Virtualisierung auslagern
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/05
Ein Managed-Hosting-Anbieter betrachtet die Virtualisierung aus Anwendungs- beziehungsweise Service-Sicht. Er stellt Unternehmen eine virtualisierte IT-Infrastruktur bereit und betreibt deren Applikationen. Zunehmend genutzt werden virtualisierte Infrastrukturen von unabhängigen Software-Herstellern (ISVs). Diese haben dadurch die Möglichkeit, für die verschiedenen Stufen des Entwicklungsprozesses (Design, Codierung, Test, Betrieb) unterschiedliche virtuelle Maschinen im Rechenzentrum eines Managed-Hosting-Providers zu nutzen. Dahinter steckt das Modell einer vierstufigen IT-Architektur: Entwicklung, Test (Staging), Produktion und Backup/Recovery (Business Continuity). Die einzelnen Bestandteile dieser Architektur sind auf unterschiedlichen virtuellen Rechnersystemen (VMs) auf Basis einer physischen Infrastruktur untergebracht.
Für den Betrieb dieser Gesamtinfrastruktur, physisch und virtuell, trägt der Managed-Hos-ting-Provider die Verantwortung. Software-Hersteller profitieren damit von Vorteilen einer outgesourcten und virtualisierten Infrastruktur und können sich so auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren.
Zu den typischen Merkmalen der Server-Virtualisierung gehört die Trennung der Hardware-Infrastruktur von der darüber angesiedelten Software: Eine Virtualisierungs-Schicht entkoppelt die Hardware (Prozessor, Hauptspeicher, Festplatte) vom Betriebssystem und den Applikationen. Die direkt auf der physikalischen Hardware installierte Virtualisierungs-Schicht (Hypervisor Layer) übernimmt die Aufgaben eines herkömmlichen universellen Betriebssystems. Der Hypervisor Layer ermöglicht und kontrolliert den Zugriff der virtuellen Maschinen auf die Hardware des physischen Servers (Host) und ist für die Ausführung sowie Ressourcenverwaltung und-zuordnung der VMs zuständig.
Jede VM verfügt über ihr eigenes Betriebssystem, das wiederum mit individuellen Anwendungen und Diensten versorgt ist. Die einzelnen VMs sind voneinander isoliert und können daher unterschiedliche Applikationen und Betriebssysteme parallel auf einem Server bereitstellen. Mehr noch: Jede VM lässt sich einzeln schliessen und starten, ohne dass andere virtuelle Systeme etwas davon merken. Durch die Verknüpfung der Anwendungen mit jeweils «eigenen» VMs lassen sich problemlos Patches und Upgrades aufspielen und in einer abgeschlossenen Systemtestumgebung prüfen, ohne den Betrieb anderer Applikationen zu stören. Darüber hinaus können Kunden ihre virtuellen Maschinen auf der dediziert bereitgestellten Virtualisierungs-Infrastruktur selbständig administrieren und beispielsweise auch Snapshots anlegen, um verschiedene Versionsstände zwischenzuspeichern oder im Fehlerfall die VM aus einem sicheren Snapshot wiederherzustellen – eine höchst sinnvolle Funktion für Software-Entwickler, wenn im Test eine Applikation abstürzt. Gemeinsam sorgen all diese Funktionen für ein hohes Mass an Flexibilität.
Die Verwendung spezieller Features von Mehrprozessor- und Mehrkernsystemen versteht sich von selbst. Insbesondere Datenbank-, Messaging-, Streaming-Media- und andere Multi-Threaded-Applikationen profitieren von Mehrprozessor-Servern, bei denen die höhere Rechenleistung auf mehrere, parallel arbeitende virtuelle Maschinen verteilt wird, was die Anpassungsfähigkeit einer virtualisierten Infrastruktur zusätzlich fördert.
Die Flexibilisierung der Ressourcen zeigt sich auch in deren Verwaltung. So können Administratoren ihre virtuellen Maschinen problemlos vom einen auf einen anderen Server verschieben, um notwendige Ressourcen freizugeben oder abzurufen.
Da diese Aufgaben im laufenden Betrieb vorgenommen werden können, kommt es zu keinen Ausfallzeiten. Business Continuity wird damit zu einem wesentlichen Baustein einer vierstufigen IT-Architektur, deren Unterbau die Virtualisierung liefert.
Die wichtigsten Vorteile einer virtualisierten Umgebung lassen sich in drei Punkten zusammenfassen:
? Durch die Konsolidierung lässt sich die Zahl der physischen Server deutlich reduzieren und die Server-Infrastruktur ist einfacher zu verwalten. Schätzungen von Experten zufolge kann durch die Server-Konsolidierung die Auslastung vorhandener Hardware von 10 bis 15 auf bis zu 80 Prozent gesteigert werden.
? Eine virtualisierte Infrastruktur ermög-licht mehr Flexibilität, denn Ressourcen können passgenau eingesetzt werden. Aus Unternehmenssicht lässt sich mit einer solchen Infrastruktur besser auf unvorhersehbare Leistungsanforderungen reagieren.
? Mit Hilfe von Funktionen für die Fehlerfrüherkennung und einer optimierten Kapazitätsplanung wird mit einer Virtualisierungslösung die Verfügbarkeit der Server deutlich gesteigert.
Nur wenige Unternehmen verfügen über die personellen und finanziellen Ressourcen, um eine anspruchsvolle und komplexe virtualisierte Umgebung aufzubauen. Durch die Nutzung der Services eines Managed-Hosting-Providers vereinfachen sich Planungs-, Implementierungs- und Betriebsanforderungen. Allerdings sollten Interessenten im Detail auf die Management- und Reportingmöglichkeit achten. Sind diese vorhanden, kann der ISV das volle Potential der Virtualisierungstechnologie ausschöpfen.
Speziell bei Software-Herstellern kann das Konzept der virtuellen Maschinen sehr effizient für unterschiedliche Versionsstände oder auch für branchenspezifische Varianten, beispielsweise eine CRM-Lösung, genutzt werden. Vorgefertigte Images der Lösung werden in verschiedenen vorkonfigurierten VMs «gelagert» – bei Bedarf lässt sich so eine individuelle Lösung nach dem Baukastenprinzip zusammenstellen. Eine virtualisierte Umgebung liefert damit die notwendigen Instrumente, die es einem Software-Entwickler ermöglichen, flexibel auf unterschiedliche Anforderungen zu reagieren und Updates oder neue Versionen seiner Produkte schneller auf den Markt zu bringen. Die dazu benötigte virtualisierte Infrastruktur stellt ein Managed-Hosting-Provider bereit. Er übernimmt auch die Verantwortung für den Betrieb, die Wartung und die Administration. Die Verfügbarkeit der virtualisierten Infrastruktur sowie der Support sind über Service Level Agreements (SLAs) geregelt.
Mit einem Kundenportal für virtualisierte Server sind Unternehmen in der Lage, ihre in den Rechenzentren gehosteten Systeme selbständig zu verwalten, und können per Browser rund um die Uhr auf die dazu benötigte Management-Software zugreifen.
Ohne dass Servicetechniker des Managed-Hosting-Providers in Anspruch genommen werden müssen, lassen sich virtuelle Maschinen starten, stoppen, rebooten oder auch im laufenden Betrieb von einem physischen Server auf einen anderen migrieren. Über eine Snapshot-Report-Funktion erhalten Adminis-tratoren einen sofortigen Einblick in die Performance und die Kapazitätsauslastung der Systeme. Applikationen können so konfiguriert werden, dass sie in Zeiten höchster Auslastung dynamisch weitere Ressourcen in Anspruch nehmen. Erreicht eine Änderung der Konfiguration nicht das gewünschte Ziel, kann der vorherige Zustand per Mausklick mit einer Undo-Funktion wiederhergestellt werden.
Eine wichtige Rolle im Umfeld der Software-Entwicklung spielen die ständig steigenden Compliance-Anforderungen an Applikationen. Wenn es um Vorschriften für einen ordnungsgemässen Betrieb geht, bietet das Managed Hosting der Applikation auf einer regelkonformen virtualisierten Server- und Storage-Infrastruktur deutliche Vorteile. Exemplarisch dafür steht der ISO-27001-Standard für Informationssicherheit. Die Zertifizierung nach ISO 27001 erfordert unter anderem einen eigenen Business-Continuity-Plan, ein Team für das Informationssicherheits-Management sowie Prozessabläufe, deren Einhaltung regelmässig extern geprüft wird. Managed-Hosting-Anbieter, die nach dem ISO-27001-Standard für das Informationssicherheits-Management zertifiziert sind, können ISVs also bei der Auslagerung ihrer Konfigurationen in eine virtualisierte Umgebung unterstützen.