Automatisierung wird gemeinhin als entscheidend im Digitalisierungsrennen angesehen. Je mehr Geschäftsprozesse automatisiert werden können, umso rascher sollen Unternehmen wachsen und erfolgreich sein. Automatisiert wird denn auch in allen Unternehmensbereichen, so auch in der Kommunikation mit den Kunden, wo heute vermehrt Chatbots zum Einsatz kommen. Philipp Rutz, der 34-jährige Gründer und CEO des Start-ups
Okomo, hält dagegen, dass dabei der zwischenmenschliche Kontakt verloren gehe, und dies stelle letzten Endes für die Unternehmen ein Problem dar.
Rutz hat vor dem Schritt in die Selbständigkeit während fast neun Jahren bei Microsoft gearbeitet. Immer wieder hat er dieselbe Erfahrung gemacht, die in ihm die Idee zur Gründung seines Start-ups hat reifen lassen: "Es waren letztlich wiederkehrende Erlebnisse in meinem Alltag, die dazu geführt haben, dass ich im November 2016 den Job bei Microsoft gekündigt habe, um meine eigene Vision mit vollem Fokus zu verwirklichen. Die Ausgangslage war immer dieselbe: Ich hatte bei der Suche nach Lösungen, Produkten oder Dienstleistungen im Netz oft eine konkrete Fragestellung. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich jeweils zwar recht schnell auf einer Website landete, beispielsweise einem Webshop oder einer Unternehmensseite, doch die darin enthaltenen Informationen reichten oftmals nicht aus, um mir meine konkrete Frage zu beantworten. Und auch meine Versuche, mit dem zuständigen Mitarbeiter des betreffenden Unternehmens oder dem Anbieter des Webshops in Kontakt zu treten, scheiterten oft kläglich."
Philipp Rutz (rechts), CEO von Okomo, und sein Geschäftspartner André Meyer, der als CTO amtet. (Quelle: Okomo)
Über das Okomo Widget können Webseitenbesucher die richtige Ansprechperson finden, mit ihr kommunizieren oder einen Termin vereinbaren. (Quelle: Okomo)
Kommunikations-Frust
Wie Philipp Rutz erklärt, habe er in den vergangenen Jahren viel Zeit damit verbracht, sich durch FAQs und Informationen auf den Webseiten von Unternehmen zu wühlen, um schliesslich auf einem anonymen Kontaktformular zu landen. Viele Webseiten würden heute nicht einmal mehr eine Telefonnummer anzeigen, über die man ein Unternehmen kontaktieren könne. Zwar könnten Chatbots einfache Fragen meistens beantworten, doch bei komplexeren Fragestellungen sei der persönliche Kontakt mit einem Experten unumgänglich. "Doch finde ich erst einmal eine Telefonnummer, über die ich die Zentrale eines Unternehmens erreiche, dann heisst das noch lange nicht, dass ich mit einem Mitarbeiter verbunden werde, der meine Frage beantworten kann. Gerade bei grösseren Firmen kommt man nicht selten zuerst in eine Warteschleife und wird danach mehrfach weiterverbunden. Das ist frustrierend, denn man verliert dabei viel Zeit", so Rutz.
Wie er weiter ausführt, sei die Odyssee aber meist nicht zu Ende, wenn man mit der richtigen Person verbunden werde: "Unter Umständen stellt sich dann heraus, dass das Produkt oder die Dienstleistung einer näheren Erläuterung bedürfen und ein tiefergehendes Beratungsgespräch angezeigt ist. In einem solchen Fall muss ich mich entweder in eine Niederlassung des Unternehmens begeben oder der Mitarbeiter setzt mit mir eine Videokonferenz auf, was mitunter bedeutet, dass ich als Kunde noch irgendwelche Tools benötige, um daran teilnehmen zu können." Dies seien lauter unnötige Medienbrüche, findet Rutz, und fügt an: "Im schlechtesten Fall hat mich das Unternehmen dann als potenziellen Kunden verloren, weil ich mich anderweitig umsehe." Das sei unverständlich, sinniert Rutz weiter, denn Unternehmen würden viel Geld in die Hand nehmen, um potenzielle Kunden über Suchmaschinen auf ihre Webseite zu locken.
Einfachheit als Grundprinzip
So kam Philipp Rutz auf die Idee für
Okomo, eine Software-as-a-Service-Lösung, die Unternehmen ein simples Interface bietet, das sie in ihre Webseite integrieren können und mit dessen Hilfe Kunden ihre Mitarbeiter gezielt über mehrere Kanäle kontaktieren können. "Zum einen soll der Kunde die Möglichkeit haben, den für sein Anliegen relevanten Mitarbeiter in kurzer Zeit zu finden. Zum anderen soll die Lösung auch für die Unternehmen so einfach wie möglich zu integrieren und zu handhaben sein", bringt es Rutz auf den Punkt. "Das Ziel ist, die Kundenkommunikation persönlicher zu gestalten und die Menschen hinter einer Webseite auch in der Online-Welt einfach zugänglich zu machen, denn Menschen kommunizieren lieber und effektiver mit Menschen."
Um die Lösung zu entwickeln, holte sich Philipp Rutz, der Betriebswirtschaft studiert hat und über keinen technischen Background verfügt, die Hilfe von André Meyer, den er über das Microsoft-Ökosystem kennenlernte und der über einen PhD in Computer Science der Universität Zürich verfügt. Während Meyer, der heute als CTO von Okomo amtet, die technische Seite der Lösung entwickelt, kümmert sich Philipp Rutz um den Firmen- und Marktaufbau: "Die Herausforderung bestand zunächst darin, dass wir uns selbst finanzierten und deshalb begrenzt weitere Entwickler an Bord holen konnten. Deshalb sind wir mit unserer Lösung bald auf erste potenzielle Pilotkunden zugegangen. So konnten wir unsere Software dank deren Rückmeldungen nach und nach weiterentwickeln und optimieren. Seit diesem Herbst ist Okomo nun offiziell am Markt erhältlich und wir haben bereits die ersten zahlenden Kunden", freut sich der CEO.
Ein zentraler Einstiegspunkt für die Kundenkommunikation
Das Konzept hinter
Okomo ist simpel, wie Rutz erläutert: "Mit einem Klick auf einen Button auf der Website kann ich als Kunde über ein Widget mittels weniger Filter, die ich setzen kann, ohne Wartezeiten den Mitarbeiter im Unternehmen finden, der für meine Anfrage zuständig ist. Ich kann auch sehen, ob dieser verfügbar ist und über welche Kanäle ich ihn direkt erreichen kann. Klicke ich auf sein Beraterprofil, kann ich mit besagtem Mitarbeiter direkt über die Webseite live via Chat, Audio- oder Video-Anruf kommunizieren und Daten austauschen. Über Screen Sharing bietet Okomo Kunden zudem die Möglichkeit, zum Beispiel gemeinsam ein Online-Formular oder eine Online-Steuererklärung auszufüllen oder ein PC-Problem zu lösen. Ist der betreffende Mitarbeiter nicht erreichbar, kann ich ihm über einen integrierten Kalender direkt einen Terminvorschlag zukommen lassen." Wichtig sei, dem Kunden einen einfach auffindbaren Einstiegspunkt zu bieten und mehrere Kanäle, über welche er mit dem Unternehmen in Kontakt treten könne. Das Unternehmen wiederum müsse lediglich die Mitarbeiter erfassen, die Filter definieren, mit denen sich diese Mitarbeiter finden lassen, sowie für die Anzeige des Kontakt-Buttons eine Zeile Code in der eigenen Website integrieren.
"Die Integration ist wirklich kinderleicht", so Rutz. "Man muss nur eine einzige Zeile HTML-Code in die eigene Webseite einfügen. Nutzt das Unternehmen Wordpress, dann ist es sogar noch einfacher, denn
Okomo ist im Store von Wordpress als Plugin zum Download verfügbar. Wir arbeiten bereits daran, unsere Lösung auch in weitere CMS, Webshop-Lösungen, Kommunikationssysteme und CRMs zu integrieren. Button und Widget von Okomo lassen sich darüber hinaus sehr leicht an den eigenen Firmenauftritt anpassen und zum Beispiel mit Profil- und Hintergrundbildern versehen." Damit ist die Lösung laut dem CEO speziell auch auf KMU zugeschnitten, die über begrenzte IT-Ressourcen verfügen. Aufgebaut ist Okomo auf dem offenen Standard WebRTC (Web Real-Time Communication), der die Echtzeitkommunikation über Rechner-Rechner-Verbindungen ermöglicht, wobei dazu nur ein Internet-Browser benötigt wird. Damit wird auch die Video-Kommunikation anwenderfreundlicher.
"Da es sich um eine reine Browser-Lösung handelt, lässt sich diese auf allen möglichen Endgeräten nutzen. Endanwender müssen keine speziellen Software-Anwendungen herunterladen", betont Rutz. Und nicht nur das: Das Kommunikations-Widget kann alternativ auch über einen Link aufgerufen werden, weshalb Okomo auch in E-Mail-Signaturen, Newsletter oder Social-Media-Profilen eingebettet werden kann. Nicht minder wichtig ist laut dem CEO, dass die Live-Beratung über Okomo End-to-End-verschlüsselt ist. Für die Speicherung der Berater-Profilinformationen nutzt das Start-up die Azure Cloud von Microsoft, in deren Start-up-Programm Okomo kürzlich aufgenommen wurde.
Interessante Anwendungsgebiete
Philipp Rutz ist überzeugt, dass eine Lösung wie
Okomo interessante Möglichkeiten zur Interaktion mit Kunden eröffnet. Davon profitieren würden vor allem Unternehmen, die beratungsintensive Dienstleistungen und erklärungsbedürftige Produkte verkaufen und für die der persönliche, direkte Kundenkontakt wichtig ist. So könne die Videochat-Funktion beispielsweise genutzt werden, um Produkte persönlich auch in einem Online-Showroom zu präsentieren. "Es ist ja nicht so, dass wir das Rad neu erfunden hätten. Bereits vor Okomo konnte man chatten und Sprach- oder Videoanrufe tätigen sowie Termine vereinbaren, nur handelt es sich bei den meisten Angeboten um Insellösungen oder um solche, die aufwendig installiert und gewartet werden müssen. Unsere Lösung vereint mehrere Kommunikationskanäle in einem Paket, das praktisch ohne Aufwand in die eigene Webseite und viele andere Online-Kanäle integriert werden kann. Und auch die Mitarbeiter brauchen kaum eine Schulung, um die Funktionsweise zu verstehen", führt Rutz aus.
Das Pricing der Lösung ist einfach. Es gibt die drei Stufen Basic, Premium und Enterprise mit monatlichen Abogebühren pro Berater und unterschiedlichem Funktionsumfang. Darüber hinaus bietet Okomo neu auch eine Freemium-Variante an, die Einzelpersonen ermöglicht, ihre eigene, digital interaktive Okomo-Visitenkarte kostenlos zu nutzen. Auch Pläne für die Zukunft hat Okomo bereits. Zurzeit ist das Start-up auf der Suche nach Investoren, um die Lösung weiterzuentwickeln und neue Features zu implementieren, um die Benutzererfahrung mit maschinellem Lernen aber auch künstlicher Intelligenz weiter zu vereinfachen und zu optimieren. Viel Potenzial sieht das Team zukünftig aber auch in der Integration von Okomo in Datenbrillen und digitale Assistenten. Ausserdem plant Rutz, ein Partnernetzwerk aufzubauen, um die Lösung auch indirekt zu vermarkten. Angepeilt wird zunächst der Markt im deutschsprachigen Raum, dann soll die Expansion darüber hinaus folgen.
(luc)