Kolumne: Schwereloser Infrastruktur-Wettbewerb


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2024/06

     

Swisscom hat im Februar beschlossen, Vodafone Italien für 8 Milliarden Franken zu akquirieren. Eine Anleihe über 4 Milliarden Franken für diese Akquisition konnte Ende Mai 2024 frühzeitig abgeschlossen werden. Swisscom wird in Italien ihre Tochterfirma Fastweb mit Vodafone Italien fusionieren und zur Nummer zwei in Italien aufsteigen. Kurzfristig scheint dieser Kauf erfolgversprechend zu sein. Aber es stellen sich langfristig schon einige strategische Fragen:

1. Warum verkauft Vodafone in Europa zunehmend ihre Landesorganisationen?


2. Was beinhalten die Infrastrukturen in Italien wirklich im Festnetzbereich? Sind die gekauften Infrastrukturen mit den Glasfaser-basierten und DSL-Produkten von Fastweb kompatibel? Die Kabelnetze sind global eher in Sinkflug begriffen, da unterhaltsmässig zu teuer.

3. Sind die geplanten tech­nischen Synergien nicht zu teuer in der effektiven ­Umsetzung?

4. Was machen die Konkurrenten und Technologieentwicklungen? Oder besser, welche neue Konkurrenten entstehen in welchen Bereichen?

Viele dieser Fragen bleiben unbeantwortet. Ich beobachte und melde seit einigen Jahren, dass Super- und Hyperscaler – insbesondere Microsoft mit M365/Teams – über die Pandemie hinweg plötzlich als neue Full-Service-Anbieter global präsent werden. Sie bieten Kunden wirkliche Kommunikationsmehrwerte, gewinnen erdrutschmässig Marktanteile, aber sie kreieren auch monopolistische Zustände und Abhängigkeiten.
Zusätzlich sind neue Technologieplayer am Start, etwa Starlink von Elon Musk. Wöchentlich starten SpaceX-Raketen mit vielen tieffliegenden Satelliten an Board und spannen sehr rasch ein alternatives Internet-/Breitband-Netzwerk über die Welt. Andere, wie Amazon, versuchen sich diesbezüglich auch schon. Sie haben das Potenzial, den bestehenden nationalen und regional agierenden Service Providern disruptiven Infrastruktur-Wettbewerb zu bringen. Noch sind die Bandbreiten nicht grossartig und die Angebote preislich eher hoch angesetzt, aber die Latenzen scheinen bereits passabel zu sein. Das sind die neuen, globalen Anbieter, die den schwerelosen, nicht regulierten und freien Markt im Weltall nutzen, neu denken und definieren. Das ist freie Marktwirtschaft und wird nicht nur die Telecom-Industrie in den nächsten Jahren herausfordern und verändern.

Die Anwendungen von Starlink im Ukraine-Krieg sind heute bereits sichtbar und potenziell von einer Person abhängig. Das macht mir Sorgen. Elon Musk hat bereits bewiesen, dass er Services an bestimmten Orten freimütig ein- und ausschalten sowie globale Veränderungen nach persönlichem Gusto oder politischer Ausrichtung bestimmen könnte.


Die politischen Einflussnahmen durch die Weltall-Provider sowie deren Eigentümer werden zunehmen und das kann demokratische Strukturen bedrohen.
Die Gesellschaften weltweit sind sehr stark gefordert! Der Call ist, dass freiheitsliebende Leute, wie ich einer bin, kritisch bleiben, sich nicht ergeben und die Freiheit des Internets bewahren helfen.

Luzi von Salis

Luzi von Salis ist Geschäfts­führer der Firma Von Salis ­Engineering und agiert als Interim-­Manager, Konsulent sowie als «Business Troubleshooter» im ICT-Sektor. In seiner Kolumne kommentiert und beleuchtet er aktuelle Themen aus dem ICT-Bereich.
luzi.vonsalis@vseng.ch


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