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Loyalität am Arbeitsplatz

Von Alexander Galman

Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hat sich verändert. Die Loyalität wird oft zur Einbahnstrasse, und die Mitarbeiterpflege kommt vielerorts zu kurz.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/09

     

Das Ideal vieler Unternehmen ist, Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt selber zu rekrutieren und ihnen eine Festanstellung über einen möglichst langen Zeitraum anbieten zu können. Daraus entstehen Vorteile, wie das Niedrighalten von Lohnkosten und der Erhalt des Know-hows innerhalb des Unternehmens. Vorausgesetzt wird, dass sich die Arbeitnehmer loyal zum Arbeitgeber verhalten. Das Loyalitätsverhältnis soll jedoch auf Gegenseitigkeit beruhen: Im Gegenzug erwarten Arbeitnehmer, dass sich das Unternehmen ihnen gegenüber verpflichtet fühlt. Somit ist Loyalität eine Art unsichtbarer Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Durch seine Loyalität drückt der Arbeitnehmer ein Gefühl der Zugehörigkeit aus, was bedeutet, dass im Unternehmen ein gemeinsames Verständnis von Zielen, Werten und Mentalität existiert und dass die Mitarbeiter sich mit ihrer Firma identifizieren und die unternehmerischen Interessen zu ihren eigenen machen.

Veränderung der Arbeitsverhältnisse

Die Arbeitsbeziehungen zwischen Unternehmen und Beschäftigten haben sich in den letzten Jahren stark gewandelt. In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Einstellung zum Arbeitsverhältnis «Bis das Pensionsalter uns scheidet» massiv zu Ungunsten der Mitarbeitenden geändert. Aus Sicht vieler Arbeitgebenden bedeutet Loyalität nun vor allem Verschwiegenheit. Das Anstreben einer Anstellung auf Lebenszeit wird nicht mehr erwartet.
Diese Entwicklung geht auf eine stärkere Beschäftigungsdynamik zurück. In Folge dessen müssen sich die Arbeitnehmer im Laufe ihres Erwerbslebens immer häufiger einen neuen Arbeitgeber suchen. Gemäss der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) aus dem Jahr 2007 wechselten in der Schweiz seit 1997 jährlich zirka 300’000 Arbeitskräfte die Stelle.
Auch die Bereitschaft der Beschäftigten, im Laufe ihrer Karriere das Unternehmen zu wechseln, ist in der letzten Zeit gestiegen. So befragte das Beratungsunternehmen Pricewaterhouse-Coopers (PWC) im Herbst 2010 4364 Personen der Zielgruppe, zu welcher jene auf den Arbeitsmarkt drängenden Personen gehören, die zwischen 1980 und 1995 auf die Welt gekommen sind. Die Befragung wurde in 75 Ländern durchgeführt, darunter waren auch 105 Personen dieser Altersgruppe aus der Schweiz. Die Ergebnisse der Studie, welche in der NZZ vom 11. April 2012 veröffentlicht wurden, zeigen, dass mehr als jeder zweite Befragte davon ausgeht, während seines Arbeitslebens für bis zu fünf Arbeitgeber tätig sein zu wollen.
Hoch genug ist die Fluktuation im IT-Bereich. Vor allem in Informatikberufen wird heute zunehmend auf Projektbasis gearbeitet. Ist ein Projekt oder eine bestimmte Projektphase abgeschlossen, können nicht mehr alle Mitarbeiter eingesetzt werden. Sie müssen sich dann entweder intern oder extern ein neues Projekt oder eine neue Aufgabe suchen.

Problematische Wirtschaftslage

Ein weiterer Grund für den häufigen Wechsel des Arbeitgebers sind die zahlreichen Massenkündigungen, wie sie in jüngster Zeit in der Finanzindustrie und anderen wichtigen Branchen stattgefunden haben. Sinken die Unternehmensergebnisse, fallen meist Sparmassnahmen im personellen Bereich an. Insbesondere ältere Mitarbeiter werden oft unter dem Motto «Jeder ist ersetzbar» entlassen. Diese Wegrationalisierung trifft auch vermehrt Personen, die erst Mitte 40 sind. Eine Befragung im Rahmen des Schweizer Human-Relations-Barometers (HR-Barometer) 2008 von Universität und ETH Zürich zeigt: Die Angst vor Arbeitsplatzverlust wird grösser, je älter die Befragten sind. Renate Salzgeber, Dozentin der Berner Fachhochschule für soziale Arbeit, wies in einem Interview mit der Zeitung «Sonntag» im Januar dieses Jahres darauf hin, dass dies kein vorübergehendes Phänomen ist: «Bei einer Erholung des Arbeitsmarktes sind junge, billige und willige Arbeitskräfte zuerst gefragt.»

Wiedereinstellung

Kommt es bei den Unternehmen später wieder zu Neuanstellungen, ist ein wichtiges Kriterium für die Personalabteilung, wie oft ein Bewerber seine Stelle gewechselt hat. Denn allzu häufige Stellenwechsel werden als illoyal angesehen. Die Frage, wie lange der Kandidat wohl bei einem bleiben wird, kommt sofort auf.
Das Alter spielt gleichfalls eine wichtige Rolle, weil ältere Mitarbeiter oftmals als zu teuer und unflexibel angesehen werden. Dabei verfügt gerade diese Kategorie der Arbeitnehmer oft über die umfangreichen und wertvollen Erfahrungen und eignet sich bestens für eine schnelle Einarbeitung und Weitergabe ihres Wissens an die jüngere Generation. Hinzu kommt, dass gerade die Komplexität in Informatikprojekten massiv gestiegen ist. Daraus resultiert eine längere Einarbeitungsperiode, die sehr hohe Kosten mit sich bringt.

Möglichkeiten für die Zukunft

Bei einem zunehmenden Mangel an Informatikern – es fehlen bis 2017 immerhin rund 32’000 gut ausgebildete Fachleute – stehen für die Personalabteilungen der Unternehmen nur zwei Optionen offen: Die Pflege der Mitarbeitenden wird zum zentralen Faktor, um das Know-how und die Arbeitskräfte im Unternehmen zu behalten. Eine solidarische Haltung gegenüber den Arbeitnehmern, die Vermittlung des Gefühls der Zugehörigkeit zur Firma als Basis für Identifikation kann die Loyalität steigern. Ob nach der Arbeitsmarktreform der letzten zwanzig Jahre die gewünschte Loyalität wieder zurück gewonnen werden kann, bleibt dabei offen.
Die zweite Möglichkeit ist dem zukünftigen Arbeitsmodell Arbeit auf Projektbasis angepasst. Gerade im Informatikbereich löst das projektartige Arbeiten das Auslaufmodell der Anstellung auf Lebenszeit ab. Andere Branchen ziehen nach. Damit dieses Arbeitsmodell funktioniert, kann sich ein Unternehmen auf zusätzliche Geschäftspartner verlassen, die die benötigten Fachkräfte für die jeweiligen Projekte zur Verfügung stellen. Das fehlende Know-how wird somit kurzfristig kompensiert, und die personellen Kosten werden auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt. Bei diesem Arbeitsmodell wird der Wissensverlust auf der unternehmerischen Seite zwar zunehmen, die notwendigen Erfahrungen aber schneller erhältlich sein.
Aber auch bei der Einstellung auf Projekt­basis bleiben loyale Mitarbeiter zweifelsohne die wertvollsten Angestellten eines Unternehmens. Hier geht es vielmehr um eine mündige, freiwillige Form der Loyalität, bei der Mitarbeiter sich Gedanken um das Wohlergehen ihres Unternehmens machen, wobei das Einhalten und Achten gegenseitiger Interessen zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen ins Zentrum rückt. Es entsteht also ein Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen.

Sicherheit für Mitarbeiter

Die Ergebnisse des neuen HR-Barometers 2011 zeigen, dass 10 Prozent der befragten Arbeitnehmenden in der Schweiz in ausgeprägtem Masse und weitere 20 Prozent ansatzweise um ihren Arbeitsplatz fürchten. Diese Verunsicherung wirkt sich negativ auf das Vertrauen der Beschäftigten aus, was wiederum die Verbundenheit mit dem Unternehmen reduziert. Für Michael Agoras, Country Manager Adecco Switzerland und Hauptsponsor des Schweizer HR-Barometers, birgt diese Situation Gefahren: «Wenn die Unternehmen zu wenig Wert auf loyale und selbständig agierende Mitarbeitende legen, fehlt ihnen gerade in der Aufschwungphase die entscheidende Dynamik», war auf Kmu.admin.ch am 23. Januar 2011 zu lesen. Auch unter den veränderten Arbeitsmarktbedingungen und bei Bereitschaft zu hoher Flexibilität geniesst also die Stabilität am Arbeitsplatz immer noch einen hohen Stellenwert.
Hier gibt es verschiedene Optionen für ein IT-Unternehmen. IT-Fachkräfte, die nicht ständig den Arbeitgeber wechseln möchten, können sich zum Beispiel bei einem Software- oder Beratungshaus anstellen lassen. Sie wechseln dabei zwar öfters das Projekt, vermeiden so aber in ihrem Lebenslauf eine lange Liste an Kurzzeitanstellungen. Für den Auftraggeber ist dieses Anstellungsverhältnis ebenfalls attraktiv. Nebst den wirtschaftlichen Aspekten erleiden sie nach Ablauf des Projektes und den nachfolgenden Kündigungen keinen Imageschaden.


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