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Flops bei der ­Personalauswahl vermeiden

Von Christina Seitter

Wenn Unternehmen neue Mitarbeiter beispielsweise im IT-Bereich einstellen, stellen sie zuweilen nach einiger Zeit fest: Der Neue ist doch nicht der Top-Kandidat. Also trennen sich die Wege wieder. Anbei einige Tipps, wie Sie solche kostspieligen Pannen beim Besetzen von Schlüsselpositionen vermeiden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2017/09

     

Wenn der neue Inhaber einer Schlüsselposition sich als Flop erweist, dann entstehen den Unternehmen meist hohe Kosten. Denn dann waren alle Ausgaben für die Personalsuche und -auswahl Fehlinvestitionen. Noch schwerer wiegen jedoch meist die Chaoskosten genannten Folgekosten. Bleibt eine Schlüsselposition längere Zeit verwaist, dann werden meist auch Entscheidungen zu spät getroffen und umgesetzt. Das kann gerade im Zeitalter der digitalen Transformation, während der in vielen Unternehmen ein sehr hoher Veränderungsbedarf besteht, dramatische Konsequenzen haben. Hier einige Tipps, wie Sie Flops bei der Personalauswahl vermeiden.

Tipp 1: Nicht nur auf die ­Fachkompetenz achten

Oft wird bei der Auswahl neuer Mitarbeiter fast ausschliesslich auf deren fachliche Qualifikation geachtet. Zum Beispiel: Was hat der Kandidat studiert? Welche Weiterbildungen hat er durchlaufen? Für welche Unternehmen arbeitete er und in welchen Projekten? Denn die fachliche Kompetenz lässt sich anhand der (Arbeits-)Zeugnisse und der bisherigen Herausforderungen relativ leicht bewerten. Anders ist dies bei Faktoren wie:
• Findet der Bewerber einen Draht zu den Kunden, Mitarbeitern oder Lieferanten des Unternehmens?
• Hat er ein "Feeling" für die Notwendigkeiten in der Organisation?


Dies zu ermitteln, erfordert Zeit und Energie. Doch die Mühe lohnt sich, denkt man an die Kosten einer Fehlbesetzung. Investieren Sie als Personalverantwortlicher deshalb ausreichend Zeit in die Personalauswahl. Dieser Prozess beginnt beim Formulieren der Anforderungen an den neuen Mitarbeiter. Sagen Sie nicht einfach: "Ist doch klar, was ein Software-Entwickler können muss." Überlegen Sie vielmehr: Was muss der Software-Entwickler in unserem Betrieb konkret leisten und folglich können? Denn das kann abhängig davon, ob ihre Organisation ein Konzern oder ein Kleinunternehmen ist, was ihr Geschäftsfeld ist und wie die bestehende IT-Landschaft aussieht, sehr unterschiedlich sein.

Tipp 2: Ein detailliertes ­Anforderungsprofil erstellen

Ermitteln Sie im Vorfeld genau, welche Anforderungen der neue Mitarbeiter erfüllen muss. Zum Beispiel, indem Sie den bisherigen Stelleninhaber, seine Vorgesetzten oder Kollegen befragen. So lassen sich Situationen und Herausforderungen bestimmen, die für die ausgeschriebene Position typisch sind.

Fragen Sie sich auch: Wodurch unterscheidet sich der ideale Stelleninhaber vom Kandidaten, den Sie keinesfalls einstellen möchten? Delegiert der Wunschkandidat zum Beispiel viele Aufgaben, während der andere das meiste selbst erledigt? Hält er sich akribisch an Vorgaben und Projektpläne oder wirft er sie bei Bedarf über Bord? Hat Ihre "Traumbesetzung" Spass am Kundenkontakt, während sich ihr Pendant vor Kundengesprächen drückt?


Analysieren Sie zudem: Welche Einstellung und welche persönlichen Eigenschaften braucht der neue Mitarbeiter, damit er das tun kann, was von ihm erwartet wird? So können Sie auch die sozialen, kommunikativen und persönlichen Eigenschaften ermitteln, die er braucht. Berücksichtigen Sie beim Formulieren des Anforderungsprofils auch die künftigen Anforderungen. Denn Ihr Unternehmen soll sich ja entwickeln. Der neue Mitarbeiter soll vermutlich auch in fünf oder zehn Jahren noch ein Top-Mitarbeiter sein.

Tipp 3: Einen Gesprächsleitfaden entwickeln

Leiten Sie aus dem Anforderungsprofil einen Interviewleitfaden ab und benutzen Sie ihn in allen Auswahlgesprächen. Ein solches Strukturieren und weitgehendes Standardisieren der Gespräche stellt sicher, dass Sie am Schluss die Bewerberprofile gut vergleichen können – weil alle Bewerber dieselben Kernfragen beantwortet haben. Ausserdem tappen Sie seltener in die Falle, dass ein rhetorisch gewandter Bewerber das Gespräch führt und Sie danach feststellen, dass Sie zentrale Fragen nicht gestellt haben.

Tipp 4: Den Bewerbern ­Aufgaben stellen

Stellen Sie den Bewerbern zudem Aufgaben, die typisch für Ihr Unternehmen und die vakante Position sind. Zum Beispiel: "Stellen Sie sich vor, Sie haben nächste Woche eine Präsentation bei einem wichtigen Schlüsselkunden, der sich für eine bestimmte, neue Software-Lösung unseres Unternehmens interessiert. Diese ist aber noch nicht reif zum Präsentieren. Was würden Sie tun?" Durch solche Fragen erfahren Sie, wie die Bewerber solche Problemstellungen lösen würden.

Bewährt hat es sich auch, Bewerbern aktuelle Aufgaben zu stellen, vor denen das Unternehmen steht. Zum Beispiel: "Wir möchten ein neues CRM-System einführen. Wie würden Sie das angehen?"


So wird meist schnell klar, ob der Bewerber der Richtige ist – zumindest wenn Sie Erfahrung im Führen von Gesprächen und Interviewen von Bewerbern haben.

Tipp 5: Die Gesprächsführung trainieren

Untrainierte Führungskräfte erzählen in Personalauswahlgesprächen oft mehr über sich und ihr Unternehmen, als dass sie fragen. Ausserdem stellen sie den Bewerbern zu viele geschlossene Fragen, die diese mit "ja" oder "nein" beantworten können, so dass sie selbst wenig Informationen erhalten. Deshalb sollten ungeübte Interviewer vorher die richtige Gesprächsführung trainieren – sei es in einem speziellen Training oder notfalls in Rollenspielen mit Kollegen, die ihnen anschliessend ein Feedback geben.

Tipp 6: Das Gespräch nicht alleine führen.

Ziehen Sie zu den Auswahl- beziehungsweise Bewerbungsgesprächen mindestens einen Kollegen hinzu. Denn dann kann die Person, die gerade nicht das Gespräch führt, auf die nonverbalen Aussagen des Bewerbers achten, die oft
• aussagekräftiger sind als die verbalen, und
• Stichworte notieren, denn nach dem fünften Interview weiss sonst niemand mehr, was der erste Bewerber gesagt hat.

Tipp 7: Die Gespräche nachbereiten

Wichtig ist auch eine sorgfältige Nachbereitung der Gespräche. Ergänzen Sie nach jedem Gespräch Ihre Notizen. Und stellen Sie nach Beendigung der Auswahlgespräche die Ergebnisse so zusammen, dass Sie die Bewerberprofile gut mit dem Anforderungsprofil vergleichen können. Erstellen Sie, bevor Sie die Entscheidung treffen, ein Ranking der besten Bewerber. Dann haben Sie Alternativen parat, wenn Ihr Wunschkandidat absagt.

Tipp 8: Auf Verstand und Bauchgefühl vertrauen

Sprechen Sie beim Erstellen des Rankings mit Ihren Kollegen auch darüber, warum Sie beim Bewerber A, obwohl er formal alle Kriterien erfüllt, ein "eher schlechtes Gefühl" haben, oder beim Bewerber B den Eindruck, er könne der bessere Mitarbeiter sein, obwohl er einzelne Anforderungen nicht ganz erfüllt. Vergleichen Sie auch Ihre Eindrücke mit den Ergebnissen der Persönlichkeitstests, sofern Sie solche mit den Bewerbern durchgeführt haben. Denn selbst mit der besten Vorbereitung und Gesprächsführung erzielen Sie bei Auswahlgesprächen nie absolut objektive Ergebnisse, denn jeder Bewerber versucht, sich möglichst positiv zu verkaufen. Das heisst, er gibt Ihnen "geschönte" Antworten.


Auswahlgespräche bilden zudem nie den Arbeitsalltag ab. Deshalb sollten Sie auch auf Ihren Bauch hören, wenn er Ihnen sagt: "Dieser Bewerber ist es trotz aller Vorzüge nicht" – jedoch nie ohne sich zuvor zu fragen: Warum sträuben sich mir bei ihm die Nackenhaare? Sonst ist die Gefahr gross, dass Sie die funktionalen Anforderungen aus dem Blick verlieren und rein nach Sympathie entscheiden – was zu den meisten Fehlbesetzungen führt.

Personalauswahlgespräche richtig führen – zwölf Ratschläge

1. Die Vorbereitung ist das A und O. Erstellen Sie ein detailliertes Anforderungsprofil, das neben den fachlichen auch die persönlichen Anforderungen umfasst.
2. Berücksichtigen Sie neben den aktuellen auch die mittel- und langfristigen Anforderungen an den künftigen Stelleninhaber, da sich ihr Unternehmen ja entwickeln wird.
3. Definieren Sie "Muss-Kriterien" – also Kriterien, die der Bewerber auf alle Fälle erfüllen muss.
4. Leiten Sie aus dem Anforderungsprofil einen Gesprächsleitfaden ab. So behalten Sie die Anforderungen im Blick und können die Bewerber gut miteinander vergleichen.
5. Behandeln Sie jeden Bewerber als Gast. Schliesslich bewirbt sich auch Ihr Unternehmen.
6. Führen Sie Personalauswahlgespräche möglichst zu zweit. So minimieren Sie Beurteilungsfehler, die sich zum Beispiel durch persönliche Sympathien ergeben.
7. Stellen Sie dem Bewerber möglichst offene Fragen, die dieser nicht mit einem kurzen "ja" oder "nein" beantworten kann.
8. Fragen Sie ihn auch, wie er sich bestimmten Aufgaben nähern und wie er mit bestimmten Problemen umgehen würde, damit Sie seinen Arbeitsstil einschätzen können.
9. Notieren Sie die Antworten stichwortartig. Sonst verlieren Sie bei mehr als drei Kandidaten die Details aus den Augen.
10. Erstellen Sie nach den Gesprächen ein Ranking der Top-Bewerber.
11. Thematisieren Sie beim gemeinsamen Auswerten der Gespräche auch Ihr "Bauchgefühl". Analysieren Sie, warum Sie bei Bewerber A ein "eher schlechtes" und bei Bewerber B ein "eher gutes" Gefühl haben – jedoch ohne die funktionalen Anforderungen aus dem Blick zu verlieren.
12. Lassen Sie nach dem letzten Personalauswahlgespräch eine Nacht verstreichen, bevor Sie im Team Ihre Entscheidung treffen. Denn mit etwas Abstand sehen Sie die Dinge objektiver.

Die Autorin

Christina Seitter arbeitet als Trainerin und Beraterin für die Managementberatung Müllerschön, Starzeln bei Tübingen (www.muellerschoen-beratung.de). Sie ist auf die Themen Personalauswahl, -diagnostik und -entwicklung spezialisiert.


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