"Wir lagern unser Service-Geschäft in eine Service GmbH aus." Diese Entscheidung trafen in den zurückliegenden Jahren zahlreiche Hersteller von Maschinen und Computeranlagen sowie Industriedienstleister – auch weil sie registrierten: Andere Unternehmen verdienen sich mit dem Warten der Anlagen und ähnlichen Service-Leistungen eine "goldene Nase".
Meist war denn auch mit dem Gründen einer Service GmbH oder dem Umwandeln der Service-Abteilung in ein Profitcenter die Erwartung verknüpft, mit Service-Leistungen höhere Umsätze und Erträge zu erzielen. Eine begründete Annahme! Doch leider wurde bei den Umstrukturierungsentscheidungen oft nicht ausreichend bedacht, welch strategische Bedeutung der Service für den Auf- und Ausbau von Kundenbeziehungen und das Akquirieren von Folgeaufträgen hat – gerade im B2B-Bereich.
Interessenkonflikte zwischen Service und Vertrieb
In der Praxis ergeben sich aus dem Auslagern des Service-Geschäfts beim Betreuen der Kunden oft Probleme, da Vertrieb und Service dann partiell unterschiedliche Interessen und Ziele haben.
Ein Beispiel: Eine eigenständige Service GmbH lebt – vereinfacht formuliert – davon, dass sie Hard- und Software wartet beziehungsweise repariert. Deshalb ist sie nicht unglücklich darüber, wenn an einer Maschine oder Computeranlage häufig Störungen auftreten. Denn dies bedeutet für sie mehr Aufträge, also mehr Umsatz. Und das prägt nicht selten das Verhalten ihrer Mitarbeiter im Arbeitsalltag und Kundenkontakt. Das Interesse der Vertriebsmitarbeiter hingegen ist ein anderes. Sie möchten, dass die verkauften Anlagen und Systeme möglichst störungsfrei laufen, damit die Kunden zufrieden sind und ihnen Folgeaufträge erteilen.
Ein weiteres Beispiel: Angenommen, ein Kunde ruft bei einem Hardware-Hersteller an und sagt: "Die Anlage, die Sie uns verkauft haben, macht seltsame Geräusche. Kann ein Techniker von Ihnen mal vorbeikommen?" Dann antwortet der Key-Accounter, wenn der Service dem Vertrieb unterstellt ist: "Kein Problem. Ich schicke jemanden vorbei." Eher zögerlich ist er mit einer solchen Antwort, wenn der Service eine eigenständige Unternehmung oder ein Profitcenter ist. Denn dann denkt er fast automatisch: "Wenn ich dem Service-Leiter sage 'Fahrt da mal hin', wird er erwidern: Gerne. Doch dafür brauchen wir zunächst einen Auftrag, und das kostet Euch beziehungsweise Euren Kunden soundsoviel." Also ist für den Key-Accounter zumindest die Versuchung gross, den Kunden zu vertrösten.
Service für Kundenzufriedenheit und -bindung wichtig
Dieses Zögern spürt der Kunde. Also denkt er irgendwann: "Wenn die mir den gewünschten Service nicht bieten, dann beauftrage ich ein anderes Unternehmen damit." Er kontaktiert also bei Neu- oder Ersatzanschaffungen entweder einen anderen Anbieter oder ist schnell zu einem Anbieterwechsel bereit, wenn ihm ein anderes Unternehmen ein entsprechendes Angebot unterbreitet.
Immer wieder sollten sich deshalb gerade Hersteller beziehungsweise Anbieter von Maschinen- und Computeranlagen vor Augen führen, dass die Qualität ihres Services weitgehend darüber entscheidet, wie intensiv die Bindung ihrer Kunden an ihr Unternehmen ist, und dass der Service eine zentrale Bedeutung für das Absichern des Neu- und Ersatzgeschäfts hat. Nur sekundär sollte er deshalb dem Erzielen von zusätzlichen Deckungsbeiträgen dienen. Folglich sollte der Service in der Regel dem Vertrieb unterstellt sein (und bleiben) – und nicht in eine eigenständige GmbH ausgelagert werden.
Möchte ein Unternehmen den Verkauf von Serviceleistungen vorantreiben, ist es meist erfolgsversprechender, in den Zielvereinbarungen im Vertrieb zum Beispiel festzuschreiben, dass 25 Prozent des Umsatzes (bzw. Deckungsbeitrags) mit Service-Leistungen erzielt werden sollen. Und häufig empfiehlt es sich, zum Forcieren der Neukunden-Akquise eine Ergänzung hinzuzufügen, beispielsweise, dass ein Drittel aus Kontrakten mit Mitbewerberkunden stammen muss – denn der Service ist oft der Hebel, um Mitbewerbern Kunden abzujagen.
Doch wie kann der Vertrieb von Service-Leistungen vorangetrieben werden? Um dieses Ziel zu erreichen, ist meist eine Einstellungsänderung der Vertriebs- und Service-Mitarbeiter auf mehreren Ebenen nötig. Zum einen gilt es, ihnen zu vermitteln, welche zentrale Bedeutung der Service für die Kundenbindung und den Aufbau neuer Kundenbeziehungen hat. Zum anderen gilt es, bei ihnen mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass sich der Service weitgehend auf das Instandhalten der Maschinen und Anlagen reduziert.
An Kundenwunsch orientierte Service-Konzepte
Ein guter Service umfasst mehr. Denn letztlich haben Industriekunden kein Interesse an den Service-Leistungen, die mit dem Instandhalten verbunden sind. Sie sind für sie nur ein Mittel, um übergeordnete Ziele zu erreichen. Industriekunden wünschen sich, dass die von ihnen gekauften Maschinen und Anlagen störungsfrei laufen – also ihre Funktion in der Organisation erfüllen. Sie erwarten zudem, dass die gekauften Maschinen und installierten Anlagen so funktionieren, dass sie mit ihnen möglichst effektiv – also zeit- und kostensparend sowie ihren Qualitätsanforderungen entsprechend – arbeiten können. Die Kunden wünschen sich also eine hohe Verfügbarkeit und niedrige Prozesskosten. Dies gilt es, den Vertriebs- und Service-Mitarbeitern zu vermitteln.
An den genannten Punkten sollten denn auch alle Überlegungen ansetzen, die darauf abzielen, den Kunden passgenaue Service-Angebote zu unterbreiten. Diese können abhängig vom Bedarf des Kunden und davon, welche Bedeutung die Maschinen und Anlagen für dessen Leistungserbringung haben, völlig unterschiedlich sein.
Zwei Beispiele aus der Praxis
Hierfür zwei Beispiele. Angenommen, eine Maschinen- oder Computeranlage hat für die Leistungserbringung eines Kunden eine geringe Relevanz. Das heisst, wenn sie ausfällt, liegen nicht seine Produktion oder Geschäftstätigkeit lahm. Dann kann die Service- und Instandhaltungsstrategie zum Beispiel lauten: Wir inspizieren und warten die Anlage nicht proaktiv. Wir reparieren sie vielmehr im Bedarfsfall, also wenn sie ausfällt, oder tauschen sie dann binnen 24 Stunden gegen eine neue aus.
Beim zweiten Beispiel ist die Annahme, dass die Anlage für die Leistungserbringung eines Kunden von zentraler Bedeutung ist. Dann könnte die Service-Strategie und das damit verbundene Service-Angebot lauten: Wir tauschen Komponenten, die nach einer Laufzeit von sieben oder acht Monaten meist verschlissen sind (oder ein Update benötigen) jedes Halbjahr aus, um die Zahl der Störungen zu minimieren. Und wenn am Funktionieren der Anlage der gesamte Geschäftsbetrieb hängt? Dann könnte die Service-Strategie lauten: Wir nehmen jedes Halbjahr einen Austausch aller Verschleissteile vor, und inspizieren zudem im 2-Monats-Rhythmus die Komponenten A, B und C, um sie abhängig von ihrem Verschleiss zu erneuern.
Den Nutzen aufzeigen und vorrechnen
Das Entwickeln solch differenzierter Service-Konzepte (mit dem Kunden), die letztlich die Basis von Wartungsverträgen sind, ist eine Vertriebsaufgabe. Vertriebsaufgabe ist es auch, den Kunden die hinter den Wartungsverträgen steckenden Service-Leistungen zu "verkaufen". Das Problem hierbei: Oft ist den Kunden die Bedeutung der einzelnen Service-Leistungen für das Erreichen ihrer Ziele "hohe Verfügbarkeit" und "Minimierung der Prozesskosten" nicht bewusst. Deshalb neigen sie dazu, die zuweilen auch gesetzlich vorgeschriebenen Wartungs- und Service-Verträge beim billigsten Anbieter abzuschliessen und möglichst kurze Laufzeiten zu vereinbaren.
Also stehen die Vertriebsmitarbeiter vor der Herausforderung, den Kunden aufzuzeigen, welche Bedeutung die Service-Leistungen für das Erreichen ihrer übergeordneten Ziele haben. Hierfür müssen sie die Prozesse und Abläufe in der Kundenorganisation kennen und wissen, welche Relevanz die dem Kunden verkauften Maschinen und Anlagen für dessen Leistungserbringung haben. Denn nur dann können sie ihm aufzeigen, welche Konsequenzen sich für ihn ergeben, wenn eine Komponente defekt ist. Hierin müssen Vertriebsmitarbeiter geschult werden.
Die Leistung sichtbar und erfahrbar machen
Ein weiterer Grund, warum Kunden oft den Nutzen und somit Wert eines guten Services nicht sehen, ist, dass eine gute Instandhaltung und Wartung sich gerade darin zeigt, dass im Betriebsalltag kaum Störungen auftreten. Deshalb fragen sich die übergeordneten Entscheider zuweilen: "Warum sollen wir so viel Geld für das Inspizieren und Warten ausgeben? Es läuft doch alles wie geschmiert."
Eine Ursache hierfür ist: Nach ihrem Eintreffen beim Kunden verschwinden die Service-Mitarbeiter der Lieferanten meist in den Büroetagen oder Werkshallen, um dort ihre Arbeit zu verrichten. Anschliessend fahren sie entweder wieder nach Hause oder zu einem anderen Kunden. Der Geschäftsführer oder kaufmännische Leiter des Kunden begegnet also den Service-Mitarbeitern in der Regel nicht. Deshalb ist ihm oft nicht klar, welche Arbeiten diese im Hintergrund verrichten, damit sein Unternehmen zum Beispiel das übergeordnete Ziel "störungsfreier Geschäftsbetrieb" erreicht. Das Einzige, was er Monat für Monat sieht, ist, wie viel Geld sein Unternehmen für die Wartung bezahlt. Also ist bei ihm die Versuchung gross, hier den Rotstift anzusetzen. Deshalb ist es wichtig, mit den Service- und Vertriebsmitarbeitern Strategien zu erarbeiten, wie die für den Kunden erbrachten Leistungen für diesen sichtbar gemacht werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Wartung (teils) per Fernwartung erfolgt.
Der Autor
Peter Schreiber ist Inhaber der auf den Vertrieb von Industriegütern und -dienstleistungen spezialisierten Management- und Vertriebsberatung Peter Schreiber & Partner, Ilsfeld bei Heilbronn (
www.schreiber-training.de).
(Quelle: Peter Schreiber & Partner)