Alternative Recruiting-Methoden

Auch während Corona gilt: Top-Talente sind der grösste Wettbewerbsvorteil, den ein Unternehmen haben kann. Mit alternativen Recruiting-Methoden finden Unternehmen schnell die geeigneten Kandidaten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2021/05

     

Für viele Unternehmen hat das Recruiting höchste Priorität. Gleichzeitig hat es sich jedoch zu einer der grössten Herausforderungen entwickelt – erst recht mit dem Ausbruch der Coronapandemie, die die Lage auf dem Arbeitsmarkt in der Schweiz gravierend verändert hat. Auch wenn in der ersten Welle der Pandemie die Zahl der offenen Stellen – bedingt durch die vorherrschende Unsicherheit – deutlich gesunken ist, besteht in einigen Berufszweigen dennoch ein Fachkräftemangel – beispielsweise in den Bereichen Ingenieurwesen, Technik, Humanmedizin und Pharmazie, Treuhand sowie Informatik. Dies zeigt der Fachkräftemangel-Index der Adecco Gruppe Schweiz und des Stellenmarkt-Monitors Schweiz der Universität Zürich. Dieser Fachkräftemangel bedeutet damit automatisch ein Risiko für die Leistungsfähigkeit von Unternehmen.


Für Personaler ein Grund mehr, traditionelle Einstellungsverfahren ad acta zu legen und stattdessen auf alternative Recruiting-Methoden zu setzen, um neue Mitarbeiter für sich zu gewinnen. Dazu gehörenTechnologie-basierte und gamifizierte Massnahmen sowie Mitarbeiterempfehlungen.

Von KI bis VR: Technologie­basierte Personalbeschaffung

Neue Technologien beeinflussen den gesamten Recruiting-Prozess nachhaltig – von der Stellenplanung über das Sourcing und die Auswahl geeigneter Talente bis hin zum Onboarding. Schliesslich erhöhen sie die Effizienz der Einstellungsverfahren und können die Personalbeschaffungskosten sowie den Zeitraum bis zur Einstellung des neuen Mitarbeiters reduzieren. Sie fördern zudem die Vielfalt und Qualität des Talent-Pools, da Vorurteile und Entscheidungen aufgrund persönlicher Präferenzen ausgeschlossen werden können. Auch spezifische Kompetenzen können dank solider und umfassender Tests besser evaluiert werden.

Unter den zahlreichen Technologien, die von Personalern zur Optimierung der Personalbeschaffung eingesetzt werden, stechen drei als besonders innovativ hervor: Künstliche Intelligenz (KI), Video-Vorstellungsgespräche und virtuelle Realität (VR).


Mit Hilfe von KI können Bewerbungen schneller gefiltert, passende Talente identifiziert sowie Kandidaten und Vorstellungsgespräche priorisiert werden. Vor allem KI-basierte Video-Vorstellungsgespräche erfreuen sich wachsender Beliebtheit, denn so lassen sich das Vokabular, die Intonation sowie die Gesten der Bewerber mit Predictive Analytics bewerten. Personaler sind anschliessend in der Lage, diese Ergebnisse mit den Eigenschaften der Leistungsträger im Unternehmen zu vergleichen und so den besten Bewerber für die offene Position zu finden.

Virtual Reality simuliert reale Situationen und Szenarien und ist damit ein leistungsstarkes Tool, das es Bewerbern ermöglicht, ihr potenzielles Arbeitsumfeld auf einzigartige Weise zu entdecken. Gerade hier steigt die Anzahl interessierter Kandidaten deutlich.

Bevor sich Recruiter mit neuen Technologien auseinandersetzen, sollten sie vorab jedoch prüfen, ob diese für das eigene Unternehmen geeignet sind. Spielen neue Technologien beispielsweise generell noch eine eher untergeordnete Rolle, könnte es schwierig werden, Mitarbeiter einzubinden und deren Unterstützung für das Projekt zu erhalten. Sie sollten ausserdem beachten, dass entsprechende Lösungen dazu neigen, Bewerber mit ähnlichen Profilen vorzuschlagen, was zu einem Mangel an Vielfalt führen kann. Zudem eignen sie sich für die Erfassung von Soft Skills weniger gut, hier liegt der Fokus vorwiegend auf Hard Skills.

Spielerisches Kennenlernen über gamifiziertes Recruiting

Gamifizierte Ansätze eignen sich besonders dann, wenn es darum geht, spezifische Kompetenzen, Soft Skills und Persönlichkeitsmerkmale der Kandidaten zu bewerten. Sie sorgen für ein bereicherndes und spannendes Bewerbungsverfahren und optimieren so die Candidate Experience. Online-Spiele sind dabei besonders beliebt, da die Talente das jeweilige Unternehmen über verschiedene Rätsel und Aufgaben besser kennenlernen können. Personaler haben ausserdem die Chance, in mehreren Welten den Bewerbern die Unternehmenskultur und die Arbeitsweise näher zu bringen.

Wettbewerbe sind ebenfalls eine spannende Möglichkeit, die Kompetenzen und das Verhalten der Kandidaten zu beurteilen. Das ist sowohl als Präsenzveranstaltung umsetzbar, bedingt durch die aktuelle Situation aber auch online. In einem Escape Game, in dem Bewerber in einer bestimmten Zeit verschiedene Rätsel lösen müssen, erkennen Recruiter beispielsweise schnell Fähigkeiten im Bereich Problembewältigung und kreatives Denken.


Was Personaler allerdings beachten sollten: Bei derartigen Massnahmen handelt es sich um zeitintensive Projekte, die viel Planung, Koordination, Manpower sowie ein entsprechendes Budget erfordern. Für einzelne Stellen und Personalabteilungen mit kleinem finanziellem Spielraum lohnt sich der Aufwand daher nicht. Auch die eigene Unternehmenskultur sollte berücksichtigt werden. Ist ein Unternehmen sehr innovativ ausgelegt, erwarten Bewerber im Umkehrschluss eine moderne Arbeitsweise und entsprechende Recuriting-Methoden. Ist die Unternehmenskultur eher traditioneller Natur, sollten die Einstellungsverfahren dementsprechend dazu passen.

Empfehlungen sind zentral – erst recht von Mitarbeitenden

Die besten Botschafter und Fürsprecher, die ein Unternehmen haben kann, sind immer noch die eigenen Mitarbeiter. Sie sind über ihre persönlichen und beruflichen Netzwerke in der Lage, geeignete Talente weiterzuempfehlen. Denn häufig kennen gute Leute andere gute Leute. Laut einer Studie von Jobvite ist die Konversionsrate, die aus Bewerbern neue Mitarbeiter macht, bei Mitarbeiterempfehlungen sogar am höchsten. Darüber hinaus bleiben empfohlene Mitarbeiter dem Unternehmen häufig länger treu.

Mitarbeiterempfehlungen haben sich damit als schnelles, wirksames und kosteneffizientes Instrument erwiesen, neue Talente an Land zu ziehen. Der Bewerber erhält im Gegenzug Informationen zur Unternehmenskultur aus erster Hand und vor allem von einer vertrauenswürdigen Quelle. Unternehmen sind so in der Lage, ihren eigenen Talent-Pool auszubauen und geeignete Mitarbeiter zu finden. Auf der anderen Seite verfügen sie über ein Tool zur Mitarbeiterbindung. Denn über Empfehlungsprogramme kommt bestehenden Mitarbeitern eine wichtige Rolle im Recruiting-Prozess zu. Ein Bonus, sollte der empfohlene Kontakt tatsächlich eingestellt werden, tut sein Übriges.

Die richtigen Grundlagen

Neue Recruiting-Methoden bieten ohne Frage viele Vorteile. Unternehmen sollten dabei jedoch einige Spielregeln beachten:

1. Ziele festlegen:
Hier sollten Personaler bedenken, dass sich die Strategie an den jeweiligen Zielen orientieren muss und nicht umgekehrt. Ausserdem sollten sich Unternehmen fragen, ob alternative Methoden wirklich den Unterschied machen. Möchte ein Unternehmen beispielsweise nur die Kosten je Einstellungen senken, funktioniert das in der Regel mit herkömmlichen Verfahren genauso gut.


2. Bewerbungsprozesse verfeinern:
Die Candidate Experience startet mit dem Tag, an dem sich ein Kandidat bewirbt. Für Personaler bedeutet das, ­sicherzustellen, dass er an den wichtigsten Kontaktpunkten optimal abgeholt wird. Sie sollten sich dazu in den Bewerber hineinversetzen, um seine Bedürfnisse, Erwartungen und Probleme besser zu verstehen, und im Anschluss den Bewerbungsprozess skizzieren und an den wichtigsten Kontaktpunkten arbeiten.

3. Die richtige Recruiting-Software:
Eine geeignete Lösung ist im Recruiting-Prozess unabdingbar. Sie organisiert und verwaltet nicht nur sämtliche Einstellungsprozesse, sondern unterstützt zudem bei der Optimierung dieser Prozesse und automatisiert repetitive Aufgaben.

4. Kollaborative Verfahren:
Recruiting ist keine One-Man-Show. Stattdessen gilt es, eng mit den jeweiligen Fachabteilungen zusammenzuarbeiten und ihnen Einblicke in Ziele und Fortschritte zu geben. Es ist entscheidend, dass sie jeden Schritt des Verfahrens unterstützen. Beim Entwurf eines Programms für Mitarbeiterempfehlungen sollten Personaler auch den Aufbau eines internen Botschafternetzwerks in Betracht ziehen.

5. Ergebnisse messen und Erfolge ­bewerten:
Generell gilt: Flexibel bleiben und ausprobieren – gerade, wenn es um alternative Recruiting-Methoden geht. Personaler sollten zusätzlich ein robustes Verfahren zur Messung der Ergebnisse entwickeln und Erfahrungen für kontinuierliche Verbesserungen nutzen.

6. Mitarbeiterzentrierte Vorgehensweise:
Der Mitarbeiter sollte trotz allem stets im Mittelpunkt stehen – erst recht bei der Verwendung von Technologien wie künstliche Intelligenz. Bewerber haben hier stets Vorrang, Personaler sollten diese Beziehung dementsprechend von Anfang an pflegen.

Fortschritt oder Mode-Erscheinung?


Die Personalbeschaffung entwickelt sich mit neuen Technologien und Tools stetig weiter. Mit alternativen Recruiting-Methoden wie Technologie-basierte Massnahmen – gamifizierte Personalbeschaffung oder Mitarbeiterempfehlungen – können sich Unternehmen von der Konkurrenz abheben, ihre Arbeitgebermarke fördern und so ihre Recruiting-­Ziele einfacher erreichen. Die Grundlagen bleiben dennoch gleich. Daher ist am Ende des Tages entscheidend, wie Unternehmen ihre Recruiting-Strategie planen und umsetzen.

Der Autor

Elton Schwerzel ist Managing Director DACH bei Talentsoft, einem Anbieter von SaaS-Anwendungen im Bereich HR- und Talentmanagement. Er blickt auf mehr als 20 Jahre Berufserfahrung im Software-Sektor, unter anderem in Management-Positionen bei SAP, Opentext und Workday, zurück. Der ausgebildete Fachinformatiker und Betriebswirt leitet das DACH-Team von Talentsoft von Köln aus und verantwortet die strategische Entwicklung innovativer Software-Lösungen.


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Vor wem mussten die sieben Geisslein aufpassen?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER