integriert. Auch hat man neue Kontrollinstrumente wie Management Cockpits, eine divisionsbezogene, SAP-basierte Leistungsverrechnung und ein Business Warehouse für das Ergebnis-Controlling eingeführt.
Trotzdem sorgte die zu 80 Prozent dezentral organisierte Planung immer wieder für Ungenauigkeiten bei der Analyse, Kalkulation und Berichterstattung der IT-Kosten. Excel, das bis dahin zur Planung eingesetzte Kalkulations-Tool, schuf zusätzliches Fehlerpotential und erwies sich zunehmend als ungeeignet. «Da Excel nicht Multi-User-fähig ist, verschickten wir Planungs-Sheets an die einzelnen Divisionen. Dort wurden sie dann zum Teil so stark individualisiert, dass wir sie nur mit grosser Mühe wieder konsolidieren konnten», erinnert sich Kistler. Die Korrekturen waren so zeitintensiv, dass notwendige Datenanalysen und Plausibilitätsprüfungen schlichtweg auf der Strecke blieben: «Wir waren bei der Planung viel zu stark reaktiv, die Qualität der Planungsdaten blieb insgesamt schlecht und es entstanden erhebliche Mehrkosten, weil sich zu viele Leute allein mit der Fehlerkorrektur herumschlagen mussten. Diese Ineffizienz hatte zur Folge, dass seitens der Divisionen zunehmend unsere Kompetenz und Wirtschaftlichkeit in Frage gestellt wurde.»
Mitte 2008 entschloss sich die SBB IT daher, ein Werkzeug zu implementieren, das eine höhere Flexibilität in der Planung sowie eine bessere Analyse der Werteflüsse ermöglicht. Nach einer intensiven Situations- und Markt-analyse wurde im Dezember die Ausschreibung gestartet sowie ein 75 Punkte umfassendes Pflichtenheft erstellt. Die Schwerpunkte lagen dabei auf den Kriterien «Standardlösung», «automatischer Datenaustausch mit dem führenden SAP-System» sowie zahlreicher funktioneller Anforderungen im Bereich Planung und Simulation. «Wir wollten unter anderem eine Möglichkeit zur Simulation verschiedener Planungsszenarien, um zu sehen, wie sich die Einführung respektive Einstellung bestimmter Services auswirkt», führt Kistler aus.
Im Rahmen einer Vorselektion betrachtete die SBB 15 Lösungsanbieter. Neben Spezialanbietern für Business Intelligence und Service Management wurden auch drei Generalisten in Erwägung gezogen. Nach dem ersten Ausscheidungsverfahren wurden fünf Lösungen evaluiert und in die engere Auswahl gezogen. Am Ende erhielt Catenic mit der Financial-Management-Lösung Anafee Ende Januar 2009 den Zuschlag von SBB IT. «Die Catenic-Lösung erfüllte von vornherein 98 Prozent unserer Anforderungen im Pflichtenheft. Insbesondere die gute Integrationsfähigkeit mit SAP», kommentiert Kistler die Entscheidung für den Unterhachinger Anbieter.
Aufgrund der automatischen Datenübernahme aus dem führenden SAP-System war Anafee innerhalb eines Monats funktionsfähig und ermöglichte dem Financial-Management-Team von SBB IT bereits in der frühen Implementierungsphase, Unstimmigkeiten, wie zum Beispiel Deckungsdifferenzen in der bisherigen Kalkulation, zu analysieren. Als wesentlich aufwendiger erwies sich hingegen die Rekonzeption der Werteflüsse und mithin auch deren Abbildung und Anpassung im System: «Die Analyse der bisherigen Kalkulation inklusive Berechnungsfehler ermöglichte uns zwar, rasch in eine inhaltlich fundierte Diskussion mit den Fachbereichen einzusteigen. Der Aufbau eines vereinfachten Wertefluss-Systems, die Konzeption des Service-Katalogs und nicht zuletzt die Kalkulation der Leistungen nahmen jedoch gut drei Monate in Anspruch», räumt Kistler ein. In dieser Phase stellte die intensive Projektarbeit eine erhebliche Zusatzbelastung für das IT-Finanzmanagement-Team dar, waren doch vier Mitarbeiter im Projekt eingebunden, was eine erhebliche Mehrbelastung darstellte.
Im August 2009 konnte die neue Financial-Management-Lösung in Betrieb genommen werden. Basierend auf Anafee wurde zunächst die laufende Planung für das Jahr 2010 abgeschlossen sowie Fehler in der bisherigen Kalkulation und Budgetierung bereinigt. «Ein Tool allein entledigt sich natürlich nicht aller Probleme, und mit der Einführung des Systems ist die Rekonzeption unserer Service-Prozesse längst nicht abgeschlossen», hält Kistler fest. Auch der intensive Schulungsaufwand zur korrekten Handhabung der umfangreichen Software-Funktionalität erscheint ihm trotz guter Unterstützung von Catenic optimierungsfähig. Aber er sieht auch Grund zum Optimismus: «Wir haben quasi vom Fleck weg eine höhere Transparenz unserer Services und Kosten geschaffen. Unsere Services und deren Preise sind nun nachvollziehbar, Unstimmigkeiten konnten wir beseitigen. Mehrstufige Analysen, zum Beispiel vom Endprodukt zur Ausgangskostenstelle und umgekehrt, sowie standardisierte Auswertungen, etwa zur Rentabilität von Services, können wir heute praktisch auf Knopfdruck generieren. Auf dieser Grundlage diskutieren wir mit den Fachbereichen nicht mehr allein über Zahlen, sondern können uns verstärkt auf inhaltliche Service-Aspekte fokussieren, um den Wertbeitrag der IT für das Business kontinuierlich zu optimieren.» Nach dem Willen der SBB IT sollen detailliertere Kunden- und Management-Reports die Kosten und Leistungen des Dienstleisters künftig noch transparenter machen. Mittelfristig soll die Multi-User-Fähigkeit der Lösung stärker genutzt werden, um die Flexibilität und Geschwindigkeit bei der Planung und Simulation weiter zu optimieren. Auf lange Sicht ist vorgesehen, die Plan-Ist-Plausibilisierung über die SAP-Schnittstelle zu optimieren und die IT-Service-Planung komplett über Anafee abzuwickeln.
«Unsere Service Performance wird durch die neu gewonnene Transparenz unseres Leistungs-angebots und der Kosten beschleunigt», resümiert Kistler. «Die finanziellen Auswirkungen bei Veränderungen des Service-Portfolios können wir nun zeitnah simulieren und berichten.» Die durch Anafee verbesserte Qualität der Planung, Simulation, Kalkulation und Abweichungsanalysen trägt laut Kistler letztlich auch zu einer Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der IT bei: «Der hohe Automatisierungsgrad der Lösung setzt Kapazitäten frei. So können sich unsere Mitarbeiter auch während den Planungsphasen um die wirklich wichtigen Belange unseres Geschäfts kümmern. Schliesslich interessieren die Kunden am Bahnsteig keine IT-Planungsprozesse, sondern nur funktionierende Services und Gerätschaften der Schweizer Bundesbahnen.»