"Wenn ich heute Beamte treffe, gehe ich als Ökonom ins Gespräch und komme als Seelenklempner wieder heraus", tweetete vor kurzem Mariana Mazzucato, ihres Zeichens Wirtschaftsprofessorin und Autorin des Buches "The Entrepreneurial State". Gemeint hat sie damit den Seelenzustand vieler Beamter. Aus der Perspektive der Wirtschaft sind diese nämlich häufig Menschen zweiter Klasse. Aussagen wie "Wenn sie etwas könnten, wären sie in der Privatwirtschaft" oder „Das was sie dank ihrer Monopolstellung machen, geht meist in die Hose oder verschwendet Steuergelder" reflektieren die Grundhaltung treffend. Nicht zuletzt, da sie auch von vielen Medien bei jeder Gelegenheit genüsslich untermauert werden.
Die Konsequenz ist ein Klima der Angst, das ausgesprochen innovationsfeindlich ist. Zu diesem Schluss, wenn auch nicht explizit, kamen die Teilnehmer einer Panel-Diskussion des Public-Innovation-Events in der Cinematte in Bern. Auf Einladung des Labels
Swiss Made Software diskutierten sie am 8. September vor etwa 40 Personen über die Rolle des Staates im Innovationsprozess. Mit dabei waren Thomas Brenzikofer, stellvertretender Leiter von I-net Innovation Networks, Patrick Brändli, Leiter Produktmanagement
Abraxas Informatik, Thomas Flatt, Präsident
SwissICT, Franz Grüter, CEO
Green und Präsident SVP Kanton Luzern, Peter Grünenfelder, Staatsschreiber Kanton Aargau, sowie Reinhard Riedl, Wissenschaftlicher Leiter des Fachbereichs Wirtschaft an der Berner Fachhochschule.
Als Beamter muss man sich mehr als einmal absichern, bevor neue Wege gegangen werden dürfen. Das kostet Zeit und Geld und ist trotzdem nicht immer ausreichend, wie der jüngste Entscheid des Bundesrats zum Thema E-Voting zeigt, so eine Aussage. "Wenn wir uns beim Thema Briefwahl so verhalten hätten, müsste heute immer noch jeder an die Urne", meinte etwa Peter Grünenfelder.
Das es auch anders geht, illustrierte zuvor Reinhard Riedl bei seinem Vortrag zur gelebten Innovation des Beamtentums im skandinavischen Raum. Er hatte dort Feldforschung betrieben und war beeindruckt von der dortigen Kultur der Zusammenarbeit, die sich nicht nur über die Grenze Staat/Privatwirtschaft erstreckt, sondern auch zwischen den Ländern. Dabei handle es sich vielleicht auch um eine Frage der Kultur, meinte er in der anschliessenden Diskussion. Der Vergleich mit der Schweizer Kultur blieb allerdings ungeklärt, denn im Vordergrund steht eher das hiesige Klima der Angst. Lieber nichts tun, bevor man etwas Falsches tut, scheint vielerorts die Devise zu sein.
So könne man vielleicht auch den Mangel an Zielen erklären, meinte Thomas Flatt. Wer immer den Kopf unten halte, wisse auch nicht wohin er wolle. "Auf welchen Mond wollen wir fliegen", fragte er provokativ. Dabei gäbe es auch erfolgreiche Beispiele für Public Innovation – zum Beispiel Airbus. "Hier haben sich die Europäer unter immenser finanzieller Anstrengung entschlossen, kein amerikanisches Monopol zu dulden", so Flatt. Allerdings war er sich nicht sicher, ob die Schweiz allein in die Luft oder den Weltraum vorstossen sollte - ist sie doch trotz hoher Wirtschaftsleistung und Innovationskraft ein kleines Land.
Wenig begeistert von der Idee staatlicher Innovation war Franz Grüter. Seine Unternehmer-Augen sähen am liebsten ein Schweizer Engagement für junge innovative Menschen, denen möglichst wenig Schranken in den Weg gelegt werden. Eine Meinung, die auch Patrick Brändli teilte. Brändli hatte eingangs über die Innovationsbemühungen an der Kundenfront anhand praktischer Beispiele referiert. Häufig sei man hier durch Gesetze beschränkt – das gelte für Beamte genau so wie für Unternehmen. Diese zu ändern, sei schwer und brauche viel Zeit. Als Unternehmen könne man hier am besten mit guten Projekten etwas beitragen. Viele solch kleiner Schritte würden helfen, die Angst vor Veränderungen zu reduzieren und Mut zu schaffen, auch eine Gesetzesänderung in Angriff zu nehmen.
Die Runde kam damit tendenziell zum Schluss, dass es der Schweiz gut täte, mehr für ein Klima des Muts zu tun und Angst zu reduzieren - allerdings nur wenn der Mut angeleitet wird durch konkrete Ziele.