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Anpassung der Berufslehre an die Anforderungen der Betriebe
Quelle: Swiss ICT Magazin

Anpassung der Berufslehre an die Anforderungen der Betriebe

Von Alfred Breu

Die Berufslehre Informatiker/-in wird sich künftig mehr an den Bedürfnissen der Betrieb orientieren. Es entsteht ein Katalog von Arbeits-Leistungszielen, dem jeder Lehrbetrieb entnehmen kann, in welchen Gebieten die Lehrlinge eingesetzt werden müssen. Der Bildungsplan dient zudem als Lernzielkontrolle. Damit bekommen die Betriebe ein wertvolles Hilfsmittel für den Tagesgebrauch in die Hand.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/06

     

Nach einem massiven Einbruch der angebotenen Lehrstellen zwischen 2001 und 2005, wächst die Anzahl Lehrstellen in den letzten Jahren nur marginal. Ganz im Gegensatz zu schulischen Bildungswegen oder der Erwachsenenbildung in Umsteigerkursen. Was belegt, dass das Interesse am Beruf vorhanden ist – aber nicht die der Betriebe, sich an der Berufsbildung zu beteiligen. Versucht man, nicht (mehr) ausbildende Betriebe dazu zu gewinnen, hört man immer wieder, die Berufsbildung sei zu teuer, man habe keinen Lehrmeister oder einfach keine Zeit.
Und in der Tat zeigt die zweite nationalen Studie des Institutes für Bildungsentwicklung der Universität Bern, dass diese Lehre im Durchschnitt CHF 30‘000 Verlust je Lehrling einfährt – die teuerste Lehre. Im Detail kann man allerdings feststellen, dass es Betriebe gibt, die 70‘000 Franken Gewinn machen. Aber ein massiver Verlust von anderen reisst diesen auf die genannte Durchschnittssumme. Es ist also das Ziel, die Lehre so zu gestalten und Hilfsmittel bereitzustellen, dass im Durchschnitt mindestens eine schwarze Null resultiert. Als Resultat davon erhoffen wir einen deutlichen Anstieg der Lehrstellen. Lernende findet man - zu Lasten anderer Lehren mit ähnlichem Anforderungsniveau, in denen teilweise deutlich über dem Bedarf ausgebildet wird, beispielsweise im KV.

Im Zentrum steht die Meinung der Betriebe

Um möglichst viele Sichten einzubringen, haben relativ grosse Arbeitsgruppen ihre Erwartungen der im Verlauf der Grundbildung zu erreichenden Qualifikationen definiert, das sogenannte Qualifikationsprofil. Dieses zeigt auf, was jede lernende Person bis zum Ende der Grundbildung (Lehre) können muss, um am Markt Chancen für einen Direkteinstieg zu haben. Da in diesem Beruf bisher nur gerade ein Drittel der Lehrabgänger/-innen an eine höhere Schule geht (Vorbereitung zum eidg. Fachausweis, höhere Fachschule oder Fachhochschule), ist das Erreichen des nötigen Abgangsniveaus umso wichtiger. Nach der Erstellung wurden die Qualifikationsprofile bei einer erweiterten Anzahl Betrieben verifiziert.
Diese hat die Annahmen mit wenig Ausnahmen bestätigt. Entsprechend konnte die Revisionskommission in ihrer zweiten Sitzung diese Dokumente für die Applikationsentwicklung und Systemtechnik verabschieden. Noch in Bearbeitung sind die Bereiche Support, Generalist und die schulischen Modelle. Die erarbeiteten Qualifikationsprofile zeigten auch, dass die Lehre nach wie vor aktuell ist und keine riesigen Anpassungen nötig sind. Natürlich kommen einige neue Fachgebiete dazu, die bisher in der Ausbildung fehlten.
Die bisherigen Resultate zeigen auf, dass die drei Fachrichtungen nur marginale Gemeinsamkeiten haben. Die Fokussierung im schulischen Unterricht auf die Fachrichtung ab Lehrstart (wie in einigen Kantonen mit Erfolg praktiziert), würde die Kosten der Betriebe drastisch senken, weil die Lernenden viel früher in betrieblicher Praxis im vorgesehenen Bereich eingesetzt werden können und damit eine höhere Kompetenz erreichen, was einen höheren Ergebnisbeitrag einbringt.

Entwicklung Bildungsplan – im Vordergrund stehen Leistungsziele

Eine gemischte Gruppe von Betriebsleuten und Lehrkräften ist nun dabei, die Leistungsziele zu definieren. Hier entsteht ein Katalog von Arbeits-Leistungszielen für die Betriebe, der bisher fehlte. In diesem Dokument kann jeder Lehrbetrieb genau sehen, in welchen Gebieten die Lehrlinge eingesetzt werden müssen. Da bestand Handlungsbedarf – nicht formulierte Ausbildungsziele führten dazu, dass viele Betriebe die Lehre eher als Selbststudiumsaufenthalt denn als Arbeitseinsatz verstanden. Der Bildungsplan dient zudem als Lernzielkontrolle. Damit bekommen die Betriebe ein wertvolles Hilfsmittel für den Tagesgebrauch in die Hand. Es ist zu hoffen, auf diese Weise die Qualität im Arbeitseinsatz in den Betrieben deutlich zu erhöhen, die Lehre praxisbezogener zu machen.

Das bewährte Modulkonzept wird beibehalten

Das 2001 eingeführte Konzept von handlungsorientierten Modulen im Informatik-Unterricht an den Berufsfachschulen und in überbetrieblichen Kursen hat sich sehr bewährt. Es hat den Unterricht für alle Beteiligten transparent und verständlich gemacht. Entsprechend ist klar, dass dieses beibehalten wird. Die Module sind auf Ereignisse im Betrieb ausgerichtet und dauern in der Regel 40 Lektionen. Dadurch, dass die Module relativ offen formuliert sind, bleiben sie nach wie vor aktuell. Beispielsweise „einen Internet-Server in Betrieb nehmen“: Solange es solche Server gibt, wird man das Modul für Systemtechniker vorsehen.
Der Inhalt regelt die zu behandelnden Teilgebiete und was an Kompetenz zu erreichen ist. Er trifft heute wie vor 6 Jahren voll zu, dank dem, dass keine Produktehinweise festgehalten sind. Die Informatik kann auf einen guten Modulbaukasten stützen. Es wird laufend neue geben (wie bereits bisher), allerdings in kleiner Menge. Jetzt geht es darum, in der neuen Bildungsverordnung auch eine gewisse Modulwahl für die Betriebe sicherzustellen. Das Modulkonzept bildet zudem den Standardlehrplan für die Schulen und üK-Zentren.

Kosten sparen dank zentral entwickelter Modulprüfungen

Aus der Sicht der Kantone und Berufsfachschulen kosten die Modulprüfungen zu viel. In der Tat ist der Aufwand für Erstellung, Validierung und Durchführung hoch. Überreaktionen haben zudem dazu geführt, dass die gesamte Prüfungsdauer um ein Mehrfaches gegenüber früher gestiegen ist, nämlich von 2 Tagen auf gegen 2 Wochen bei 30 Modulen! Durch zentral entwickelte und validierte Modulprüfungen und durch die Konzentration auf die zentralen Kompetenzen (nicht mehr 80% der Leistungsziele) kann der Aufwand drastisch reduziert werden zu Gunsten von mehr Ausbildungszeit. Und das ohne Qualitätsverlust.

Weiteres Vorgehen

Bei dieser Revision soll auch die heute unter den Kantonen zu unterschiedliche Informatik-Grundbildung harmonisiert werden. Es soll so sein, dass ein/-e Informatik-Lehrabsolvent/-in die gleichen Kompetenzen erreicht, egal, ob sie am Bodensee, im Bündnerland oder in Genf ihre Ausbildung erworben haben. Ein Anliegen, das von interkantonal tätigen Betrieben häufig genannt wird. Hohe Aufmerksamkeit geniesst auch die Kooperation der drei Lernorte: Die Berufsfachschule legt die Grundlage für die Betriebe, überbetriebliche Kurse vertiefen diese und die Betriebe sollen davon profitieren können und die Lernenden „in betrieblicher Praxis“ (so heisst es in der Bildungsverordnung) einsetzen und sie „by doing“ zu Fachleuten machen.


Die Revision wird bis im Herbst so weit vorangetrieben sein, dass Bildungsverordnung und Bildungsplan im Oktober/November in die verbandsinterne Vernehmlassung geschickt werden kann. Mit diesem Schritt werden die Betriebe nochmals angefragt, ob die beschriebene Ausbildung den Bedürfnissen der künftigen 5-10 Jahre entspricht. ICT-Berufsbildung Schweiz erhofft sich von diesem Schritt einen
guten Dialog im Sinne der Zielrichtung: Die Betriebe stehen dann für weitere Jahre
hinter der Ausbildung und erhöhen die Anzahl Lehrplätze. Per 1. Januar 2014 soll
dann das neue Vertragswerk in Kraft treten.



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