Zentralisiert und virtualisiert
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/05
Die heutige Rhenus Alpina AG ist im Jahr 2000 durch die Fusion von Rhenus Schweiz, mit damals 50 Angestellten, und der SRN Alpina entstanden. 2002 übernahm das Logistikunternehmen von der SAir Group den Luftfrachtspezialisten Cargologic, 2004 folgte die Speditionslogistik AG von Georg Fischer. Insgesamt kam es in den vergangenen rund zehn Jahren zu sieben Übernahmen. Heute beschäftigt Rhenus Alpina an total 19 Standorten in der Schweiz 1300 Mitarbeitende. Die Hauptstandorte des Unternehmens sind in Basel (Rhein-hafen), Zürich (Flughafen) und Schaffhausen.
Das Schweizer Logistikunternehmen Rhenus Alpina ist in den letzten Jahren durch diverse Übernahmen und Fusionen stark gewachsen (siehe Kasten auf Seite 32). Im Rahmen dieser Expansion entstand eine dezentrale, wenig effiziente und im Unterhalt sehr anspruchsvolle IT-Umgebung mit vielen Doppelspurigkeiten. Eine unbefriedigende Situation für Walo Senn, CIO von Rhenus Alpina, sein IT-Team und das Unternehmen. Deshalb hat man sich im Frühling 2008 entschlossen, die gesamte IT zu zentralisieren. Dazu gehörte, alle rund 100 an verschiedenen Standorten in der Schweiz verteilten physischen Server, inklusive dem dazugehörigen Speicher, zu virtualisieren und in ein paar wenigen physischen Servern in einem Rechenzentrum zusammenzufassen.
Rhenus Alpina war kein Neuling auf dem Gebiet der Server-Virtualisierung. Bereits zwei Jahre vor dem grossen Zentralisierungs- und Virtualisierungsprojekt hat man am Standort in Basel erste Server virtualisiert. «Die Erfahrungen, die wir dabei machten, waren für das schweizweite Grossprojekt von grossem Wert», meint CIO Walo Senn. Man habe gesehen, dass es funktioniert und erkannt, welche Vorteile und positiven Effekte die Virtualisierung dem Unternehmen bringen kann, aber auch die Tücken kennen gelernt.
Im Rahmen dieses ersten Virtualisierungsprojekts hat man auch gleich die Lösung für das folgende evaluiert: «VMware hat uns in Tests im Vorfeld und im eigentlichen Projekt 2006 in Basel überzeugt, weshalb wir uns dann auch 2008 dafür entschieden», so Senn. Wieso hat man sich für VMware und nicht für die Konkurrenz wie Citrix oder Microsoft entschieden? «2006, als wir uns für die Server-Virtualisierungslösung entschieden, gab es in diesem Bereich praktisch nur VMware. Die Konkurrenz ist erst in den letzten Jahren gewachsen und reif geworden», erläutert Senn.
Im Frühling 2008 erfolgte also der Startschuss für das grosse Virtualisierungsprojekt. Um die 100 physische Server galt es zu virtualisieren und abzulösen. «Wir haben uns dafür entschieden, dabei keine Hardware zu zügeln, sondern alle Server komplett auf neuer Hardware laufen zu lassen», erklärt Angelo Zaccari, Head IT (Technology & Services) bei Rhenus Alpina und Projektverantwortlicher. Das hatte den grossen Vorteil, dass der Wechsel während des laufenden Betriebs vonstatten gehen konnte. «Ausserdem haben wir damit ein weiteres Ziel der Zentralisierung verfolgt, nämlich die IT aufzuräumen», ergänzt CIO Senn.
Die ganze Server-Hardware von Rhenus Alpina steht heute in einem Dual-Site-Rechenzentrum, in Glattbrugg, wo man in ein grosses RZ eingemietet ist, sowie im eigenen Standort am Flughafen Zürich. Im Einsatz stehen aktuell acht HP DL380 G6-Server, verteilt auf zwei Racks (je vier in jeder Site). Auf diesen Servern laufen alle aktuell rund 120 virtuellen VMware-Server auf Basis von VMware vSphere 4.0. Hinzu kommen zwei SANs der EVA-Familie von HP, die je 30 TB Speicher für die Server zur Verfügung stellen und auf denen die Daten synchron gespeichert werden.
Vor den Virtualisierungsprojekten standen bei Rhenus Alpina wie erwähnt um die 100 physische Server. Nun sind es noch acht im Rechenzentrum und ein paar wenige weitere auf die Standorte verteilte, beispielsweise zur Videoüberwachung am Hauptsitz in Basel. «Insgesamt kommen wir heute mit rund 10 Prozent des ‹Blechs› aus, das wir früher benötigten», bilanziert der Projektverantwortliche Angelo Zaccari.
Während die Anzahl physischer Server dramatisch abnahm, hat die effektive Anzahl an Servern zugenommen. Wie kommt das? Man konnte doch beispielsweise vier Exchange-Server zu einem konsolidieren. Der Grund dafür liegt laut CIO Walo Senn darin, dass man aufgrund der Möglichkeiten, die einem die Virtualisierung bietet, tendenziell eher dazu neige, mehrere, kleinere Server zu erstellen und Aufgaben mehr zu separieren. So betreibe man heute ein paar Windows-Server mehr als früher. Ausserdem hat Rhenus Alpina im Laufe der Migration noch ein paar neue Lösungen eingeführt, beispielsweise ein E-Mail-Archiv.
Nach dem Aufbau der Hardware im Rechenzentrum, die inklusive Evaluation, Planung etc. etwa ein halbes Jahr in Anspruch nahm, erfolgte Schritt für Schritt die Migration der bestehenden Server. Diese wurde von einem Team bestehend aus Walo Senn, Angelo Zaccari und drei weiteren Mitarbeitern komplett von Rhenus Alpina allein gemeistert. Dafür haben sie sich im Vorfeld in VMware, Storage und anderen Bereichen das nötige Know-how angeeignet. «Wir versuchen möglichst viel selber zu lösen und kaufen uns nur sehr gezielt externes Spezialistenwissen ein», erklärt Angelo Zaccari.
Die Migration aller Server ging erst vor kurzem, nach fast zwei Jahren zu Ende. «Natürlich wäre das Virtualisieren der Server auch viel schneller möglich gewesen. Wir wollten aber nicht einfach nur zügeln», erläutert CIO Walo Senn. Zudem sei man auch nicht unter Zeitdruck gestanden. Für einige Server, auf denen sehr Business-kritische Applikationen laufen, habe man sich genügend Zeit genommen, um die erforderliche Sicherheit zu schaffen, dass sie dann im virtuellen Betrieb auch reibungslos laufen. Hinzu kommt, dass im Rahmen der ganzen Zentralisierung noch ein paar andere Projekte liefen und man, wie erwähnt, ein neues Mailarchiv aufgebaut sowie eine Exchange- und Windows-Server-Migration auf die neuste Version durchgeführt hat.
Nach dem beendeten Virtualisierungsprojekt stellt sich natürlich die Frage, ob man die gesteckten Ziele erreicht hat und von allen Vorteilen der Virtualisierungstechnologie profitieren kann. Wie sieht es beispielsweise bezüglich Stabilität und Ausfallsicherheit aus? «Falls es zu einem Serverausfall (ESX-Ausfall) kommt, laufen die kritischen virtuellen Server durch ‹Fault Tolerance› auf einem anderen ESX weiter. Weniger kritische virtuelle Server werden durch HA (High Availability) neu gestartet. Diese Möglichkeiten kommen unseren internen und externen Kunden natürlich sehr zugute», erklärt Walo Senn.
Durch die Virtualisierung konnte Rhenus Alpina auch einiges an Kosten sparen. «Wir mussten viel weniger Hardware kaufen, was gleichzeitig auch viel weniger Wartungsaufwand generiert», erklärt Angelo Zaccari. Aufwand und Unterhalt seien aber nicht nur günstiger, sondern auch massiv einfacher geworden, dies nebst einer deutlich schnelleren Bereitstellungszeit von neuen Servern für die Kunden. Neben diesen drei gut messbaren Faktoren kommt laut dem Projektleiter noch der Stromverbrauch hinzu, der alleine durch das Verschwinden der vielen und teilweise alten Hardware sicher auch markant gesunken sei. Nichts eingespart hat man im Bereich des IT-Personals und kann so laut CIO Senn noch effizienter und sicherer arbeiten als vorher.
Wie erwähnt, gibt es bei Rhenus Alpina seit der Virtualisierung jetzt mehr Server als vorher, verteilt auf nur noch acht physische Server. Das hat dazu geführt, dass man zu einer deutlich grösseren Auslastung der Hardware gekommen ist. Punkto Prozessorleistung und Arbeitsspeicher ist man bei den HP-Servern bisher noch an keine Grenzen gestossen. Dank der Virtualisierung stellt man einzelnen virtuellen Servern, wenn sie das in Spitzenzeiten benötigen, nach Wunsch mehr Hardware-Ressourcen zur Verfügung.
Wurde die ganze IT-Landschaft mit der Virtualisierung insgesamt nicht unübersichtlicher? Gemäss Angelo Zaccari ist das kein Problem: «Man muss von Anfang an eine klare Strategie verfolgen und klare Prozesse definieren, wann ein Server erstellt und wieder gelöscht wird.» Klare Richtlinien hat man auch im Bereich Sicherheit aufgestellt und sich dabei an die Best Practices der Hersteller gehalten. Sicherheitsbedenken der Virtualisierungstechnologie gegenüber gab es bei Rhenus Alpina nie. Zudem seien die Daten in den Hochsicherheitsrechenzentren nun sicherer als zuvor, erklärt man.
Die Mitarbeiter von Rhenus Alpina haben von der ganzen Virtualisierung nichts mitgekriegt. «Wir haben sie darüber informiert, dass die IT zentralisiert wird. Und wir haben sie über allfällige, mögliche Unterbrechungen zu Randzeiten aufgeklärt», erklärt Angelo Zaccari. Feedbacks, ob positiv oder negativ, blieben aus. Das überraschte Zaccari nicht: «Solange alles läuft, natürlich mindestens ebenso gut wie vorher oder sogar besser, sind die Kunden zufrieden.»
Zurückblickend ziehen die beiden IT-Verantwortlichen ein durchweg positives Fazit des Virtualisierungsprojekts, alles sei glatt gelaufen. «Wir hatten natürlich Glück, über einige Leute mit viel Know-how zu verfügen», meint Walo Senn. Er spricht damit den Umstand an, dass man bereits 2006 erste Erfahrungen mit Virtualisierung machen konnte und dass die verschiedenen IT Mitarbeiter von Rhenus Alpina vor der Zentralisierung ihre Applikationen und Infrastrukturen sehr genau kannten.
Weiter hat man sich bei Rhenus Alpina im Laufe des Projekts mit der Frage auseinandersetzen müssen, was man alles virtualisieren soll und kann. «Wir haben schliesslich fast alles virtualisiert, auch wenn die Hersteller zum Teil skeptisch waren», erklärt CIO Senn. Im Virtualisierungsprojekt 2006 habe man festgestellt, dass man praktisch alles virtuell betreiben könne. Und wie sich nun, nach Ende des Projekts zeige, habe man Recht behalten.
Nach der erfolgreichen Server-Virtualisierung hat man bei Rhenus Alpina bereits den nächs-ten Schritt hin zum vollständig virtualisierten Unternehmen ins Auge gefasst. Noch stehen im Unternehmen sogenannte Fat Clients, also herkömmliche PCs auf denen Windows XP und verschiedene Office-Applikationen laufen. Einige Business-Applikationen, beispielsweise zur Lagerbewirtschaftung, werden heute per Terminal-Server zur Verfügung gestellt. Da demnächst eine Modernisierung der Clients ansteht, die ältesten stammen aus dem Jahr 2003, sieht man sich derzeit nach Lösungen um. Eine wäre, die Desktops zu virtualisieren. Entschieden ist laut CIO Walo Senn jedoch noch nichts. Festlegen, in welche Richtung es gehen soll, will er sich in diesem Jahr.
(mv)