Teure Einbahnstrasse ins Auslagern
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/09
Die perfekte Firma ist wie ein Dirigent. Sie leitet ein Orchester von Zulieferern und stellt dabei möglichst wenig selber her. Dieses von den Wirtschaftskaderschmieden in St. Gallen und Übersee gepredigte Idealbild hat in der Finanzkrise Risse bekommen. Die meisten Unternehmen straffen derzeit ihre Lieferketten. Die Zahl der Zulieferer wird verkleinert, um die Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Wohlergehen anderer zu minimieren. Die gefährlichen Schieflagen vieler Einzelteile-Hersteller haben aufgezeigt, wie real das Risiko werden kann, durch den Ausfall eines Lieferanten selber handlungsunfähig zu werden.
Was für die Lieferketten der Industrie gilt, ist auch für das IT-Outsourcing wahr: Jede Auslagerung bedeutet eine Abhängigkeit und damit ein Risiko. Kann Ihre Firma ohne IT funktionieren? Wie viele Unterlieferanten sind in das Outsourcing involviert? Wie lange Ausfallzeiten können Sie verkraften? Was passiert, wenn Ihr Outsourcer oder einer seiner Zulieferer Konkurs geht? Wie wird es um die Service-Qualität bestellt sein, wenn er in finanzielle Schwierigkeiten gerät?
Dies betrifft Sie im weitgehend stabilen Schweizer Umfeld nicht? Die Gefahr, dass Schwierigkeiten Ihrer Lieferanten auf Ihre Firma durchschlagen, ist in einer globalisierten Wirtschaft grösser, als man lange gemeint hat. In mehrstufigen Lieferketten können lawinenartige Zusammenbrüche spontan auftreten.
Trotzdem werden Sie zum Schluss kommen, dass es für Sie sinnvoll ist, die ganze oder Teile Ihrer Informatik auszulagern. Sie erhalten dadurch mehr Flexibilität, neue Mittel schnell einzusetzen, erreichen eine höhere Datensicherheit, müssen sich in der Geschäftsleitung nicht mehr mit technologischen Umsetzungsdetails auseinandersetzen und können sich auf Ihr Kerngeschäft konzentrieren. Der wichtigste Grund, wieso Sie auslagern werden, ist aber ein anderer. Alle genannten Vorzüge könnten Sie – wahrscheinlich sogar besser und günstiger – auch mit einem eingespielten internen Team erreichen. Die Krux versteckt sich in der Möglichkeitsform. Sie könnten, wenn Sie die Sicherheit hätten, langfristig auf eine qualifizierte IT-Mannschaft zählen zu können. Und die haben Sie definitiv nicht. Der Arbeitsmarkt ist in der Schweiz auf Jahre ausgetrocknet und als KMU haben Sie im Poker um die wenigen IT-Fachleute gegenüber Grossfirmen und IT-Dienstleis-tern schlechte Karten in der Hand. Die Aufgaben, die Sie einem gut ausgebildeten IT-Profi bieten können, sind im Vergleich zu wenig attraktiv. Vom Lohnniveau gar nicht zu sprechen.
Mit der Zwangsläufigkeit, mit der Sie durch den Mangel an IT-Fachkräften ins Outsourcing getrieben werden, sollten Sie sich auch auf eine andere einstellen: Mit dem Auslagern werden Sie längerfris-tig keine Kosten sparen. Im Gegenteil. Der Preis wird nach einer ersten Phase von Skalierungsgewinnen steigen und die Servicequalität wird sinken. Abhängigkeit bedeutet nicht nur Risiko, sie hat auch ein Preisschild. Parallel zur steigenden Abhängigkeit werden die IT-Dienstleister einen wachsenden Anteil Ihrer Produktivitätsgewinne für sich reklamieren. Tröstlich ist in dieser Beziehung, dass keine Geschichte je fertig geschrieben ist. Das Blatt wird sich sehr wahrscheinlich irgendwann wieder wenden. Schliesslich hat die Unternehmensinformatik ursprünglich mit Outsourcing begonnen. Eigene interne IT-Abteilungen haben die Grossunternehmen erst aufgebaut, als ihnen der Abhängigkeitsobulus, den sie dem damaligen Monopolisten IBM für Hardware, Software und den Betrieb der Mainframes abliefern mussten, zu unverschämt geworden war.