Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) betreiben 14 Tramlinien, sechs Trolleybus-Linien und 53 Buslinien, die zusammen eine Gesamtstrecke von rund 294 Kilometern abdecken. Ein breites Angebotsspektrum, das naturgemäss mit einem hohen Anfrageaufkommen seitens der Kunden einhergeht – was bisher häufig für Wartezeiten und Rückstaus sorgte. Immerhin liegt die durchschnittliche Antwortzeit für eine E-Mail laut VBZ bei zehn Minuten, während komplexere Anfragen bis zu 30 Minuten in Anspruch nehmen konnten. Um dieses Nadelöhr zu beheben, die Reaktionszeiten zu verbessern und die Arbeitsbelastung für das Team zu reduzieren, haben die VBZ zusammen mit IT-Partner
UMB im vergangenen Jahr einen Proof of Concept aufgesetzt. Ziel war die Entwicklung eines E-Mail-Butlers auf KI-Basis, der zumindest einen Teil des Bearbeitungsprozesses der E-Mails übernehmen kann. «Vor dem Hintergrund steigender Anfragen – insbesondere auf dem E-Mail-Kanal – und den damit potenziell verbundenen längeren Antwortzeiten für unsere Kunden sowie den negativen Auswirkungen für unsere Mitarbeitenden wollten wir uns nach neuen Hilfsmitteln umsehen», berichtet Dieter Fischer, Leiter Customer Value Center bei den Verkehrsbetrieben Zürich. «KI-Lösungen schienen uns eine prüfenswerte Option.»
Allerdings sollte der KI-Assistent nicht direkt mit den Kunden kommunizieren, wie es häufig bei Chatbots im Customer Service der Fall ist. Der Proof of Concept für den E-Mail-Butler zielte stattdessen darauf ab, die E-Mail-Bearbeitung bei den VBZ zu automatisieren, indem die KI Antworten auf verschiedene Anfragen erstellt und eingehende E-Mails kategorisiert. Die Mitarbeitenden erhalten also vorformulierte Antwortvorschläge des Chatbots, die anschliessend geprüft, bei Bedarf korrigiert und abschliessend manuell versendet werden. Der Mensch bleibt laut VBZ somit stets die letzte Instanz. «Die VBZ wollen, wenn immer möglich, eine Mensch-zu-Mensch-Beziehung in der Bearbeitung der Kundenanfragen. Dies beurteilen wir als einen Mehrwert und als Differenzierungsmerkmal am Markt», so Fischer gegenüber «Swiss IT Magazine».
Flexibles Betriebsmodell
Als technische Basis des E-Mail-Butlers kommt IBMs KI-Plattform Watsonx zum Einsatz. Die Entscheidung für dieses Angebot fiel vor allem aufgrund der Flexibilität, wie Benjamin Sen, Team Leader AI & Data bei
UMB, berichtet. So lasse sich die IBM-Lösung sowohl On-Premises als auch in der Cloud betreiben. «Diese hybride Betriebsoption erlaubt es uns, die Infrastruktur flexibel an die spezifischen Anforderungen der VBZ anzupassen und so auf zukünftige Veränderungen vorbereitet zu sein.» Aktuell läuft die Lösung rein in der Cloud, was vor allem in der Proof-of-Concept- und Prototyping-Phase Vorteile mit sich bringen soll: «Wir können flexibel arbeiten, Investitionen in Hardware vermeiden und die Infrastruktur bedarfsgerecht skalieren. Die IBM-Cloud erfüllt ausserdem alle notwendigen Datenschutz- und Sicherheitsstandards, wodurch der Cloud-Betrieb rechtlich und ethisch unbedenklich ist». Zwar gebe es auch aktuell noch keine Pläne für eine Migration, langfristig besteht laut Sen jedoch die Möglichkeit, die Anwendung bei Bedarf On-Premises bei den VBZ selbst zu betreiben. Diese Option werde besonders dann relevant, wenn in Zukunft kritischere oder sensiblere Daten integriert werden sollen. Auf Basis der IBM-Technologien wäre dann eine Eins-zu-eins-Übertragung der Lösung in eine On-Premises-Umgebung problemlos möglich.
Am Anfang des Projekts stand jedoch eine detaillierte Analyse der bestehenden VBZ-Prozesse, bei der das Team aus UMB-KI-Experten und vier IBM-Mitarbeitenden die E-Mail-Workflows untersuchte, zentrale Problemstellen identifizierte und anschliessend die Hauptziele für das PoC festlegte. In intensiven Tests wurden anschliessend verschiedene KI-Modelle auf ihre Antwortqualität geprüft und an das Feedback der VBZ-Mitarbeitenden angepasst. Dabei galt es jedoch, im Projektverlauf einige Hürden zu bewältigen. Die grösste Herausforderung war laut Benjamin Sen die nahtlose Integration der Lösung in die bestehende IT-Landschaft der VBZ. Die Herangehensweise: «Derzeit läuft die Anwendung als externer Service, bei dem Mobilitätsexperten E-Mails in eine benutzerfreundliche Weboberfläche kopieren – ähnlich einer Anwendung, die kontextbezogene Antworten generiert.»
Zuverlässiges und rechtssicheres System
Hinzu kam das Thema Datenschutz. Hier war es notwendig, Prozesse zu etablieren, die eine durchgehende Compliance gewährleisten. Dieser Schritt war laut dem UMB-Team Leader zwar aufwendig, aber entscheidend, um ein zuverlässiges und rechtssicheres System zu schaffen. Grundsätzlich setzt der E-Mail Butler daher nicht auf ein rein mit Kundendaten trainiertes KI-Modell, sondern auf ein vortrainiertes Modell, das durch eine Vector-Datenbank ergänzt wird, die eine Wissensbasis mit relevanten Informationen schafft. «Dieser Ansatz ist vergleichbar mit der Bereitstellung von zusätzlichem Kontext durch den User, beispielsweise durch das Hochladen eines PDFs oder eines Bildes, das ergänzende Informationen liefert», so Sen.
Der Aufbau dieser Wissensbasis war jedoch ebenfalls eine Herausforderung, da sich ein «Grossteil dieses Wissens bislang in den Köpfen der Mitarbeitenden und nicht in einer zentralen, strukturierten Datenbank» befand. VBZ und
UMB mussten die Informationen daher vorerst erfassen, dokumentieren und in strukturierter Form überführen, um die erforderliche Qualität der vorformulierten Antworten der KI zu gewährleisten. Um dem Datenschutz darüber hinaus Rechnung zu tragen, wurden alle verwendeten E-Mail-Konversationen vor der Verarbeitung vollständig anonymisiert, sodass keine personenbezogenen Daten in das System gelangen konnten, erklärt Sen weiter. Bereits in einem vorgelagerten Schritt wurden zudem sensible Informationen entfernt. Diese Massnahmen sollten garantieren, dass der Datenschutz konsequent eingehalten wird und kein Risiko für die Sicherheit personenbezogener Daten besteht.
Diese Bemühungen haben in Summe schnell Früchte getragen. Die ersten Ergebnisse des Proof of Concept zeigen, dass der E-Mail-Butler für rund 20 Prozent der Anfragen hochwertige Antwortvorschläge generieren und so die Bearbeitungszeit für Standardanfragen deutlich reduzieren konnte. Dem Service-Team bietet das wiederum die Möglichkeit, sich auf komplexere Anfragen und dringende Fälle konzentrieren zu können. Nach dem erfolgreichen PoC prüfen die VBZ nun eine Ausweitung der KI-Funktionen, um auch andere Kommunikationskanäle einzubinden und während Stosszeiten nahezu in Echtzeit antworten zu können. Vorerst gelte es aber, die Ergebnisse der Proof-of-Concept-Phase genau zu prüfen, um auf dieser Grundlage festzustellen, ob der Einsatz von Künstlicher Intelligenz auch an anderer Stelle sinnvoll ist, wie Dieter Fischer erläutert.
(sta)