Der erhebliche Wettbewerbsdruck im Handel zwingt die Unternehmen aus diesem Bereich zu Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen. Automatisierung und Prozessoptimierung sind daher wesentliche Aufgaben der IT-Abteilungen. Der Einsatz der IT zur Optimierung von Geschäftsprozessen wird zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen. Anbieter von IT-Dienstleistungen müssen sicherstellen, über das erforderliche Branchen- und Prozess-Know-how zu verfügen. Insbesondere müssen IT-Anbieter verdeutlichen, wo der betriebswirtschaftliche Mehrwert ihrer Konzepte für das Unternehmen liegt. Dabei gilt es auch die Zurückhaltung vieler Händler gegenüber Konzepten wie dem Outsourcing oder RFID zu überwinden.
Technologie ist da
Mehr als 10 Jahre hat sich beispielsweise das deutsche Mode-Unternehmen Gerry Weber mit der RFID-Technologie beschäftigt – seit August 2010 werden RFID-Tags produktweit endlich eingesetzt. Obwohl es auf den ersten Blick vielversprechend ausgesehen hat, RFID einzusetzen, musste die Technologie erst deutlich billiger werden, um eine Investition rechtfertigen zu können.
Auch andere IT-Effizienzsteigerungen sind eigentlich seit Jahren schon verfügbar, ohne ihren Siegeszug durch die Geschäfte bis jetzt angetreten zu haben. Die elektronische Regalbeschriftung (Electronic Shelf Labeling) ist beispielsweise vor allem für den Lebensmittel- und Textileinzelhandel, Cash&Carry-Märkte sowie den Elektrohandel von Bedeutung. Systeme bei denen der Kunde seine Waren selbst erfasst (Self-Scanning) oder gänzlich den Kassiervorgang selbständig abwickelt (Self-Checkout), können vor allem zu Einsparungen von Personalkosten beitragen. Die noch vergleichsweise hohen Kosten dieser Systeme scheinen hingegen die mittelständischen Händler vor Investitionen in diese Lösungen abzuschrecken.
Gerade im Einzelhandel spielt das Warengruppenmanagement (Category Management) eine zunehmend wichtigere Rolle. Hierbei handelt es sich um die Zuordnung von Waren zu Produktkategorien und die strategische Ausrichtung des Unternehmens auf Warengruppen. Dabei kooperiert der Handel oftmals eng mit den Herstellern. Für das Warengruppenmanagement ist beispielsweise eine Analyse der Warengruppen sowie der Bedürfnisse und Potenziale der Kunden notwendig, was den Einsatz einer ausgefeilten Business-Intelligence-Lösung erforderlich macht.
Die Einführung von elektronischen Displays und Plakaten (Digital-Signage-Systeme) zur Vertriebsunterstützung ist eine weitere Möglichkeit, Preisoptimierung zu betreiben. Hierdurch können Kosten für Werbung eingespart werden, da etwa der Plakatwechsel vereinfacht wird. Wichtig aus Effizienzsteigerungsgesichtspunkten ist dabei die Integration der Systeme an das Content Management. Zentral gepflegte Preise erlauben unternehmensweite Kampagnen und vermeiden händische Eingabefehler, die unangenehm teuer werden können.
Kundenbindung notwendig
Hinzu kommen noch die Bereiche Kundenfindung und Kundenbindung. Eine der wichtigsten Herausforderungen der IT im Handel ist die Erhöhung der Kundenbindung. Gerade in Zeiten von kleiner werdenden Budgets spielt Kundentreue eine immense Rolle. Die Anbieter von IT-Lösungen müssen verdeutlichen, welchen Beitrag sie zur besseren Kundenbindung leisten können. Insbesondere die Vereinheitlichung der Datenbanken und die Analyse von Kundendaten sind wichtige Herausforderungen der IT im Handel, bei denen die Anwender Unterstützung von Seiten der Anbieter benötigen. Gerade hier kann die IT aber nur eine unterstützende Rolle spielen. Die Händler müssen sich im Klaren darüber werden, welches Kundenbindungsmittel das richtige für sie ist: Kundenkarte, Social-Media-Initiativen oder herkömmliche Prospektwerbung – oder alles zusammen.
Problem Altsystem
Aber: Diese ganzen Ideen aus der Marketingwelt der Anbieter sind leicht gezeigt, doch nur schwer umgesetzt. Oftmals stammen die Anwendungen im Handel noch aus der Zeit der Mainframes, die Lagerverwaltung gerade bei grossen und entsprechend komplexen Händlern hat durchaus mal zwanzig oder dreissig Jahre auf dem Buckel. Für die Unternehmen ergeben sich daraus eine Menge Probleme: Das Wissen um die Software geht in Rente, dokumentiert ist in der Regel so gut wie nichts – und Hilfe ist nicht in Sicht. Die Suche nach Mitarbeitern, die sich mit den längst überholten Programmiersprachen auskennen, wird zur sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Dennoch müssen rechtliche Anforderungen eingepflegt werden und in irgendeiner Form an die Altsysteme angebaut werden.
Denn der Multi-Channel-Vertrieb wird immer mehr Realität. Was sich im kleinen Einzelhandelsbetrieb noch irgendwie miterledigen lässt – Aktualisierung des Warenbestands im Geschäft und online, Preisanpassungen, Einpflegen entsprechender Produktbeschreibungen, Verpacken und Versenden etc. – wird im Filialbetrieb zur logistischen Herausforderung. Der Kunde erwartet – durch Vorbilder wie Amazon verwöhnt – eine reibungslose Abwicklung auch von Reklamationen, die Einhaltung von Lieferzeiten und verlässliche Angaben über die Verfügbarkeit der Ware. Zusätzlich geraten Händler durch Preisvergleichsmaschinen unter Druck, sich preislich von der Preisempfehlung des Herstellers immer weiter entfernen zu müssen. Der Aufbau einer Marke, die für verlässliche Bestellabwicklung und exzellenten After-Sales-Service steht, kann diesen Druck lindern – erfordert aber Investitionen seitens des Händlers in eine entsprechende Infrastruktur. Zusätzlich wächst in den Handelshäusern der Wunsch, Schnittstellen zu vermeiden.
Denn die teilweise komplexen Unternehmensstrukturen sowie die zunehmende Vernetzung innerhalb der Unternehmen hat die IT in den letzten Jahren vor genügend Herausforderungen gestellt. Der Wunsch an die IT-Anbieter ist leicht formuliert: Sie müssen ihre Lösungen so aufbauen, dass sie sich leicht in das Gesamtkonzept der Anwender integrieren lassen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Anwender über eine entsprechende IT-Strategie verfügen. Es ist auffällig, dass Anwender im Handel stärker spezialisierte Software, Insellösungen oder Eigenentwicklungen nutzen als Firmen aus anderen Branchen. Hier findet aber ein Umdenken statt: Insbesondere die grossen Unternehmen sind bestrebt, ihre IT zu standardisieren und zu konsolidieren. Für Anbieter von standardisierten Softwarelösungen ist der Handel daher besonders interessant, da hier zusätzliche Absatzpotenziale erschlossen werden können. Neben dem Darlegen der Kosteneinsparungsmöglichkeiten durch den Einsatz von Standardsoftware sollten Anwender bei der Entscheidung für System und Einführungspartner darauf bestehen, dass IT-Anbieter und Einführungspartner ihre Branchenkompetenz darlegen und gezielt die Bedürfnisse des Handels adressieren. Die zu hebenden Potenziale sind gewaltig, insbesondere weil über Jahre hinweg keine einheitliche IT-Strategie verfolgt worden ist. Doch der Weg dahin ist steinig: Zu gering sind die Margen, als das grosse Investitionen mal eben bezahlt werden können. Umso grösser ist der Bedarf nach standardisierten Lösungen, die sich kostengünstig einführen und betreiben lassen.
Frank Naujoks ist Director Research & Market Intelligence bei Intelligent Systems Solutions (i2s).
Swiss Retail Technology Day
Am 31. Oktober 2012 findet am Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) in Rüschlikon (ZH) der Swiss Retail Technology Day statt. Die Veranstaltung richtet sich an die IT- und Prozessexperten von Handelsunternehmen und verspricht nebst namhaften Speakern, verteilt auf mehrere Tracks, auch interessante Vorträge mit Fallstudien und technischen Innovationen sowie eine Diskussionsrunde mit Managern von Anwenderunternehmen. Ergänzt wird das Programm durch eine Ausstellung mit Anbietern und Experten der Retail-Branche. Weitere Informationen unter www.retail-technology.ch.
Swiss IT Media ist Medienpartner des Swiss Retail Technology Day.