"Swiss IT Magazine": Wie stark beschäftigt Noser Engineering das Thema Fachkräftemangel auf einer Skala von 1 bis 10?Geri Moll: Zwischen 6 und 9 – je nach Standort. Am Standort Winterthur, unserem Stammhaus, finden wir die benötigten Fachkräfte relativ gut. Unser Name ist in der Region bekannt und etabliert, das Einzugsgebiet mit dem ganzen Nordostraum sowie mit Zürich gross. Auf dem Platz Bern hingegen ist es enorm schwierig, gute Fachkräfte zu finden, und auch in Luzern ist es nicht viel einfacher.
Das hängt womit zusammen?Sicher mit der erwähnten Bekanntheit. Hinzu kommt, dass sich im Grossraum Zürich mit der ETH, der Uni und den Fachhochschulen in Olten, Rapperswil und Zürich auch mehr Spezialisten finden, wie wir sie suchen. In Bern gibt es weniger Schulen mit Fokus auf IT, und es gibt eine Handvoll grosse Firmen wie Swisscom und die SBB, die die wenigen vorhandenen Talente absorbieren.
Noser ist im Bereich Aus- und Weiterbildung selbst sehr aktiv. Warum ist das Thema für Noser Engineering so wichtig?Es gibt einen Spruch oder Witz, wenn man will, der das Ganze sehr schön illustriert: Der Finanzverantwortliche und der Linienvorgesetzte sprechen über Weiterbildung. Sagt der Finanzverantwortliche: 'Wir investieren so viel in Weiterbildung unseres Mitarbeiters, und nun stell dir vor, er geht.' Worauf der Linienvorgesetzte antwortet: 'Ja schon, aber stell dir vor, wir investieren nichts, und er bleibt.' Im Wesentlichen geht es um zwei Dinge: Zum einen wollen wir uns über die Weiterbildungsmöglichkeiten als attraktiven Arbeitgeber positionieren. Und zum anderen ist es für unsere Projekte und unsere Kunden unabdingbar, dass wir immer auf dem neuesten Stand und top ausgebildet sind. Denn wir positionieren uns als Fachleute, und Fachleute hat man nur dann, wenn man sie permanent weiterbildet.
Nicht ganz einfach dürfte die Frage sein, in welche Richtung man die Mitarbeiter weiterbildet. Das ist tatsächlich so. Es braucht einen Radar dafür, in welche Richtung, welche Technologien, Methoden und Sozialkompetenzen man schulen will und wie viele Mitarbeiter in welche Richtung weitergebildet werden. Unsere verschiedenen Kompetenzzentren haben die Aufgabe, einen Technologieradar zu unterhalten – sprich einen Teil ihrer Zeit für die Beobachtung des Marktes aufzuwenden und sich mit dem Verkauf auszutauschen, um herauszufinden, wohin die Entwicklung geht. Basierend darauf entscheiden wir, wo wir mit wie vielen Personen Schulung betreiben und wo wir noch keine und nur kleine Investitionen in die Weiterbildung tätigen. Diese Entscheidungen sind aber nicht immer einfach.
Können Sie nachvollziehen, wenn insbesondere ein kleineres Unternehmen aufgrund laufender Projekte oder der hohen Arbeitsbelastung keine Möglichkeit hat, die eigenen Mitarbeiter weiterzubilden?Den Gedanken kann ich nachvollziehen. Aber ich habe kein Verständnis dafür, dass nicht in die Weiterbildung der Mitarbeiter investiert wird, weil man ein kleines Unternehmen ist. Die Entscheidung, Mitarbeiter zu fördern, darf nicht mit der Firmengrösse zusammenhängen. Auch wir müssen unsere Mitarbeiter aus Projekten nehmen, um sie weiterzubilden. Entsprechend budgetieren wir das fix in der Auslastungs- und Jahresplanung und definieren von Beginn weg eine Anzahl Tage, die nicht umsatzrelevant sind, weil die Mitarbeiter sich weiterbilden. Das muss ein Kleinbetrieb genau gleich machen, ich sehe keinen Grund, warum ein kleines Unternehmen das vernachlässigen sollte.
Sie bieten Schulungen und Seminare unter dem Namen Noser Academy an. Steht dieses Programm nur für eigene Mitarbeiter bereit, und was ist die Idee hinter der Noser Academy?Die Ausbildungen der Noser Academy wurden ursprünglich für unsere interne Aus- und Weiterbildung konzipiert. In Gesprächen mit Kunden merkten wir dann rasch, dass ebenfalls Interesse an den teils sehr spezifischen Kursinhalten, die man in der Form vielleicht nicht unbedingt bei Digicomp und Co. findet, vorhanden ist. Also haben wir die Academy geöffnet. Für uns ist das nicht zuletzt darum spannend, weil unsere Ingenieure mit Ingenieuren der Kunden oder potentiellen Kunden in derselben Ausbildung sitzen und sich persönlich kennenlernen.
Steht die Academy auch Nicht-Kunden offen?Auch wenn ein Nicht-Kunde Interesse an einer Schulung zeigt, ist er sehr willkommen – vielleicht wird er irgendwann ja mal Kunde.
Für einen Informatiker, der sich weiterbilden will, ist es enorm schwierig, durch den Weiterbildungsdschungel in der Schweiz zu blicken. Haben Sie hier eine Empfehlung?Als erstes würde ich ihm empfehlen, eine klare Standortbestimmung zu machen. Wo stehe ich zurzeit und wohin soll sich der Weg mittelfristig bis langfristig entwickeln. Die zweite Frage, die man sich stellen muss: Geht es darum, einen hoch anerkannten Titel zu erlangen und so eine der bekannten Institute zu wählen oder geht es eher darum, spezifisch die Wissenslücken zu schliessen – was dann eher auf eine modulare, spezifisch auf die Bedürfnisse abgestimmte Weiterbildung hindeutet. Weiter abzuwägen gilt, ob jemand lieber im klassischen Schulsystem oder beispielsweise mit Online-Seminaren im Selbststudium lernt. Und wenn all diese Fragen geklärt sind, gilt es, den passenden Anbieter zu finden.
Nebst der Mitarbeiter-Weiterbildung engagiert sich Noser Engineering mit Noser Young auch stark im IT-Nachwuchs.Das ist richtig, die Lehrlingsausbildung ist etwas, das uns am Herzen liegt. Noser Young ist eine vor nahezu zehn Jahren gegründete und eigenständige Firma innerhalb der Noser-Gruppe mit je einem Standort in Bern und Zürich, die ausschliesslich den Zweck hat, Lernende auszubilden. Aktuell befinden sich knapp 90 Lernende bei Noser Young in Ausbildung – alles Informatiker.
Warum eine eigene Firma nur für Lehrlinge?Noser Young ist eine Non-Profit-Organisation und unsere Investition in die Zukunft und in die Gesellschaft von morgen. Die Grundidee ist, Lernende schon von Anfang an praxisbezogen in den Arbeitstag zu integrieren, das ist in der Form einzigartig in der Schweiz. Von den knapp 90 Lernenden stammt rund die Hälfte aus der Noser-Gruppe, die andere Hälfte, die bei uns quasi ein Basislehrjahr absolviert, bilden wir für Partnerfirmen aus. Unser Aushängeschild hierbei ist Google. Google hat vor anderthalb Jahren beschlossen, in der Schweiz Lernende auszubilden – was für einen amerikanischen Konzern nicht selbstverständlich ist – und sich entschieden, diese Lernenden zuerst ein Jahr zu uns zu schicken. So bringen sie bereits ein gutes Basiswissen mit, wenn sie anschliessend ihre Lehre bei Google selbst fortführen. Ähnlich ist die Situation bei Accenture.
Das bedeutet, dass die Lernenden bei Noser Young an realen Projekten arbeiten?Ja, wir bilden die Lernenden möglichst praxisnah aus und realisieren durchaus auch Projekte für Kunden – Webseiten beispielsweise. Und nach den ein bis zwei Jahren, in denen sie bei Noser Young tätig sind, wechseln die Lernenden in den Ausbildungsbetrieb – diejenigen der Partnerfirmen in die jeweilige Firma, die von der Noser Group selbst in eine unserer insgesamt sechs operativ tätigen Firmen der Gruppe.
Ihr Beitrag – Noser Young – reicht wohl nicht aus, um das Problem des Fachkräftemangels in der Schweiz zu lösen. Wenn Sie sich nun die Schweizer Wirtschaft beziehungsweise die Politik und Bildungslandschaft anschauen: Wer könnte in Ihren Augen mehr tun bezüglich Aus- und Weiterbildung im Bereich IT?Da sehe ich verschiedene Ansatzpunkte, etwa den Aufruf "Frauen in die Informatik"! Frauen sind genauso gut aufgehoben in der Informatik wie Männer. Also unbedingt den Frauenanteil erhöhen. Das beginnt beim Interesse wecken bei Mädchen und geht bis in die Auswahl der Studiengänge. Ein Punkt ist sicher auch, dass es heute bereits schwierig ist, offene Lehrstellen im Bereich IT zu besetzen. Für mich bedeutet das, dass der Hebel schon früher angesetzt werden muss, dass der Stellenwert von IT in den Schulen gesteigert und der Informatikberuf in den Schulen gefördert werden müsste. Ich fordere ein obligatorisches Fach Informatik an allen Gymnasien und Sekundarschulen.
Jetzt interessiert uns natürlich noch, wann Sie persönlich sich zum letzten Mal weitergebildet haben?Meinen MBA habe ich 2006 abgeschlossen, das ist also schon eine Weile her. Ich bilde mich primär bei Fachveranstaltungen weiter. Ich muss nicht mehr unbedingt in der Tiefe Bescheid wissen, sondern ich muss wissen, was aktuell auf dem Markt ist und wohin der Weg geht. Dazu eignen sich solche Veranstaltungen optimal, ausserdem sind sie immer auch gute Plattformen, um zu netzwerken, was heute ein wesentlicher Teil meiner Aufgabe ist.
Zum Schluss noch: Welche Fachkräfte sucht Noser Engineering aktuell? Wir suchen erfahrene Ingenieure mit drei bis 15 Jahren Berufserfahrung. Da wir ein breites Technologie- und Branchenportfolio abdecken, sind wir nicht auf spezifisches Know-how fixiert.
Und warum sollen die zu Noser Engineering kommen?Weil die besten Ingenieure den coolsten Arbeitgeber verdient haben – ganz einfach.
Zum Unternehmen
Die Noser Group beschäftigt rund 500 Mitarbeiter, verteilt auf sechs operativ tätige Firmen im Bereich ICT. Das Unternehmen engagiert sich stark im Thema Aus- und Weiterbildung mit Noser Academy und vor allem mit Noser Young – einer eigenen Firma mit knapp 90 Lernenden, die sich allein der Ausbildung von IT-Nachwuchs verschrieben hat. Geri Moll ist seit 1991 CEO von
Noser Engineering und seit 2015 auch im Verwaltungsrat der Noser Group.
(mw)