Kolumne: Die Stärkung der Schweizer Tech-Branche

Matthias Herrmann meint, dass die Schweiz zwar Spitzeninnovationen hervorbringt, diese ­jedoch oft ausserhalb unserer Grenzen finanziert und kommerzialisiert werden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2024/09

     

In meiner Kolumne vom April habe ich kurz angeschnitten, wie die Schweiz trotz ihrer beachtlichen Investitionen in Forschung und Entwicklung weiterhin stark von ausländischem Wachstumskapital abhängig ist. Diese Abhängigkeit, insbesondere im Tech-Bereich, beeinflusst nicht nur unsere Start-ups und KMU, sondern auch die wirtschaftliche Souveränität des alten Kontinents. Ich möchte diesmal das Thema etwas vertiefen.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt zunächst ein gutes Bild: Die Schweiz ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern im Bereich Innovation ganz vorne dabei. Wir haben etliche Unicorns (Firmen mit einem Marktwert über 1 Milliarde) und sind laut Global Innovation Index seit 13 Jahren das innovativste Land der Welt. Das ist eine fantastische Leistung – wir haben aber Luft nach oben!


Die UBS schätzte Ende 2023, dass 75 bis 80 Prozent des Geldes, welches unseren Jungunternehmern ermöglicht, ihre Innovationen in einer Firma zu etablieren, aus dem Ausland kommt. Diese finanziellen Zuschüsse ermöglichen Schweizer Start-ups, rasch zu wachsen und Zugang zu globalen Märkten zu erhalten. Wir bezahlen aber einen Preis. Die Marktorientierung dieser Geldgeber, allen voran der US-Investoren, bedeutet oft auch eine Firmenübernahme durch grössere US-Unternehmen oder einen Börsengang an der US-Börse NASDAQ. Es zeigt, dass wir zwar Spitzeninnovationen hervorbringen, diese jedoch oft ausserhalb unserer Grenzen finanziert und kommerzialisiert werden müssen.
Mit den aktuellen technologischen Fortschritten (z.B. im Bereich KI oder Quantum Computing) ist es umso wichtiger, nicht bloss zu einem reinen Exporteur unserer Tech-Innovationen zu verkommen. Der Ausverkauf ist auch eine verpasste Chance, globale Standards zu setzen und die heimische Industrie zu stärken. Obwohl unsere Forscherinnen und Ingenieure einen wesentlichen Beitrag zur globalen Technologieentwicklung leisten, bleibt uns am Schluss oft nur die Regulation auf EU-Stufe, um den heimischen Markt vor den US-Firmen zu schützen.

Was können wir also tun, um diese Abhängigkeit zu reduzieren? Ein offensichtlicher Schritt wäre, mehr lokales Kapital für Investitionen in Start-ups zu mobilisieren. Dies kann durch staatliche Anreize geschehen, die spe­ziell die Investition von Hochrisikokapital abdecken. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Schaffung eines stabilen Kapitalmarktes in Europa. Ein Fokus könnte dabei auf der Stärkung von KMU liegen. Der 2024 veröffentlichte «KMU Performance Bericht» der Europäischen Kommission zeigt, dass KMU mehr Arbeitsplätze schaffen als Grossunternehmen. Am stärksten ist das im digitalen Wirtschaftszweig zu beobachten. Es ist also entscheidend, dass unsere KMU durch unterstützende Politik und einen attraktiven Kapitalmarkt die Möglichkeit erhalten, lokal zu wachsen und globale Präsenz aus der Schweiz heraus aufzubauen. Der Bericht zeigt ausserdem, dass KMU, die mit Start-ups arbeiten und durch Übernahmen von Start-ups wachsen, langfristig erfolgreicher sind als andere. Stärkere Anreize für die Vernetzung zwischen Start-ups und KMU ist ein Schritt zum Erfolg.


Wenn wir die Kontrolle über unsere technologischen Entwicklungen behalten und unsere wirtschaftliche Souveränität stärken wollen, müssen wir aber alle handeln. Hier also der Aufruf an unsere Führungskräfte, Politiker und VIPs: Kooperiert mit Start-ups und Forschungseinrichtungen, gebt Jungunternehmen eine Chance und etabliert eine Kultur und Prozesse, die Open Innovation, Joint Ventures und POCs unterstützen. Informiert euch über Venture Capital, M&A und beteiligt euch an Initiativen zur Förderung von Unternehmertum. Ich verspreche euch, es macht auch ordentlich Spass und erweitert den Horizont!

Matthias Herrmann

Matthias Herrmann ist Investor, Unternehmer und Berater in den Bereichen Innovation, IT und Gesundheitswesen. Er leitet den Bereich Digital Health und den Digital-Health-­Fonds bei der Firma Tenity und ist als Experte für die Bereiche Life Sciences und ICT für die Innosuisse tätig. Er ist ausserdem Verwaltungsrat der NGO Make Me Smile International und unterstützt mehrere Start-ups im Advisory Board.


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