Bestellungen, Lieferscheine, Rechnungen – im unternehmerischen Alltag ist der Austausch von Dokumenten mit Kunden und Lieferanten seit eh und je eine Routineaufgabe. Aufgrund der häufig sehr hohen Anzahl von Vorgängen kann diese auch bei KMU schnell mit einem hohen Aufwand verbunden sein. So sind 500 Bestellungen pro Monat keine Seltenheit. Und diese ziehen zwangsläufig die anderen Nachrichten-Typen – Bestellbestätigung, Lieferschein und Rechnung – nach sich. Geht man von einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit pro Brief- oder Fax-Beleg von fünf Minuten aus, so fallen pro Monat allein für die manuelle Dateneingabe oder Datenerstellung etwa 160 Stunden an. Daher lohnt es sich unter bestimmten Umständen, den Datenaustausch zu automatisieren und elektronisch abzuwickeln. Voraussetzung dafür ist ein EDI-System (Electronic Data Interchange). Sind bei Unternehmen zudem die Geschäftsprozesse – vor allem im Logistik- und Produktionsumfeld – unternehmensübergreifend aufgebaut und erfordern eine enge und sehr unmittelbare Zusammenarbeit, steigt die Zahl der auszutauschenden Dokumente weiter. Das beginnt bei den Liefer- und Feinabrufen im Just-in-Time- und Just-in-Sequence-Umfeld und endet bei der Abstimmung mit Lager- und Transportdienstleistern. Ohne eine Automatisierung geht es dann kaum noch.
Lohnt sich das?
Vor einer Einführung sollte man zunächst prüfen, ob sich ein EDI-System für das eigene Unternehmen tatsächlich lohnt. Dazu ist es erforderlich, sämtliche Austauschvorgänge zu erfassen, den Aufwand zu bewerten und daraus die Kosten zu errechnen. Im Anschluss daran muss geklärt werden, wie viele und welche Vorgänge sich tatsächlich automatisieren lassen. Das hängt neben rechtlichen Aspekten auch davon ab, welche technischen Voraussetzungen die Geschäftspartner – also die Kunden und die Lieferanten – vorhalten müssen, ob sie bereits entsprechend ausgestattet sind und ob sie sich auf den elektronischen Datenaustausch einlassen. Zuletzt ist auch ein kritischer Blick auf die eigene Systemlandschaft und das im Unternehmen vorhandenen Know-how erforderlich, das Voraussetzung für den elektronischen Datenaustausch ist.
Eine Reihe von Leitfragen kann dabei helfen, sich einen ersten Überblick zu verschaffen:
- Wie hoch ist unser gesamtes Belegvolumen?
- Welche Geschäftsprozesse wickeln wir mit welchen Partnern ab?
- In welchen Regionen der Welt befinden sich die Unternehmen, mit denen wir Geschäftsdokumente austauschen?
- Welche nationalen oder internationalen Standards müssen beim Austausch eingehalten werden?
- Wie komplex ist die eigene Systemlandschaft?
- Welche internen Schnittstellen bestehen bereits?
- Wie ausgeprägt ist das spezifische EDI-Know-how im eigenen Unternehmen?
- Kann der erforderliche Support gewährleistet werden?
Externer Dienstleister oder eigene EDI-Lösung?
Ist der grundsätzliche Entscheid für den elektronischen Datenaustausch gefallen, muss eine passende Lösung ausgewählt werden. Dabei lassen sich prinzipiell zwei Varianten unterscheiden. Zum einen ist es möglich, den Austausch von Dokumenten über die Plattform eines externen Dienstleisters abzuwickeln. In diesem Fall wird das eigene ERP-, Logistik- oder Produktionssystem mit der existierenden Schnittstellentechnologie über eine abgesicherte Standleitung an die Plattform des Anbieters angebunden. Dieser nimmt die Daten 1:1 entgegen und stellt sie in einem Format bereit, dass das System verarbeiten kann. Comarch oder Crossgate (zwischenzeitlich von SAP aufgekauft) bieten zum Beispiel Netzwerke an, über die schon zahlreiche B2B-Unternehmen angebunden sind. Dadurch lassen sich Beziehungen zu Geschäftspartnern sehr schnell aufbauen und Dokumente sehr einfach austauschen. Der Nachteil: Sind nur wenige der eigenen Geschäftspartner bei den Plattformen angemeldet, müssen diese in einem Initialisierungsprojekt zunächst angebunden werden, was mit einem grösseren Aufwand und einer gewissen Laufzeit verbunden ist.
Sollten beim elektronischen Datenaustausch viele individuelle Modifikationen und spezielle Formate gefordert sein, kann ein Dienstleister interessant werden, der speziell darauf ausgelegt ist und neben den Formatmappings – bei denen die systemspezifische Nachricht in die EDI-Struktur gebracht und an die Vorgaben angepasst wird – auch den organisatorischen Anbindungsprozess mit dem Geschäftspartner übernimmt. Das leistet beispielsweise der Anbieter Axway, der international aufgestellt ist und so individuelle Verbindungen samt passender Mappings zwischen Geschäftspartnern in nahezu allen Ländern herstellen kann.
Zum anderen kann in die bestehende Systemlandschaft eine eigene und exakt auf den spezifischen Bedarf zugeschnittene EDI-Lösung integriert werden. Am Markt etabliert haben sich vor allem der Business Integration Server von Seeburger (Seeburger BIS) und der Tradesync Integration Manager von Axway (Axway TSIM). Während der Implementierung einer dieser Lösungen müssen auf der einen Seite sämtliche Systeme des Unternehmens angebunden werden, die Dokumente erzeugen oder verarbeiten sollen – also auf jeden Fall das ERP-System, je nach Situation auch das Logistik-, Produktions- oder das Finanzsystem. Auf der anderen Seite müssen Verbindungen zu den EDI-Systemen der einzelnen Geschäftspartner hergestellt werden. Das alles ist zwar anfangs deutlich aufwendiger als die Plattform eines externen Dienstleisters zu nutzen. Die Austauschprozesse können dafür aber weitgehend an den eigenen Bedarf angepasst werden. Hilfreich ist das beispielsweise, wenn beim Transport von Waren spezielle Verpackungsvorschriften beachtet werden sollen.
Statt einer spezialisierten EDI-Lösung kann auch eine bestehende Integrationsplattform für den Datenaustausch verwendet werden. Denn bestand in der Vergangenheit eine strikte Trennung von unternehmensinterner und unternehmensübergreifender Integration, so haben die Hersteller mittlerweile ihre meist als EAI-Plattformen bezeichneten Lösungen um EDI-Fähigkeiten ergänzt. Nach dem Erwerb der Kommunikationsadapter von Itelligence bietet nun etwa SAP mit SAP Netweaver Process Integration (SAP PI) eine vollwertige und umfassende Datendrehscheibe an. Vorteilhaft ist die Nutzung einer solchen Integrationsplattform, weil auf bereits erworbenes Know-how aufgebaut werden kann.
Fehlendes EDI-Know-how oder enge Integration?
Wann auf die Plattform eines externen Dienstleisters zurückgegriffen werden sollte und wann eine eigene EDI-Lösung die richtige Wahl ist, lässt sich pauschal kaum beantworten. Möglich ist es aber, einige Tendenzen aufzuzeigen. So bietet es sich in der Regel an, einen externen Service zu nutzen, wenn das spezifische EDI-Wissen und die Betriebskompetenz im eigenen Unternehmen nicht vorhanden sind oder nicht aufgebaut werden können – etwa weil Ressourcen schon gebunden sind oder Mitarbeiter erst langfristig qualifiziert werden müssen. Sind erhebliche technische Aufwände zu erwarten – wie bei der Verwendung von Rechnungen mit elektronischen Signaturen – spricht das auch für den Zugriff auf die Plattform eines externen Dienstleisters. Eine eigene EDI-Lösung ist meist dann ein guter Entscheid, wenn die Integration der Geschäftspartner sehr eng sein oder wenn schnell und unkompliziert in den Datenaustausch eingegriffen werden muss – um zum Beispiel zu vermeiden, dass eine Produktionslinie aufgrund fehlender Bestallabrufe stillsteht.
Unternehmen, die sich heute mit der Einführung einer EDI-Lösung befassen, sollten auch künftige Entwicklungen in Blick nehmen. Drei Trends sind wahrscheinlich:
- Eine noch engere Zusammenarbeit von Geschäftspartnern und immer kürzere Lieferzeiten
- Eine immer globaler ausgerichtete Logistik, weshalb sich internationale Standards wie EDIFACT durchsetzen
- Die zunehmende Ersetzung von Branchenstandards durch branchenübergreifende Standards
Jakob Wössner ist Manager bei Mieschke Hofmann und Partner (MHP). Simon Zeiss ist Senior Manager und für die externe Partnerintegration in der Schweiz verantwortlich.
Elektronischer Datenaustausch (EDI)
Beim elektronischen Datenaustausch (Electronic Data Interchange, EDI) werden Geschäftsdokumente – also beispielsweise Rechnungen oder Lieferscheine – automatisiert zwischen dem IT-System eines Senders und dem IT-System eines Empfängers ausgetauscht. Im Gegensatz zu anderen Austauschverfahren wie Fax oder Brief bestehen dabei keine Medienbrüche. Die Informationen müssen daher nicht mehr manuell übertragen werden. Das reduziert zum einen den Aufwand und senkt zum anderen die Fehlerquote.
Den Austausch regeln EDI-Lösungen, die zwischen die Quell- und Ziel-Systeme geschaltet sind. Beim Transfer von Daten kommen unterschiedliche Übertragungswege (zum Beispiel E-Mail), unterschiedliche Nachrichtenstandards (zum Beispiel SWIFT oder EDIFACT) und unterschiedliche Übertragungsprotokolle (zum Beispiel X.400 als E-Mail-Standard oder OFTP) zum Einsatz.
Ausgewählte EDI-Lösungen FÜR KMU
Anbindung über Plattformen von externen Anbietern:
EDI-Hub von Crossgate
EDI-Plattform von Axway
Comarch EDI
Anbindung über eigene EDI-Lösungen:
Seeburger Business Integration Server (Seeburger BIS)
Axway Tradesync Integration Manager (Axway TSIM)
Allgemeine Integrationsplattformen:
SAP Netweaver Process Integration (SAP PI) mit EDI-Adaptern
Microsoft Biztalk mit Business Content von zum Beispiel Quibiq
Quelle: Mieschke Hofmann und Partner (MHP)