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Den Personalabbau aus Mitarbeitersicht fair gestalten

Immer wieder stehen Unternehmen aus den unterschiedlichsten Gründen vor der Herausforderung, Personal abzubauen. Nicht selten ist es dann sinnvoll, für diesen Prozess Berater als Unterstützer zu engagieren – auch, um den Betriebsfrieden zu bewahren.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2022/05

     

Im Spätsommer 2021 stand ein mittelständisches Maschinenbau- und IT-Unternehmen vor der Alternative, die Kosten zu senken oder die Pforten zu schliessen. Also stellte die Geschäftsleitung alle Sachausgaben auf den Prüfstand. Was entbehrlich war, wurde gestrichen. Doch dies allein genügte nicht. Deshalb reifte in der Unternehmensleitung die Erkenntnis: Wir müssen circa 20 Prozent unserer fast 200 Mitarbeitenden entlassen.

Ein Drehbuch für den Trennungsprozess entwerfen

Leicht fiel der Geschäftsleitung des Familienunternehmens diese Entscheidung nicht – unter anderem, weil sie befürchtete: Wenn wir in grösserem Umfang Mitarbeitende entlassen, zerstört dies unsere von einem starken Wir-Gefühl geprägte Unternehmenskultur. Deshalb beschloss sie: Wir arbeiten mit einem Beratungsunternehmen zusammen, das uns hilft, den Trennungsprozess fair zu gestalten und die Entlassenen dabei unterstützt, für sich eine neue berufliche Perspektive zu entwerfen. Der von der Geschäftsleitung engagierte Berater entwarf mit dem geschäftsführenden Gesellschafter des Unternehmens, dessen Personalleiter und einem kleinen Team eingeweihter Führungskräfte ein Konzept für den Kündigungs- und Trennungsprozess. Parallel dazu wurden alle gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Instrumente zur Personalanpassung ohne Entlassungen (z.B. Altersteilzeit, Teilzeitarbeit oder interne Versetzungen) geprüft. Ausserdem wurde ein Sozialplan verhandelt. In dieser Phase waren alle Beteiligten noch zu Stillschweigen verpflichtet und unterschrieben eine entsprechende Erklärung.


Den Auftakt des offiziellen Kündigungs- und Trennungsprozesses bildete ein zweistündiges Meeting mit der Führungsmannschaft des Unternehmens. In ihm informierte der geschäftsführende Gesellschafter die Führungskräfte über das Programm zum Personalabbau und erläuterte ihnen den geplanten Ablauf. Ausserdem erstellte er mit ihnen – unterstützt von den externen Beratern – eine Planung zum weiteren Vorgehen.

Alle Betroffenen und ihre Vorgesetzten unterstützen

Circa eine Woche später informierte der geschäftsführende Gesellschafter alle Mitarbeitenden auf einer Versammlung über den geplanten Personalabbau. Zudem teilte er ihnen mit, dass die Führungskräfte in den nächsten Tagen auf die Mitarbeitenden zukommen würden, um persönliche Gespräche mit ihnen zu führen. In der Versammlung wurden der Belegschaft auch die Berater vorgestellt, die die Betroffenen im weiteren Prozess begleiten und unterstützen sollten. Zwei Tage nach der Versammlung wurden die Führungskräfte, die die Mitarbeitergespräche führen sollten, in einem halbtägigen Training auf diese Aufgabe vorbereitet. Danach führten die Führungskräfte die entsprechenden Gespräche mit den Mitarbeitenden, die das Unternehmen auf alle Fälle als Arbeitnehmer behalten wollte, und mit den Mitarbeitenden, die es für das angebotene Freiwilligenprogramm gewinnen wollte.

Nach Ablauf einer gesetzten Frist von drei Wochen hatten zwar einige Mitarbeitende das Freiwilligenprogramm genutzt und entschieden, sich mit einer Abfindung im gemeinsamen Einvernehmen vom Unternehmen zu trennen. Ihre Zahl genügte aber nicht, um die angestrebte Personalreduktion zu erreichen. Also starteten nun die offiziellen Kündigungsgespräche, in denen die betriebsbedingten Trennungen besprochen wurden. Diese Gespräche wurden mit den Betroffenen stets von der jeweiligen Führungskraft und dem Personalleiter geführt.


In den Gesprächen war es wichtig, die Trennungsbotschaft klar zu vermitteln und zugleich fair im Umgang zu sein. Betont wurde stets, dass die Trennung nichts mit der Person und ihrer Leistung zu tun habe, sondern betriebsbedingt sei und auf Basis einer zuvor verhandelten Sozialauswahl stattfinde. Zudem artikulierten die Führungskraft und der Personalleiter ihr Mitgefühl und sagten den Betroffenen ihre Unterstützung beim Aufbau einer beruflichen Alternative zu. Parallel zu den Gesprächen wurde ein weiterer Workshop für die Führungskräfte angeboten. Er sollte ihnen ermöglichen, Erfahrungen auszutauschen und das Erlebte aufzuarbeiten. Dabei zeigte sich: Den meisten Führungskräften fällt es schwer, in den Kündigungsgesprächen konsequent zu bleiben, insbesondere aufgrund der emotionalen Bande, die sie in der teils jahrzehntelangen Zusammenarbeit mit den Betroffenen entwickelt haben.

Eine neue Perspektive als Betroffener entwickeln

Alle gekündigten Mitarbeitenden entschieden sich, an dem vom Unternehmen angebotenen New-Placement-Prozess teilzunehmen. Also trafen sich die Berater mit ihnen, um mit ihnen mögliche neue berufliche und persönliche Perspektiven zu erarbeiten. In den Gesprächen vermittelten die Berater ihnen auch: «Ihr habt alle jahrelange Berufserfahrung. Deshalb könnt ihr in Unternehmen wichtiges Know-how einbringen.»

Anschliessend fanden für alle Gekündigten in Kleingruppen Bewerbertrainings statt. In ihnen entwickelten sie für sich eine berufliche Perspektive:


- Suche ich mir eine neue Stelle, gehe ich in den vorgezogenen Ruhestand oder mache ich mich selbstständig?

- Steige ich beruflich gleich wieder voll ein oder nutze ich die Situation, um mich weiterzubilden?

In den Trainings ermittelten die Teilnehmenden auch, welche Stärken sie als Bewerber in die Waagschale werfen können und bei welchen Unternehmen Bewerbungen Erfolg versprechend wären.

Gekündigte Mitarbeitende unterschätzen ihre Kompetenz

Nach den Trainings traf sich ein externer Berater mit jedem Stellensuchenden, um dessen Bewerbungsmappe und -strategie den letzten Schliff zu geben. Dies war nötig, weil sich die meisten Teilnehmer seit Jahren nicht mehr beworben hatten. Entsprechend unsicher waren sie oft bezüglich des Vorgehens. Zudem waren ihnen häufig Fähigkeiten nicht bewusst, die ihnen Pluspunkte bringen, sofern sie sich beim richtigen Unternehmen bewerben. So haben beispielsweise Unternehmen mit 200 Mitarbeitenden eine andere Arbeitsstruktur und -kultur als ein Konzern. Hier müssen die Mitarbeitenden oft improvisieren und haben ein breiteres Aufgabenfeld. In einem solchen Umfeld erfolgreich gearbeitet zu haben, kann beim Bewerben ein Plus sein.


Durch dieses gezielte Vorgehen hatten 17 der 35 entlassenen Mitarbeitenden vier Monate nach den Bewerbungstrainings schon wieder eine neue Stelle. Fünf weitere hatten entschieden, sich selbstständig zu machen. Also hatte nur noch etwa jeder Dritte entlassene Mitarbeitende keine neue berufliche Perspektive.

Das Vertrauen der Survivors nicht verlieren

Unter anderem über diese Entwicklung informierte der Geschäftsführer im Januar 2022 die verbliebenen Mitarbeitenden, die sogenannten Survivors, in einer Veranstaltung, die die Phase des Neustarts in dem gesundgeschrumpften Unternehmen einläutete. Dies stärkte die Identifikation der verbliebenen Mitarbeitenden mit ihrem Arbeitgeber, da sie spürten: Das Schicksal unserer Ex-Kollegen – und damit sicher auch unseres – ist unseren Chefs nicht egal. Ein solches Signal an die Survivors zu senden, ist wichtig, weil dies ein Ausdruck der Wertschätzung für die Ex-Mitarbeitenden ist. Hinzu kommt: Die verbleibenden Mitarbeitenden beobachten sehr genau, wie der Betrieb mit ihren bisherigen Kollegen umgeht. Hieraus leiten sie wiederum ab, welches Schicksal ihnen künftig eventuell droht. Deshalb führt ein Personalabbau- und Trennungsprozess, der von ihnen als nicht fair empfunden wird, oft zu einem nachhaltigen Vertrauensverlust bei den verbleibenden Mitarbeitenden.

Der Autor

Der Wirtschaftsinformatiker Lukas Leist, Darmstadt, arbeitet als freier Journalist. Er ist unter anderem auf Unternehmens- und Personalführungsthemen spezialisiert.


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