Start-up B-Rayz: Brustkrebsdiagnostik neu gedacht
Quelle: B-Rayz

Start-up B-Rayz: Brustkrebsdiagnostik neu gedacht

Die Medtech-Software B-Box von B-Rayz spürt dank AI-Bilderkennung Brustkrebs auf. Die Lösung kann aber noch viel mehr und verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz für alle Beteiligten – vom Spezialisten-Team bis zum Patienten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2021/12

     

Radiologen haben einen zehrenden Job: Hunderte, ja Tausende Mammographiebilder durchsehen und dabei den einen kleinen Fehler finden, der ein Menschenleben kosten kann. Und wenn die Diagnose dann steht, folgt oft eine lange Behandlungsphase, in der eine Vielzahl von Beteiligten zusammenarbeiten und für das Patientenwohl sorgen müssen. Das ist enorm aufwendig, weshalb die Medtech-Brache mit technologischen Hilfsmitteln daran arbeitet, Last von den Schultern des Ärzte- und Radiologiefachpersonals zu nehmen.

Eines dieser Medtech-Unternehmen heisst B-Rayz, ist in Zürich stationiert und beschäftigt sich spezifisch mit der Früherkennung von Brustkrebs, Brustkrebsuntersuchungen und -behandlungen. «Unsere Mission ist die Digitalisierung der Breast Unit, einer hochspezialisierten Einheit der Radiologie, die sich mit Brustkrebserkrankungen und deren Erkennung beschäftigt», so Cristina Rossi, Physikerin am Unispital Zürich und CEO von B-Rayz. Auch, so Rossi, geht es bei B-Rayz nicht nur um technische Hilfsmittel zur Brustkrebserkennung, sondern zusätzlich um das Management der gesamten Behandlung, wenn ein Tumor gefunden wird.


Für diese Aufgabe greift B-Rayz tief in die technologische Trickkiste, wie Rossi ausführt: «Unsere Technologie stützt sich auf hochentwickeltes Deep Learning und erlaubt der Breast Unit, reibungslos durch eine Behandlung zu gehen und eine bessere Diagnose anbieten zu können.» Zusammengefasst: B-Rayz will für bessere Diagnosen, effizientere und angenehmere Behandlungsprozesse und dank modernen Arbeitsmitteln auch für motiviertere Mitarbeiter sorgen.

Künstliche Intelligenz, aber eben nicht nur

Im Gegensatz zu anderen Mitbewerbern, die oft nur die AI-gestützte Bildanalyse anbieten, geht B-Rayz noch ein Stück weiter und bietet gleich eine ganze Software-Suite an, die auch den Behandlungsweg mit einbindet. «Das unterscheidet uns auch stark von der Konkurrenz», so Rossi. «Die künstliche Intelligenz ist bei der Diagnose ein sehr wichtiger Teil, aber wir sind der Ansicht, dass das nicht das einzige sein darf.» Es brauche bei der Behandlung ein Team, das zusammen für die Patienten arbeitet. Und innerhalb dieses Behandlungskonstrukts gibt es neben klinischen auch zahlreiche administrative Aufgaben. «Das muss alles gut zusammenarbeiten», so die Geschäftsführerin. Die Bild­erkennungs-AI selbst unterstützt das Personal übrigens nicht nur bei der Diagnose, sondern übernimmt auch weitere Aufgaben, wie etwa die Qualitätssicherung. Die Kontrolle der Mammographiebilder, die scharf und gut geknipst sein müssen, ist ein offenkundig unbeliebter Task für die Ärzte, den die AI ebenfalls erledigen kann.


Auch kann das System den beteiligten Fachkräften gezieltes Feedback zurückgeben. Rossi nennt ein Beispiel: «Die medizintechnische Assistenz (MTA) etwa, die nahe an den Patienten ist, die Mammographie-Aufnahmen und die nachgelagerten Ultraschalluntersuchungen mit ihnen macht, braucht Feedback, ob die Aufnahme gut ist.» Auch hier hilft die AI. Weiter generiert B-Rayz auch ­automatisierte Reports oder gesammelte Informationen zu den Behandlungen, die für das Reporting benötigt werden. Rossi fasst zusammen: «Was wir machen, ist eine komplette Digitalisierung des ganzen Prozesses.»

Der B-Box Server

Das Produkt, das B-Rayz seinen Kunden verkauft, ist damit primär eine modulare Software-Plattform mit den besagten AI-Kapazitäten. Diese wird vorinstalliert auf einem Mini-Server geliefert, «damit die heiklen Daten nicht in einer Cloud landen», so Cristina Rossi. Über Schnittstellen zapft die Lösung die Datenquellen der Klinik an und kann sich auch in zentralisierte Netzwerke von Gesundheitseinrichtungen einklinken. Der Server sammelt die verschiedenen Daten, verarbeitet diese lokal und verteilt die Antworten wieder an die verschiedenen vordefinierten Rollen. Diese basieren auf Nutzerprofilen mit unterschiedlichen Berechtigungen.


Die diagnostischen Elemente der modularen Plattform müssen dabei selbstverständlich eine CE-Zertifizierung haben, die administrativen unterliegen zwar nicht zwingend Regulatorien, dafür aber der sehr strengen Kontrolle in der Entwicklung von B-Rayz selbst, wie Rossi betont.

Genauer als der Arzt

B-Rayz verspricht seinen Anwendern eine schnellere Erledigung der anfallenden Aufgaben. Das bedeutet etwa weniger Rückfragen sowie automatisierte Reports, was laut der Geschäftsführerin 20 bis 25 Prozent Zeitersparnis ermöglicht. Bei der Brustkrebserkennung hingegen profitierten die Patienten von einer genaueren Diagnostik dank der Zweitmeinung. «Dadurch gibt es weniger falsch positive und weniger falsch negative Ergebnisse bei der Diagnose», so Rossi. In medizinischen Publikationen wurde nachgewiesen, dass die AI sogar besser performt als ein einzelner Radiologe. Getestet wurde das etwa, indem die Einschätzung der AI mit den Konsensus-­Ergebnissen zweier Radiologen verglichen wurde. Der Algorithmus erreicht demnach eine Genauigkeit von bis 98 Prozent. Ärzte hingegen kommen, je nach Erfahrung, auf 80 bis 95 Prozent Genauigkeit, wie Rossi festhält.


Wichtiges Detail: Die AI hat in diesem Kontext nie das letzte Wort, sie dient lediglich als Zweitmeinung für das Behandlungs-Team. Der Spezialist muss stets die letzte Entscheidung treffen und verantwortet diese damit auch.

Verbreitung und Konkurrenz

B-Rayz ist heute bereits in der Schweiz und in Norwegen auf dem Markt. «Unser nächstes Ziel sind die anderen grossen Gesundheitsmärkte in Europa – also Deutschland und die Niederlande. Der darauffolgende Schritt wird dann der US-Markt sein», so Cristina Rossi zu den Expansionsplänen.

«Was uns von der Konkurrenz abhebt ist, dass wir eben nicht nur die computergestützte Diagnose anbieten, sondern das ganze Team unterstützen. Das macht uns einzigartig auf dem Markt», so Rossi. Der Einbezug des Teams und aller Prozesse gestalte den Verkauf entsprechend einfacher, wenn man den Kundenkontakt einmal hergestellt habe, wie sie ausführt.

Gründung

Das Gründerteam von B-Rayz besteht aus drei Personen. CEO Cristina Rossi selbst ist Physikerin, arbeitete aber meist im medizinischen Bereich als Data Analyst. Die technische Entwicklung wird von CTO Alexander Ciritsis geleitet, der ebenfalls einen Hintergrund als Physiker hat und als Entwicklungs- und AI-Spezialist das dreiköpfige Entwicklungsteam anführt. Der dritte Gründer ist derweil Andreas Boss, Professor und Leiter der Brustkrebsabteilung am Unispital Zürich, aus der das Unternehmen als Spin-off hervorgegangen ist. Boss hatte den Impuls zur Entwicklung und Gründung nach etwa eineinhalb Jahren Forschungsarbeit gegeben, 2019 wurde B-Rayz ins Leben gerufen. Daneben arbeitet derzeit noch eine siebte Person in der Qualitätssicherung von B-Rayz, die das Team komplettiert.

Unterstützt wird das Start-up von einer Reihe von Beratern aus der Wirtschaft und wird unter anderem von Innosuisse, der Gebert Rüf Stiftung und dem Innovation Management des Unispitals Zürich gefördert. Damit kann B-Rayz in der aktuellen Wachstumsphase optimal von seinem umfassenden Netzwerk aus Experten, Unternehmen und weiteren Partnern profitieren.


Die Gründung wurde aus eigenem Kapital gestemmt, eine grosse Finanzierungsrunde über drei Millionen Franken für die Expansion von B-Rayz läuft derzeit. Mit dem Break-even rechnet Rossi vor Ende 2023, vorausgesetzt, dass die Expansion nach Deutschland und Holland rund läuft.

Neben der Entwicklung weiterer Module – wie dem Ultraschall-Modul, das derzeit in der Zertifizierung steckt und Anfang 2022 auf den Markt kommen soll – will man bei B-Rayz mit dem neuen Geld nun die kundenorientierten Bereiche wie Marketing und Sales ausbauen.

«Es gibt für B-Rayz keine Grenzen der Kreativität», gibt Rossi sichtlich motiviert zu Protokoll, als sie nach der Zukunft ihres Unternehmens gefragt wird. Sie kann sich etwa vorstellen, dass sich die Zielgruppe von B-Rayz von den Fachkräften auf die Patienten ausweiten wird. «Unsere Technologie erlaubt es, die Patienten über unsere Plattform mit einzubeziehen. Die nächste Generation von B-Rayz wird daher eine sein, die den Patienten näherkommt.» (win)


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