Seit Herbst 2024 bietet die
Hochschule Luzern (HSLU) den neu gestalteten Studiengang Bachelor of Science in Medizintechnik und Life Sciences an. Es handelt sich dabei um eine Weiterentwicklung des alten Studiengangs Medizintechnik, der – auch bedingt durch den Anschluss an den Bereich Technik & Architektur – «noch sehr technisch ausgerichtet war», wie es Studiengangsleiter Prof. Dr. Piero Angelo Marangi beschreibt.
Der neu gestaltete Bachelor-Studiengang ermöglicht es den Studierenden nun nach einem ersten Basissemester, sich in eine von drei Richtungen weiterzuentwickeln: Erstens kann man sich auf die Medizinproduktentwicklung konzentrieren, zweitens in den Bereich Life Sciences eintauchen oder sich drittens für den Bereich Medizininformatik & Data Science entscheiden. An dieser Stelle ist natürlich der Bereich der Medizininformatik, der Wissen zu Medizintechnik und Biologie mit IT-Know-how verzahnt, besonders relevant.
Hochschule Luzern
Die 1997 gegründete Hochschule Luzern bietet Bachelor- und Masterstudiengänge in den Bereichen Technik & Architektur, Wirtschaft, Informatik, Soziale Arbeit, Design Film Kunst sowie Musik an. An der HSLU studieren mehr als 8000 Studierende und 12’000 Weiterbildungsteilnehmende, die von knapp 900 Dozierenden unterrichtet werden. Die Hochschule beschäftigt rund 2100 Mitarbeitende, der Umsatz belief sich 2023 auf 326 Millionen Franken.
Zeitgemässe Weiterentwicklung
Diese Neuausrichtung des stark auf Technik fokussierten alten Studiengangs hin zu einem stärkeren Fokus auf Life-Science-Themen, so Marangi sinngemäss, ist also eine zeitgemässe Weiterentwicklung. Er betont, dass die moderne Praxis beispielsweise zunehmend Disziplinen sowie Erkenntnisse über Proteine, Genetik, Virologie und biochemische Prozesse einbezieht, um nur einige zu nennen. «Angestrebt wird in der Branche die Entwicklung von Produkten, die gezielt auf den Menschen abgestimmt sind, um die medizinische Versorgung zu verbessern», so der Studiengangsleiter.
Und auch die Medizininformatik hat sich stark gewandelt. Vor allem betrifft das die Arbeit mit Daten, die in der Praxis eine immer grössere Relevanz bekommen und dank neuen Technologien heute besser nutzbar gemacht werden können. Marangi: «Wir sammeln im Gesundheitswesen Unmengen von Daten – etwa Bilder oder andere analytische Daten.» Und wie man das heute von generativer KI kennt, kann man auch anhand dieser Daten Muster erkennen und diese nutzen. Beispielsweise bei der Krebsdiagnose. «Die Breite der möglichen Produkte ist dabei gewaltig», wie er anfügt, und reicht von einer «einfachen» Diagnose-App bis hin zur komplexen Analyse von Informationen beispielsweise aus dem Blut eines Patienten.
Zu den wichtigsten Themen der Studienrichtung Medizininformatik & Data Science gehören damit etwa Software- und KI-Entwicklung, Datenpflege und -analyse sowie das Verständnis der Datenflüsse innerhalb von Gesundheitseinrichtungen.
Piero Angelo Marangi, Studiengangsleiter Bachelor of Science in Medizintechnik/Life Sciences, HSLU (Quelle: HSLU)
Wahlmodule und Entwicklungsmöglichkeiten
Eine Besonderheit des neu gestalteten Studiengangs ist laut dem Studiengangleiter, dass sich die Studierenden nach dem Basissemester für eine der drei genannten Studienrichtungen entscheiden, sich im Rahmen des Studiengangs aber frei für eine Vielzahl weitere Wahlmodule aus den beiden anderen Studienrichtungen (oder vereinzelt auch aus anderen Studiengängen) einschreiben können. Wer etwa Medizininformatik & Data Science studiert, sich aber für Themen wie das Go-to-Market von Medizinprodukten interessiert, kann sich beispielsweise für ein Modul einschreiben, das sich mit der Regulierung von Medizinprodukten in der Schweiz und dem Rest der Welt auseinandersetzt.
Das Ziel der neuen Struktur ist, dass sich alle Abgänger, unabhängig der gewählten Studienrichtung, auch grundlegendes Wissen über die anderen Bereiche aneignen können. «Etwa die Hälfte der Inhalte in den drei Studienrichtungen ist mit Pflichtmodulen vorgegeben, die andere Hälfte kann man sich selbst zusammenstellen und sich Wissen aus den anderen beiden Bereichen aneignen», so Angelo Marangi.
Voraussetzungen und Berufschancen
Voraussetzung für die Aufnahme in den Studiengang ist idealerweise die Berufsmaturität, bevorzugt die technische, oder eine gymnasiale Matur. Mit gewissen Vorkenntnissen oder Berufserfahrung ist, wie an allen Hochschulen üblich, aber auch eine Aufnahme «sur Dossier» möglich. «Weiter braucht es natürlich ein gewisses Interesse am Gesundheitswesen oder daran, wie der menschliche Körper funktioniert», wie Marangi ergänzt.
Abgänger des Studiengangs sind durch das bewusst breit gefächerte Angebot etwa für Schnittstellenpositionen in Medizintechnikfirmen prädestiniert. Mögliche Positionen sind nach dem Abschluss beispielsweise Projekt- und Produktmanager, Stellen im Qualitätsmanagement oder auch in der Zulassungsabteilung eines solchen Unternehmens. Speziell was den Bereich Medizininformatik betrifft, nennt Marangi weiter Aufgaben wie die Kontrolle und Optimierung von digitalen Prozessen und Datenflüssen in Gesundheitseinrichtungen oder natürlich die Entwicklung von Softwareprodukten für die Medizin.
«Und dafür reicht ein normales Informatikstudium nicht», wie er klarstellt. «Um diese Berufe auszuüben, muss man verstehen, was im menschlichen Körper passiert. Dieses Wissen ist Voraussetzung dafür, dass man versteht, wie die anfallenden Daten zur Biologie zu verarbeiten sind. Genau genommen sprechen wir also nicht von Medizininformatik, sondern von biomedizinischer Informatik.» Wer bereits Erfahrung oder eine Ausbildung im Bereich Informatik oder Data Science mitbringt, muss sich vor allem viel Wissen aus den Bereichen Biologie, Chemie und Anatomie aneignen, um später in der Medizininformatik arbeiten zu können.
Aufbauendes Wissen
Das Basissemester, das alle Studierenden unabhängig von der gewählten Studienrichtung durchlaufen, schafft eine gemeinsame Grundlage. Die Pflichtkurse umfassen etwa Wissen zu Mathematik, Physik, Chemie und Zellbiologie. Weiter gibt’s einen Python-Kurs und Basiswissen zum Qualitätsmanagement in der Medizintechnik. Freiwillig lassen sich im ersten Studienjahr dann etwa Kurse zum Gesundheitssystem, Elektrotechnik oder organischer Chemie und Biochemie auswählen.
In den weiteren Semestern wird’s dann konkreter und es kommen, bezogen auf die Medizininformatik, beispielsweise Pflichtmodule wie Data Engineering, Machine Learning, Ethik, Datenschutz und Produktmanagement hinzu. «Wer sich sehr für Biologie interessiert, kann dann beispielsweise aus den Wahlmodulen der Studienrichtung Life Sciences entsprechende Kurse aussuchen», wie Marangi ausführt. Studierende wählen also einige Wahlmodule aus den drei Studienrichtungen, damit sie auf die benötigten 180 Credits (ECTS) kommen, die für den Bachelor-Abschluss notwendig sind.
Für Aussenstehende ist dieses Fächerangebot auf den ersten Blick ein Dschungel, und es ergeht wohl auch dem einen oder anderen Studierenden im Basissemester so. Wie wird sichergestellt, dass das selbst zusammengestellte Programm in der Praxis auch Sinn ergibt? Dabei hilft der Studiengangsleiter im Zweifel gerne selbst – Studierende dürfen jederzeit an ihn herantreten, um die Auswahl der Module gemeinsam und auf ihr Berufsziel ausgerichtet zu gestalten.
Bis zum Doktortitel
Grosse Teile des Studiengangs finden vor Ort in den Räumlichkeiten der HSLU T&A in Horw statt, die praktischen Labor-Module werden in den modern ausgestatteten Laboren in Hergiswil durchgeführt. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, einzelne Unterrichtseinheiten remote zu absolvieren. Das sei abhängig vom Inhalt und der modulverantwortlichen Person, so Marangi. Seiner Erfahrung nach sei es jedoch sinnvoll, wenn die Dozierenden eine Beziehung zu den Studierenden aufbauen und diese untereinander voneinander profitieren können, wie er anfügt. Die Standorte für die Kurse im Bereich Medizininformatik befinden sich in Horw (Departement für Technik und Architektur) und in Rotkreuz (Departement für Informatik).
Falls nach dem Abschluss immer noch Wissenshunger vorhanden ist, besteht die Möglichkeit, einen Master of Science Engineering in unterschiedlichen Ausprägungen zu absolvieren. Und dank der Zusammenarbeit mit verschiedenen Universitäten kann sogar ein PhD (Doktortitel) erlangt werden. «In der Realität ist es aber so, dass man bereits mit dem Bachelor einen sehr guten Job bekommt. Rund 80 Prozent der Abgänger gehen direkt in die Praxis. In der Medizintechnikbranche gibt es sehr viele Jobs, in der Informatik gibt es sehr viele Jobs – und die Verbindung der beiden Branchen ist damit bezüglich Jobaussichten ‹a killer-combination›», wie er mit einem Lächeln abschliessend sagt.
(win)
Der Studiengang
Bildungseinrichtung: Hochschule Luzern (HSLU)
Studiengang: Bachelor of Science in Medizintechnik | Life Sciences
Dauer: 6 Semester
Gebühren: 800 Franken pro Semester
Studienort: Horw, Hergiswil und Rotkreuz