Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – dieser Umstand macht es Innovationen teils schwer, sich durchzusetzen. Einer, der dieses Problem nur allzu gut kennt, ist Luzi Schucan, Gründer und Geschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens Schucan. Das Start-up betreibt den E-Mail-Weiterleitungsdienst Ningo.me, der auf ein neuartiges Konzept setzt: die Bezahlung für elektronische Kommunikation. Das bedeutet, Kunden können eine Gebühr verlangen, damit andere Anwender ihnen E-Mails zustellen dürfen. Ningo.me war bei seinem Launch Schucans Angaben nach der weltweit erste solche Dienst.
«Ningo.me hat für Nutzer zwei Vorteile: Einerseits lässt sich die E-Mail-Flut deutlich eindämmen, da nur Nachrichten von Personen eintreffen, die tatsächlich bereit sind, etwas zu bezahlen, um mit einem in Kontakt zu treten. Andererseits lässt sich damit Geld verdienen», erklärt Schucan. Und er führt aus: «Um über Ningo.me E-Mails empfangen zu können, muss man ein Konto bei uns eröffnen. Mit diesem Konto können anschliessend beliebig viele E-Mail-Adressen aufgesetzt werden. Für jede dieser Adressen kann wiederum ein Betrag festgelegt werden, den Absender bezahlen müssen, damit die Nachricht übermittelt wird.» So kann ein Spezialist seinen Kunden beispielsweise seine Dienste anbieten, ohne dass für beide Seiten ein allzu grosser Aufwand entsteht. Der Kunde zahlt statt einen Stundensatz beispielsweise 20 Franken dafür, dass sich der Spezialist maximal 15 Minuten Zeit nimmt, um die Nachricht zu studieren und eine passende Antwort zu liefern.
Hürden bei der Bezahlung
Als Bezahllösung hat sich das Start-up für Paypal entschieden. «Ursprünglich hatten wir eine komplett eigene Bezahllösung entwickelt, welche auch Micro-Payments erlaubt hätte. So wäre beispielsweise ein Porto von 5 Rappen pro E-Mail möglich gewesen. Dies hat sich aber als blauäugig herausgestellt. Wir hätten hierfür aufgrund der strengen Regulierungen im Finanzmarkt praktisch eine Bank gründen müssen», berichtet Schucan, weshalb man sich überhaupt dafür entschieden hat, die Abwicklung der finanziellen Prozesse auszulagern. Paypal hat schliesslich das Rennen gemacht, da es sich dabei seiner Ansicht nach um die einzige Lösung handelt, die weltweit verbreitet ist und die Auszahlung an Endbenutzer erlaubt. Micro-Payments sind mit Paypal aber nicht möglich, da die Gebühren des Anbieters die Einnahmen der Ningo.me-Nutzer bei zu kleinen Beträgen übersteigen und deshalb im ungünstigsten Fall die Empfänger der E-Mails zur Kasse gebeten werden. Aus diesem Grund musste Ningo.me für die Übermittlung von E-Mails einen Mindestpreis von 70 Rappen festlegen.
Paypal birgt aber noch eine weitere Schwierigkeit: Viele Kunden, welche über ein Paypal-Konto verfügen, können mit diesem zwar bezahlen, aber kein Geld empfangen. «Um festzustellen, ob unsere Kunden in der Lage sind, Geld zu empfangen, muss erst eine Transaktion durchgeführt werden. Wir übermitteln daher allen Neukunden zu Beginn einen Rappen. Ist das Feature für das Empfangen von Geldbeträgen bei ihnen nicht aktiv, erhalten wir anschliessend eine Fehlermeldung», berichtet Schucan.
Kundengewinnung mit Werbung
Neben den finanztechnischen Schwierigkeiten macht dem Ningo.me-Geschäftsführer vor allem die Innovation des Bezahlens für elektronische Kommunikation selbst zu schaffen. Den Leuten sei es bislang völlig fremd, Geld zu fordern, damit andere Personen sie kontaktieren dürfen. Einige Interessenten hätten gar moralische Bedenken geäussert. «Die Menschen sind es sich gewohnt, dass E-Mails kostenlos sind, weshalb es Ningo.me schwer hat, sich durchzusetzen», so Schucan.
Um die Verbreitung und Nutzung des Dienstes voranzutreiben setzt Ningo.me auf Werbung. Einen besonderen Vorteil liefert Schucan dabei der Umstand, dass er bereits über eine erfolgreiche Web-App namens Shrib.com verfügt. «Da die App mir gehört, kann ich selbst entscheiden, welche Werbung ich wem unter welchen Bedingungen und in welcher Form anzeige. Dies bietet mir die ideale Voraussetzung, um potentielle Kunden auf Ningo.me zu lotsen», erklärt er.
Steigern der Nutzerfreundlichkeit
Werbung ist aber nicht die einzige Massnahme, mit der der Ningo.me-Gründer zusätzliche Kunden gewinnen möchte. In Planung ist zudem die Möglichkeit, die Ningo.me-E-Mail-Adresse mit der eigenen Domain zu verknüpfen. Des weiteren sollen der Funktionsumfang weiter reduziert beziehungsweise Features versteckt werden, um die Benutzerfreundlichkeit zu steigern. Letzteres sei nötig, da er bei der Umsetzung des E-Mail-Dienstes einen ungewöhnlichen Weg gewählt habe, meint Schucan. «Ich war zu Beginn vielleicht etwas urschweizerisch geprägt und wollte erst meinen Dienst zur Perfektion bringen, bevor ich ihn für die Masse öffne. Da ich aus diesem Grund lange mit Usability-Tests zugewartet habe und stattdessen nach eigenem Gutdünken stetig neue Funktionen hinzugefügt habe, hat sich schliesslich herausgestellt, dass Ningo.me zu überladen ist», erzählt der Unternehmensgründer ehrlich. «Ich musste daher seit der Veröffentlichung des Dienstes vor gut einem Jahr viele Features zusammenstreichen. Diesen Vereinfachungsprozess werde ich in naher Zukunft fortsetzen.»
Trotz der harten Lektionen, die Schucan während der Umsetzung seines E-Mail-Dienstes erteilt wurden, glaubt er daran, dass sich das Bezahlen für elektronische Kommunikation in Zukunft durchsetzen wird. Er hofft, dann Teil dieser Bewegung zu sein. Bislang wurden jedoch noch keine Transaktionen getätigt. Um sich einen Namen machen zu können, benötigt Schucan seiner Ansicht nach erst einen Benutzer, der den Dienst effektiv lukrativ nutzen kann. «Von diesem Benutzer aus wird der Dienst dank Mund-zu-Mund-Propaganda zu einem Selbstläufer», ist er überzeugt.
Übernahme oder Fusion
Finanzieren möchte sich das Start-up durch Kommissionen. Diese liegen derzeit bei zehn Prozent der Umsätze der Nutzer. Schucan sieht die Entwicklung des Dienstes aber realistisch: «Mit dem aktuellen Widerstand, der gegen das Bezahlen für elektronische Kommunikation herrscht, ist es schwer vorstellbar, dass das Unterfangen schnell rentabel wird. Ningo.me ist bislang eigenfinanziert. Da ich eine Familie habe, werde ich den Dienst auf diese Weise nicht mehr lange Vollzeit weiterentwickeln können.» Aus diesem Grund kann er sich gut vorstellen, den Dienst an einen Big Player der IT-Branche zu verkaufen. «Die Big Player verfügen über die Ressourcen, um das Konzept zu einem Erfolg zu machen», ist er überzeugt.
Eine andere Option stellt die Fusion mit einem der beiden Unternehmen Wrte.io oder Getcomposed.com dar, die inzwischen einen ähnlichen Dienst lanciert haben. Man hätte durch die Kräftebündelung vermutlich eine höhere Durchsetzungskraft. Eine Art Zusammenarbeit besteht bereits: Die Konkurrenten teilen ihre Erfahrungen miteinander und profitieren so gegenseitig von ihrem Wissen. Da die Unternehmen zwar alle die Bezahlung für elektronische Kommunikation zum Ziel haben, hierfür aber unterschiedliche Ansätze verfolgen, geben sie sich noch etwas Zeit. «Wir wollen die unterschiedlichen Dienste erst noch nutzen, um die verschiedenen Reaktionen darauf zu beobachten, bevor wir uns irgendwann vielleicht zusammenschliessen», verrät Schucan abschliessend.
(af)