Der in dieser Form seit 2018 nicht mehr existente Chiffriergerätehersteller
Crypto mit Sitz in Zug war mehr als der Schweizer Weltmarktführer für Verschlüsselungs-Equipment: Der US-Geheimdienst CIA und zu Beginn auch der deutsche Bundesnachrichtendienst BND kontrollierten ab Anfang der 1970er-Jahre die Firma über eine Liechtenststeiner Stiftung. Dies ergaben Recherchen des "ZDF", "SRF" und der "Washington Post". Basis für die Erkenntnisse waren Dokumente, die so genannten Cryptoleaks, die dem deutschen Journalisten Peter F. Müller 2019 zugespielt wurden. Verdachtsweise war allerdings schon seit den 1990er-Jahren die Rede davon, dass Crypto von US- und deutschen Geheimdiensten infiltriert war.
Demnach gab es von den Crypto-Geräten jeweils zwei Varianten: Eine sichere, die etwa in der Schweiz zum Einsatz kam, und eine manipulierte, die mit einer Backdoor zuhanden der Geheimdienste ausgestattet war. Diese verkaufte Crypto etwa an Staaten im Nahen Osten und in Südamerika. Die Kunden setzten neben der anerkannten Spitzentechnologie von Crypto auch auf die Neutralität des Entwicklungs- und Produktionsstandorts Schweiz – und müssen nun einsehen, dass sie herb getäuscht wurden. So sei der Datenabgriff via Backdoor etwa bei den Verhandlungen um die US-Geiseln im Iran, bei der US-Invasion in Panama oder bei der Aufklärung Libyscher Terroranschläge gegen die USA genutzt worden. Die "Washington Post"
spricht vom "Spionage-Coup des Jahrhunderts".
Laut
SRF-Sendungen wie "10 vor 10" und "Rundschau" hat der in der Kohl-Ära für die deutschen Geheimdienste verantwortliche Kanzleramtsminister Bernd Schmidbauer ("Es war eine sehr gelungene Operation") die Spionageoperation "Rubicon" via Crypto bestätigt. "10 vor 10" merkt zudem an, es seien sowohl hohe Beamte des schweizerischen militärischen Nachrichtendienstes als auch Schlüsselpersonen der Schweizer Regierung bereits in den frühen 1990er-Jahren im Bild über die Verstrickung von Crypto und Geheimdiensten gewesen. Der heutige Schweizer Nachrichtendienst NDB betont, er existiere ja erst seit 2010 und könne nichts zu seinen Vorgängerorganisationen sagen. Das VBS hat eine Untersuchung eingeleitet und Mitte Januar 2020 den Ex-Bundesrichter Niklaus Oberholzer damit betraut. Er soll bis Ende Juni einen Bericht abliefern. Die aktuelle VBS-Chefin Viola Amherd will Mitte August 2019 erstmals von Gerüchten rund um Crypto gehört und Ende Oktober detailliertere Informationen dazu erhalten haben.
(ubi)