Austauschbare Produkte, unzählige Mitbewerber, ausufernde Ausschreibungen mit einer grossen Zahl an Konkurrenten, Angebotsstau, Preis- und Rabattdiskussionen und permanenter Umsatzdruck: Diese Rahmenbedingungen sind für Software-Anbieter auch in der Schweiz zum ständigen Begleiter geworden. Im hiesigen Software-Markt herrscht, wie in vielen anderen Märkten auch, ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb um die immer weniger und anspruchsvoller werdenden Kunden. Mit mehr Marketing, Werbung und Vertrieb ist diesem Problem nicht beizukommen. Die Ursachen liegen tiefer und müssen an der Wurzel angepackt und gelöst werden.
Eine nachhaltige Lösung gegen die Austauschbarkeit baut auf drei Eckpfeilern auf:
-Positionierungsstrategie: Das Herzstück zur Ausschaltung der Konkurrenz ist eine umfassende und durchdachte Unternehmensstrategie mit einer klaren Differenzierung zum Wettbewerb – Stichwort Alleinstellung.
-Kundennutzenorientierung: Kundenprobleme und -bedürfnisse werden allein durch Nutzen gelöst und befriedigt. Eine Fokussierung rein auf Produkte und Dienstleistungen greift zu kurz.
-Werteorientierte Unternehmens- und Führungskultur: Erst Werte machen ein Unternehmen wertvoll. Ohne klaren Sinn-Rahmen können weder hochgesteckte Ziele erreicht noch Kunden oder Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen gebunden werden.
Zuerst Nutzen säen, dann Gewinn ernten
Welches ist der grundlegende Zweck eines Unternehmens? Gewinne erzielen, möglichst hohe Profite für die Eigentümer erwirtschaften, Arbeitsplätze schaffen oder Altersvorsorge sicherstellen? Die Antwort ist so simpel wie überraschend: Es geht darum, zufriedene Kunden zu schaffen. Denn nur zufriedene Kunden bezahlen Rechnungen (gerne) und bleiben dem Unternehmen treu.
Selbstverständlich muss ein Unternehmen auch Gewinne abwerfen, es muss seine Aktionäre, Mitarbeiter und alle anderen Partner zufriedenstellen und seinen Beitrag im sozialen Gefüge leisten. Dies sind aber alles nur Folgen aus dem «Urzweck». Die klare Unterscheidung in Ursache und Wirkung gleich zu Beginn der Strategie-Entwicklung mag spitzfindig erscheinen, sie beeinflusst aber die Positionierungsarbeit grundlegend. Im Ergebnis entsteht daraus das Prinzip Nutzen- vor Gewinnmaximierung, welches für die weitere Arbeit unverzichtbar ist.
Klare Differenzierung zum Wettbewerb
Im Zentrum einer wirksamen Strategie gegen hohen Konkurrenzdruck steht das umfassende strategische Konzept. Es startet mit der Herausarbeitung und Festlegung der Unternehmensziele und der unternehmerischen Vision. Es leuchtet ein, dass Ziele nur erreicht werden können, wenn sie auch hinreichend bekannt und spezifiziert sind. Dennoch tun sich viele Unternehmen schwer damit, ihre Zukunft gedanklich zu antizipieren und sich über reine Zahlenziele wie Umsatzplus oder Gewinnplus hinaus Gedanken zu machen. Für den Erfolg ist es aber ausschlaggebend, dass sich die Unternehmen ein plastisches Bild ihrer Zukunft malen. Was man sich nicht vorstellen kann, kann man auch nur schwer oder gar nicht erreichen.
«Weniges für wenige tun» ist sodann der Bauplan für eine erfolgversprechende Positionierungsstrategie – oder eben ausweichen statt kämpfen. Das Zauberwort heisst Spezialisierung. Sowohl beim Produkteangebot als auch bei der Zielgruppe ist Reduktion statt Diversifizierung gefragt. Spezialist wird nur, wer sich intensiv und tiefgreifend mit einem zu lösenden Kundenproblem auseinander setzt, und nicht wer versucht, es allen recht zu machen. Die notwendigerweise damit verbundene Fokussierung der Kräfte stellt flankierend sicher, dass die knappen Ressourcen wirtschaftlich optimal eingesetzt werden.
Zukunft hat Herkunft: In diesem Sinne spielen die individuellen Kompetenzen, das Know-how und die Beziehungen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung einer Positionierungsstrategie. Es wird auf Bestehendem aufgebaut und weiter entwickelt und es werden die Stärken zur Wirkung gebracht, die in sich bereits ein hohes Potential an Abgrenzung zum Mitbewerb aufweisen. Die Ausmerzung vorhandener Schwächen bringt im Ergebnis hingegen nur Mittelmässigkeit, aber nie Spitzenleistungen hervor.
Durch einen konsequenten Strategie- und Positionierungsprozess entsteht oftmals auch ohne aufwendige Software-Entwicklung und ohne grossartige neue Innovationen an bestehenden Produkten eine echte Alleinstellung, die nicht bloss durch Marketing-Geschwafel herbeigeredet wurde, sondern die strategisch fundiert das ganze Unternehmen von A bis Z durchdringt. Da sie aus einer einmaligen Kombination der strategischen Eckdaten eines individuellen Software-Unternehmens entstanden ist, ist die so gewonnene Differenzierung robust und kann wirksam gegen die Konkurrenz verteidigt werden.
Unternehmen, die einen Strategieentwicklungsprozess wie oben beschrieben durchlaufen, sind im Resultat klar positioniert. Je präziser die Spezialisierung, desto klarer ist auch in der Praxis die Positionierung. Die Zielgruppe weiss exakt, woran sie ist und worauf sie sich verlassen kann. Im Kopf der Kunden besetzen diese Software-Anbieter einen festen Platz und machen sich damit zum Problemlöser Nummer 1.
Orientierung am Kundennutzen statt an Produkten
In der Software-Branche ist nach wie vor die Denkrichtung «Wir haben ein tolles Produkt, lasst uns dafür Kunden suchen» vorherrschend. Sie setzt aber am falschen Startpunkt an und ist daher im Zeitalter der austauschbaren Produkte, wozu Business Software heute ohne Zweifel auch zählt, nur beschränkt wirksam. Die zielführende Überlegung muss heissen «Wir kennen Kunden, die zentrale und ungelöste Probleme haben. Welchen Nutzen braucht es für die Lösung dieser Probleme und mit welchen unserer Produkte und Dienstleistungen kann dieser Nutzen erbracht werden?».
Diese neue Denkrichtung setzt voraus, dass man seine Zielgruppe problembezogen ausgewählt hat, dass man sich intensiv mit ihr beschäftigt und so bildlich im Kopf der Zielgruppe spazieren gehen kann. Sie ist auch Voraussetzung dafür, dass neue Probleme und Bedürfnisse der Zielgruppe, die erst ins Blickfeld kommen, rechtzeitig erkannt und innovativ mit neuen bedarfsgerechten Produkten und Dienstleistungen gelöst werden können. Aus einem Software-Produkt wird auf diese Weise eine echte Problemlösung und aus einem Software-Anbieter ein erfolgreicher Problemlöser.
Geschäftskunden interessieren sich je länger je weniger für Technik und Features. Sie erwarten konkrete und messbare Vorteile vom Einsatz der Software. Wer es daher mit dem Kundennutzen ernst meint, tut gut daran…
-Kundennutzen zu liefern;
-Kundennutzen messbar und emotional fühlbar zu machen und
-Kundennutzen (und nichts anderes) zu kommunizieren.
Im Ergebnis wird so aus einem Software-Lieferanten ein Nutzenlieferant und aus seiner Software, Dienstleistungen und Lösungen wird sein Nutzenpaket.
Sinnvermittlung durch die Unternehmenswerte
«Die richtigen Werte sind die Basis für Wertsteigerung, und damit für den nachhaltigen Unternehmenserfolg. Befindet sich die Unternehmensstrategie mit den geltenden Werten im Einklang, steht ihrer Umsetzung praktisch nichts mehr im Wege», schreibt der profunde Kenner deutscher Familienunternehmen, Arnold Weissmann, in seinem Buch «Die grossen Strategien für den Mittelstand» sehr treffend.
Unter einer werteorientierten Kultur versteht man, dass die Firmenkultur über ein Set an klaren Regeln und Grundwerten verfügt, die dazu geeignet sind, die Unternehmensziele und die Strategie wirkungsvoll zu unterstützen. Insofern müssen die Werte positiven Charakter haben und zur Positionierung des Unternehmens passen. Es macht also keinen Sinn, einen generischen Katalog von Unternehmenswerten festzulegen und diesen rezeptartig in jedem x-beliebigen Software-Unternehmen einführen zu wollen. Werte und die daraus entstehende Firmenkultur sind immer individuell und müssen aus der spezifischen Unternehmer- und Unternehmenssituation heraus kristallisiert und entwickelt werden.
Es wird allerdings eine Mindestqualität bei den Werten benötigt, damit sie ihre positive Stahlkraft auf die Kultur und damit verbunden die Strategieumsetzung wirksam entfalten können. Denn Werte wie «Profit um jeden Preis» vertragen sich augenscheinlich nicht mit Prinzipen wie «Nutzen- vor Gewinnmaximierung». Darüber hinaus sind die Software-Anbieter aber frei, ihren Wertekatalog in Übereinstimmung mit ihren Zielen, ihrem Leitbild, ihrer Mission und ihrer Strategie widerspruchsfrei für Kunden und Mitarbeiter zu definieren und zur Basis ihres unternehmerischen Tuns zu erklären.
Urs Prantl ist Inhaber von KMU Mentor, einem Spezialisten für die Entwicklung und Umsetzung von Positionierungsstrategien bei Software-Anbietern.