Schmerzfreie Trennungen

Von Reiner Voss

Vor keiner Aufgabe graut es Führungskräften so sehr, wie Mitarbeitern zu kündigen. Es gibt Wege, solche Gespräche für alle Beteiligten möglichst schmerzfrei zu gestalten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2014/05

     

Am Dienstag lag die Kündigung in meinem Briefkasten. Und am Mittwochmorgen, als ich in die Firma kam? Da wussten meine Kollegen schon alle Bescheid, und schauten betroffen weg, als ich den Raum betrat. Nur mein Chef war nicht da. Der hatte kurzfristig Urlaub beantragt.» So stillos verlaufen Entlassungen selten. Doch viele Führungskräfte scheuen sich, Mitarbeitern deren Kündigung persönlich mitzuteilen. Und ist diese ausgesprochen? Dann gehen sie den Gekündigten aus dem Weg. Das hat Konsequenzen. Der Gekündigte sieht sich und seine Arbeit herabgewürdigt. Er verliert gegenüber seinen Kollegen kein gutes Wort mehr über seinen Arbeitgeber. Und die Arbeitsmoral sinkt auch bei den Kollegen, denn sie befürchten, dass der Arbeitgeber irgendwann auch mit ihnen selbst so verfährt.

Unternehmen sollten deshalb eine notwendige Trennung von Mitarbeitern möglichst fair gestalten. Sie sollten darauf achten, dass das Selbstwertgefühl der zu kündigenden Mitarbeiter gewahrt bleibt, die verbleibenden Mitarbeiter nicht unnötig demotiviert werden und die Firma keinen langfristigen Schaden erleidet. Das setzt eine sorgfältige Vorbereitung voraus. Diese gelingt Unternehmen am besten, wenn sie, sobald feststeht, dass Mitarbeiter entlassen werden müssen, ein Drehbuch für den Kündigungs- und Trennungsprozess schreiben. Dieses sollte unter anderem folgende Fragen beantworten:
• Nach welchen Kriterien wird entschieden, wer entlassen wird?
• Zu welchem Zeitpunkt erfolgt die Kündigung?
• Wann und wie wird die Kündigung ausgesprochen?
• Wer führt die Kündigungs- und Trennungsgespräche?
• Wie werden die verbleibenden Mitarbeiter über die Kündigungen informiert?
• Wie werden die Kündigungen gegenüber den zu kündigenden und den verbleibenden Mitarbeitern begründet?
• Wie gestaltet sich der Trennungsprozess?

Sich gut vorbereiten

In der Regel sollte der unmittelbare Vorgesetzte die betroffenen Mitarbeiter über ihre Kündigung informieren – selbst wenn diese von der Personalabteilung versandt wird. Auf dieses Gespräch muss er sich vorbereiten. Unter anderem, indem er sich im Vorfeld fragt, ob er dem Mitarbeiter im Gespräch nur die Kündigung mitteilt oder ob er sich mit ihm danach nochmals zusammensetzt, um zu vereinbaren, wie die Trennung gestaltet wird. Ebenfalls gilt es zu klären, ob das Kündigungs- und Trennungsgespräch zum selben Zeitpunkt stattfindet.
Die Entscheidung hierüber sollte man davon abhängig machen, wer das Gegenüber ist, wie der Mitarbeiter vermutlich reagieren wird und ob er bereits mit der Kündigung rechnet oder aus allen Wolken fällt. Ist Letzteres der Fall, ist ein Trennen von Kündigungs- und Trennungsgespräch meist die angemessenere Lösung. Denn sie gibt dem Gekündigten die Chance, den Schock zunächst zu verdauen und sich auf das Trennungsgespräch vorzubereiten.
Oft wollen Führungskräfte das Kündigungs­gespräch möglichst schnell hinter sich bringen. Die Folge: Sie stossen den Mitarbeiter vor den Kopf, indem sie ihm unvermittelt die Nachricht «Sie sind entlassen» entgegenschleudern. Zuweilen scheuen sie sich aber auch, die unangenehme Botschaft auszusprechen und reden um den heissen Brei herum. Beides ist unangebracht.
Man sollte sich eine adäquate Gesprächs­eröffnung überlegen, bei der man nicht endlos zunächst zum Beispiel über die schlechte Wirtschaftslage parliert. Das erhöht unnötig die Qualen des Mitarbeiters, der meist schnell ahnt, wohin das Gespräch führt. Es gilt daher, nach einer kurzen Einleitung zur Sache zu kommen, indem man etwa das gesunkene Auftragsvolumen anspricht und erklärt, dass die Unternehmensleitung deshalb einige Sparmassnahmen beschliessen musste und dazu auch betriebsbedingte Kündigungen gehören. Ebenfalls wichtig ist zu erklären, anhand welcher Kriterien die betroffenen Mitarbeiter ausgewählt wurden.

Auf Emotionen gefasst sein


Auf die Nachricht der Entlassung reagieren Mitarbeiter unterschiedlich – manche geschockt, manche gelassen, manche wütend. Man sollte hierbei zulassen, dass die Mitar- beiter Emotionen zeigen, Verständnis äussern und dem Mitarbeiter ausreichend Zeit geben, die Fassung wiederzugewinnen. Gelingt ihm dies nicht, sollte man das Regeln der Trennungsmodalitäten vertagen.
Zuweilen müssen Führungskräfte Kündigungen aussprechen, hinter denen sie nicht stehen. Dann dürfen sie im Gespräch mit dem Mitarbeiter ihre Bedenken nicht äussern. Denn sie nehmen die Aufgabe stellvertretend für die Unternehmensleitung wahr. Zudem geraten sie in Teufels Küche, wenn sie ihre Vorbehalte artikulieren. Denn dann wird der Gekündigte, sobald er das Büro verlassen hat, lautstark verkünden, dass sogar der Chef gegen die Kündigung ist.
Ein Vorwurf, mit dem Führungskräfte bei Kündigungen oft konfrontiert werden, ist, dass man vor zwei Monaten noch mit dem betroffenen Mitarbeiter etwas plante oder sagte, dass die Arbeitsplätze sicher seien. Dann sollten man zu seinen Worten und Taten stehen und den Irrtum bedauern. Auch gilt es zu erklären, dass man zum damaligen Zeitpunkt die Situation anders einschätzt hat, diese sich aber in der Zwischenzeit aufgrund diverser Faktoren geändert hat.

Kündigung begründen


Oft fragen Mitarbeiter, wenn sie über ihre Kündigung informiert werden, warum es gerade sie trifft. Dabei sollte man dem Mitarbeiter eine inhaltlich verständliche Erklärung geben, sich aber auf keinen Fall auf eine Diskussion über die Auswahlkriterien einlassen. Denn wer die Gründe für die Kündigung diskutiert, diskutiert die Kündigung selbst.
Wie schwer eine Kündigung zu begründen ist, hängt vom Anlass ab. Bei betriebs- und verhaltensbedingten Kündigungen ist das Begründen leicht. Hier gilt es vor allem, das rechtliche Prozedere zu beachten. Schwieriger ist es, wenn ein Mitarbeiter nicht die gewünschte Leistung erbringt. Dann sollte man als Führungskraft versuchen, eine sprachliche Verpackung für die Begründung zu finden, die den Betroffenen nicht verletzt. Dies gelingt am einfachsten, wenn man weniger über dessen Defizite reden als über die mangelnde Passung zwischen Aufgaben und Qualifikation.

Besonders schwierig ist das Begründen, wenn ein Unternehmen mehrere Mitarbeiter entlassen möchte und in deren Auswahl auch Faktoren wie die Leistungserbringung oder die Fertigkeiten, die im Unternehmen gebraucht werden, einfliessen. Dann wird das Begründen schnell zur heiklen Aufgabe. So zum Beispiel, wenn man gegenüber einem Techniker begründen soll, warum er gehen muss, während seine zwei Berufskollegen, die dieselben Aufgaben verrichten, bleiben dürfen. Denn wenn man zum Betroffenen sagt, dass die Kollegen im Umgang mit Kunden geschickter sind oder dass ihre Arbeit weniger Mängel aufweist, wird dieser selbstverständlich widersprechen. Deshalb bringen gerade solche Kündigungssituationen Führungskräfte ins Schwitzen. Trotzdem muss man dem Mitarbeiter eine Begründung geben – selbst wenn man weiss: Er wird sie nicht widerspruchslos akzeptieren. Dann muss man bereit sein, die Rolle des Buhmanns zu übernehmen. Das gehört zu den Aufgaben einer Führungskraft.

Die Zeit bis zum Ausscheiden regeln


Ist die Kündigung ausgesprochen und begründet, geht es darum, die Zeit zwischen der Kündigung und dem Austritt aus dem Unternehmen zu regeln. Hierfür kann man einen separaten Termin vereinbaren. Im Trennungsgespräch selbst sollte man dem Mitarbeiter einen Weg aufzeigen, wie der Trennungsprozess gestaltet werden kann. Ausserdem sollte man ihm Hilfe beim Suchen einer neuen Stelle anbieten. Zum Beispiel, indem man seine Wünsche beim Formulieren des Arbeitszeugnisses berücksichtigt oder indem man ihm anbietet, dass er einem bei Bewerbungen als Referenzperson nennen kann.

Um den Trennungsprozess reibungslos zu gestalten, empfiehlt es sich oft, einen Karriere­berater zu engagieren, der die gekündigten Mitarbeiter beim Entwickeln einer neuen beruflichen Perspektive unterstützt. Denn durch die Zusammenarbeit mit einem solchen Berater wird der Blick der gekündigten Mitarbeiter in Richtung Zukunft gewendet. Das hilft ihnen, die Kündigung zu verdauen. Ausserdem wird hierdurch an die verbleibenden Mitarbeiter das Signal gesendet, dass das Unternehmen den ehemaligen Kollegen nicht im Regen stehen lässt.
Häufig ist eine bezahlte Freistellung bis zum Ausscheidetermin für beide Parteien die sinnvollste Lösung. Für die Gekündigten hat dies den Vorteil, dass sie sich voll auf das Ent­wickeln einer neuen Perspektive konzentrieren können. Auch für das Betriebsklima ist eine Freistellung oft das Beste. Denn solange der oder die gekündigten Mitarbeiter im Unternehmen verweilen, sind auch ihre Noch-Kollegen innerlich hin- und hergerissen. Einerseits haben sie Mitleid mit ihren Kollegen, andererseits sehen sie oft die Notwendigkeit der Kündigungen. Dieser innere Zwiespalt wirkt sich negativ auf ihre Arbeitsmoral aus. Er hindert sie zudem, ihren Blick wieder in Richtung Zukunft zu wenden. Dies sollte nach einem Personalabbau aber möglichst schnell geschehen.

Der Autor

Reiner Voss ist Inhaber des Trainingsunternehmens Voss+Partner, Hamburg.
www.voss-training.de


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