Vom Aufschwung profitieren
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/03
Der Sprung ins kalte Wasser wird durch stürmisches Wetter nicht gerade leichter – so lässt sich die Situation für Unternehmensgründer im aktuellen wirtschaftlichen Klima beschreiben. Sollten Gründungswillige sich daher mit dem Schritt in die Selbständigkeit zurückhalten? Hört man doch allenthalben von der «Kreditklemme», die selbst etablierten Unternehmen die Finanzierung erschwert. Andererseits ist der weltweite Wiederaufschwung der Wirtschaft in Sicht, so der Internationale Währungsfonds in seiner Prognose für 2010.
Experten machen daher durchaus Mut, die Idee fürs eigene Business gerade jetzt weiterzuverfolgen. Den idealen Zeitpunkt für die Gründung gebe es ohnehin nicht, so Ruth Imholz, Geschäftsführerin der Firma Business Tools aus Zürich, die Kurse zur Firmengründung anbietet. «Ob man in wirtschaftlich schlechten oder eher guten Zeiten den Markt-eintritt wagen will, hängt von verschiedenen Aspekten wie beispielsweise vom Kapitalisierungsbedarf und von der Konjunkturabhängigkeit der Geschäftsidee respektive Branche ab. Aber auch weiche Faktoren wie das Gefühl, bereit zu sein für den Schritt in die Selbständigkeit, spielen eine Rolle.» Letztendlich kommt es auf die einzelne Gründerperson und deren Rüstzeug an – erleichtern doch auch ein Neoprenanzug und das Training dem Schwimmer die Anpassung an das kühle Element.
Zur Ausrüstung eines angehenden Selbständigen gehört zunächst die tragfähige Geschäftsidee. Da die durchschnittliche Schweizer Gründungsperson 41 Jahre alt ist und über beträchtliche Berufserfahrung verfügt, entwickelt sie ihre Vision in der Regel aus ihrer bisherigen Position heraus, nicht aus einer Notsituation. Das ergab die Studie «Die neuen Selbständigen 2009» der FH Nordwestschweiz. Ist die auf diesem Weg entwickelte Geschäfts-idee von A bis Z durchdacht, auf Marktfähigkeit geprüft, mit neutralen Experten durchgesprochen und vermag sie auch andere zu überzeugen und begeistern, dann folgt die detaillierte Planung.
Zentral dafür ist der Business Plan. Ihn schreibt man nicht kurz nebenbei, um Geldgeber zu befriedigen, sondern in erster Linie für sich selbst. Er hilft, Sicherheit zu gewinnen und auch scheinbar nebensächliche Aspekte wie das Erscheinungsbild konsequent zu durchdenken. Lücken etwa im Bereich Marketing werden schnell deutlich und lassen sich füllen. Entscheide wie diejenigen der Zielgruppen müssen definitiv getroffen werden und verhindern, dass man sich später verzettelt. Sind mehrere Firmengründer beteiligt, hilft der Business Plan, unterschiedliche Vorstellungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Unverzichtbar ist der Business Plan, wenn Investoren, die ihr Geld in das Start-up stecken, und Lieferanten, deren Produkte man vertreiben möchte, zu überzeugen sind.
Checklisten, wie vom Startzentrum (siehe Kasten) bereitgestellt, helfen dem Gründungswilligen, alle Bereiche zu berücksichtigen. Wer unsicher ist, wie er seine Pläne sinnvoll strukturiert, lässt sich durch eine Software unterstützen oder erhält in Workshops von spezialisierten Einrichtungen eine 1:1-Begleitung. So ist beispielsweise in einem Business Plan Workshop des Instituts für Jungunternehmen IFJ in- St. Gallen die Idee zu Supertext entstanden, der ersten Online-Textagentur. Aus dem Gedanken der drei Firmengründer hat sich in weniger als zwei Jahren eine hochkomplexe Applikation entwickelt, an die mittlerweile über 300 Textprofis angeschlossen sind und auf die mehr als 500 Kunden aus allen Branchen vertrauen.
Zwar werden die meisten Neugründungen in der Schweiz wie Supertext im Bereich Dienstleistungen für Unternehmen und Handel getätigt, so dass keine grösseren Investitionen für Maschinen oder Rohstoffe anfallen. Aber auch bei Internet- und IT-Start-ups sind oft monatelange Programmierungsvorläufe nötig, in denen noch kein Geld in die Firma kommt. Um solche Investitionen zu stemmen, sind Geldgeber gefragt. Häufig unterstützen Bekannte oder Verwandte das Projekt. Nicht immer jedoch genügt dieses Kapital. Als Investoren kommen zusätzlich Banken, Privatinvestoren und Business Angels in Frage. Die Unternehmensengel bringen neben Kapital in erster Linie Know-how und Kontakte mit. Daher sind sie beliebte Partner. Weiter ist es möglich, sich für Finanzierungs-Förderungsprogramme zu bewerben (siehe Kasten).
Auch für junge Unternehmen in ihrem zweiten Jahr nach der Gründung ist das Thema Finanzierung noch nicht vom Tisch. Gerade auf Kleinstunternehmen wirkt sich die Wirtschaftskrise stark aus, da in der Regel kaum finanzielle Polster angespart sind. Wurde der Markt vor der Gründung anders eingeschätzt, drohen Rückschläge, die finanziell schwer zu verkraften sind. «Wichtig ist daher, von Anfang an seine Franken beisammenzuhalten – auch wenn die Geschäfte gut laufen. Ein Unternehmer kann sich selbst mit dem ‹Blick durchs Fernrohr› prüfen: Wenn ich das Geld jetzt ausgebe, wie stehe ich schlimmstenfalls in sechs oder zwölf Monaten da?», so Michael Kunz von dem auf KMU spezialisierten Beratungs- und Lösungshaus Sage Schweiz.
Neben dem Weitblick hilft es, auf Netzwerke und Allianzen zu setzen. Als IT-Start-up ist es möglich, sich die Programmieraufwände zu teilen und gemeinsam mit Partnern eine Lösung zu entwickeln. Auch in anderen Bereichen sind sich ergänzende Produkte und Dienstleistungen eine Option, um bei niedrigen Kosten ein attraktives Angebot für Kunden zu bieten. Michael Kunz: «Über Kooperationen lässt sich das eigene Portfolio rasch erweitern, um auf einen neuen Bedarf am Markt zu reagieren. Somit bietet gerade die Wirtschaftskrise mit ihren Veränderungen eine Chance für junge, anpassungsfähige Unternehmen.»
Dennoch lauern auch in scheinbar sicheren Gewässern noch Gefahren für Start-ups – etwa die Gutgläubigkeit gegenüber Geschäftspartnern. Nach dem Motto «Ein Auftrag ist besser als kein Auftrag» prüfen viele Kleinunternehmer die Zahlungsmoral beziehungsweise -fähigkeit ihrer Kunden nicht im voraus. Verstreicht nach erbrachter Leistung eine Zahlungsfrist nach der anderen, gefährdet das die eigene Liquidität. Auch ein zu laxes Forderungsmanagement ist Ursache für tröpfelnde Einkünfte.
Die Kundenakquisition hat die FH Nordwestschweiz in ihrem Forschungsbericht als weitere Wachstumshürde ermittelt. Dabei steigern nicht nur neue Kunden die Umsätze. Auch Zusatzgeschäfte mit bestehenden Geschäftspartnern bringen ein Unternehmen voran. Häufig vergeben sich kleine und mittlere Unternehmen Geschäftschancen, da sie Adressen in Excellisten führen und Marketingkampagnen breit an alle senden, ohne systematisch nachzufassen und Ergebnisse zentral zu speichern. Hier schafft eine IT-Lösung die Voraussetzung für Wachstum, indem sie an einem Ort sämtliche Kontaktinformationen erfasst und für Auswertungen sowie Kampagnen nutzbar macht.
«Vor allem um die spezifischen Belange und Interessen von Schlüsselkunden sollten sich UnternehmerInnen kümmern», so Simon May, Mitglied der Geschäftsleitung beim IFJ. «Ein professionelles Key Account Management sichert lokale Marktnähe und ermöglicht es, profitable Geschäftsbeziehungen langfristig auszubauen.»
Die eigenen Anstrengungen in Marketing und Vertrieb lassen sich unterstützen, indem man Chancen wie Unternehmerwettbewerbe nutzt. Speziell an Hightech-Start-ups richtet sich der Wettbewerb «Venture Leaders» von Venturelab, einem Programm der nationalen Förderagentur für Innovation KTI. 20 Jungunternehmer bekommen die Gelegenheit, nach Boston zu reisen, um sich dort mit der Entwicklung und Kommerzialisierung ihrer Produkte zu befassen. Zu den ehemaligen Gewinnern zählen etwa Wuala und Doodle. Einen neuen Preis für Projekte im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien schreibt die Stiftung «The Ark» dieses Jahr erstmals aus. Neben Preisgeld und Büroräumlichkeiten besteht die Förderung auch aus Coaching.
www.cci.ch
www.ifj.ch
www.osec.ch
www.venturelab.ch
www.venturekick.ch
www.ctistartup.ch
www.startzentrum.ch/de
www.btools.ch