Die elektronische Schiefertafel 4.0 – für Sofakartoffeln vielleicht
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/03
Das iPad revolutioniert die mobile Computerwelt! Das verkünden zumindest die Apple-Jünger. Und auch die Microsofties glauben fest an die Zukunft von flachen Surf- und Unterhaltungs-Appliances in Form ihrer Slate-Gerätchen. Sollten diese Wunschvorstellungen tatsächlich Realität werden, wäre dies allerdings eher eine Wiederauferstehung von den Toten.
Denn die elektronische Schiefertafel hat unter wechselnden Namen schon so manche IT-Revolution angeführt. Die Hartnäckigkeit, mit der uns die Tech-Gurus das Tablet zum x-ten Mal servieren, ist schon fast rührend. Von Apples Newton 1993 über die Web Appliances um die Jahrtausendwende bis zu Microsofts Tablet PC 2002: Von wenigen Randprovinzen abgesehen, konnten sie alle noch nie ein namhaftes IT-Anwendungs-Territorium längerfristig besetzen. Und das hat – Steve Jobs’ und Steve Ballmers evangelikalem Selbstglauben zum Trotz – seine triftigen Gründe.
Da ist zum einen das Platzproblem: Die Tablets und Pads sind für die Hosentasche schlicht zu gross. Diese sind mit dem i- oder einem anderen Smartphone schon mehr als prall gefüllt. Und in der Aktenmappe macht sich bereits das Note-, Subnote- oder Netbook breit. Ein weiteres halbes Kilo Elektronik führen nur quasi-religiöse Apple-Jünger ohne erkennbaren Nutzen spazieren.
Womit wir beim grundlegenderen, zweiten Problem der Pads und Slates wären: Sie können per Definition nichts, was die bereits zur mobilen Standardausrüstung gehörenden Smartphones und kleinen bis grösseren Notebooks nicht auch und im einzelnen zudem entscheidend besser können.
Will ich arbeiten, brauche ich eine Tastatur. Zehn Finger werden immer schneller sein als eine Hand. Daran ändert auch eine noch so intelligente Schriftenerkennung nichts. Es hat seinen guten Grund, dass die Schreibmaschine vor Jahrzehnten den Griffel abgelöst hat. Ganz zu schweigen von der auch jetzt wieder ins Feld geführten Sprachsteuerung, die prinzipiell nie für mehr zu gebrauchen sein wird als für sehr strukturierte Eingaben wie Steuerungsbefehle oder ärztliche Diagnosen.
Fürs Surfen wiederum ist die Bildschirmgrösse entscheidend. Will ich zwischendurch mal ins Netz, reicht das Smartphone-Display. Will ich richtig durchs Web crawlen, bietet mir das Notebook wesentlich grössere Möglichkeiten. Bleibt noch das Lesen von E-Books (denn telefonieren will wohl niemand ernsthaft mit einer solchen Platte). Als E-Reader hat das Tablet gegenüber seinen grossen und kleinen Geschwistern tatsächlich gewisse Vorteile. Aber ob das reicht? Ich habe eher den Verdacht, dass die reinen Elektronik-User in Folge fehlender haptischer Bindung an den umfangreichen Lesestoff das Bücherlesen mit der Zeit ganz bleiben lassen. Und für den Blogger-Stoff reicht ein Phone-Bildschirm allemal.
Wenn ich zu Hause auf dem Sofa sitze, kommt mir allerdings schon eine Nische in den Sinn, in der mich ein Pad oder Slate begeistern könnte: Als Fernbedienungstablet für meine Heimelektronik inklusive Surfmöglichkeiten. Gestengesteuert die Musiksammlung durchblättern, Fotoalben, Online- und Kabel-Fernsehprogramme, Youtube – und dann die Auswahl per Fingerzeig direkt auf den Bildschirm respektive die Musikanlage beamen. Das wäre wirklich cool. Aber für eine Einbindung in die gesamte Unterhaltungselektronik dürften sowohl Apple als auch Microsoft ganz einfach zu stark in ihre proprietären Geschäftsmodelle verstrickt sein. Dies werden wohl eher unabhängige Hersteller wie Logitech mit ihren Harmony-Modellen zu Stande bringen.
Daniel Meierhans