Sozialkompetenz für IT-Manager
Quelle: Complecta

Sozialkompetenz für IT-Manager

Von Benjamin Anderegg

Soziale Kompetenzen wie Konfliktmanagement haben im IT-Umfeld stark an Bedeutung gewonnen. Allerdings ist das Management von Soft Skills keine einfache Aufgabe.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/05

     

Die Praxis zeigt es immer wieder: Projekte, die fachlich noch so perfekt geplant werden, können schnell an Konflikten, Kommunikationsproblemen oder ähnlichen Schwierigkeiten scheitern. Das gilt auch für Projekte im IT-Umfeld, wo fachliche Aspekte mehr im Vordergrund zu stehen scheinen als in anderen Branchen. Erfreulicherweise haben viele IT-Manager in den letzten Jahren ein Bewusstsein für die Bedeutung der Soft Skills entwickelt. «Damit haben sie schon einen wichtigen, ersten Schritt geschafft», erklärt Stefan Stöckler, Studienleiter MAS in Business Process Engineering (MAS BPE) und MAS in Business Information Management (MAS BIM) am Management-Weiterbildungszentrum der Fachhochschule St. Gallen. Zu den Soft Skills zählen verschiedene soziale Eigenschaften von Führungskräften und Mitarbeitern. Sie reichen von kommunikativen Fähigkeiten über Führungsstärke bis hin zu Arbeitstechniken. Dabei geht es beispielsweise um die Beherrschung von Präsentations-, Schlagfertigkeits- und Moderationstechniken sowie Verhandlungsmethoden.

IT-Manager brauchen besonders viel Sozialkompetenz

Ein grosser Vorteil von Soft Skills ist: Sie stellen eine Art Meta-Kompetenz dar. Das bedeutet, dass sie nicht nur in bestimmten fachlichen Umgebungen, sondern in fast allen Berufsfeldern gefragt sind. Zudem verlernt oder vergisst man einmal angeeignete Soft Skills nicht so schnell. Umso mehr lohnt es sich, in diese Kompetenzen zu investieren. Dies nicht zuletzt, weil die Soft Skills auch den Unternehmenserfolg fördern. Das gilt auch für IT-Geschäfte. Hier ist sogar ein besonders hohes Mass an Sozialkompetenz gefordert, wie Stefan Stöckler erklärt: «Alle wesentlichen Tätigkeiten von IT-Experten, wie zum Beispiel Geschäftsprozesse verstehen und optimieren, Anforderungen erheben und neue Software einführen, geschehen in Zusammenarbeit mit vielen Personen aus unterschiedlichen Fachabteilungen und oft auch aus verschiedenen Kulturkreisen.» Deshalb würden nur diejenigen langfristig Erfolge und Anerkennung gleichermassen erzielen, die ein hohes Ausmass an Sozialkompetenz aufweisen.

Zuhören, präsentieren, überzeugen und verhandeln

Laut Stefan Stöckler sind für einen IT-Manager die Kompetenzen zuhören, präsentieren, überzeugen und verhandeln besonders wichtig. «Das sind zentrale Fähigkeiten, ohne die keine optimalen IT-Services geliefert werden können. IT-Manager müssen in der Lage sein, die Bedürfnisse ihrer Kunden zu verstehen, in deren Arbeitsumfeld einzuordnen und das Optimierungspotential in Bezug auf IT-Unterstützung abzuschätzen.» Gefragt seien ein ausgeprägter Kommunikationssinn, die Kunst des richtigen Nachfragens im Sinne von aktivem Zuhören und das überzeugende Darstellen der IT-Lösungen inklusive der neu gestalteten Prozesse. So können beispielsweise Konflikte vermieden und neue Projekte erfolgreich eingeführt werden. «Ohne diese Kompetenzen ist heute kein IT-Unternehmen mehr zu führen – weder intern noch extern», unterstreicht Stöckler die Bedeutung der Soft Skills.

Sozialkompetenz fördern

Wie Firmen die Soft Skills erfolgreich managen und ihre Angestellten entsprechend fördern können, erklärt Stefan Stöckler im Interview.

Herr Stöckler, was passiert wenn Soft Skills im IT-Management vernachlässigt werden? Wie wirkt sich das auf den Arbeitsalltag und den Unternehmenserfolg aus?
Die grossen Aufgaben im IT-Umfeld werden heute in allen Unternehmen als gut vorbereitete Projekte abgewickelt. Es werden Zeit- und Kostenrahmenbedingungen geplant und vorgegeben. Allerdings muss auch intensiv auf eine ausgewogene Zusammenstellung der Projekt-Teams geachtet werden. Wenn die handelnden Personen nicht aufeinander abgestimmt sind, keine gemeinsamen Ziele sehen und das nötige Rüstzeug sowohl auf fachlicher als auch menschlicher Ebene nicht haben, sind auch gut vorbereitete Projekte zum Scheitern oder zumindest zur Kostenüberschreitung verurteilt.


Wie beurteilen Sie den aktuellen Stellenwert der Soft Skills im IT-Management? Wo besteht der grösste Handlungsbedarf?
In den letzten Jahren ist ein deutlicher Anstieg der Anerkennung sozialer Kompetenzen im IT-Umfeld zu spüren. Es ist inzwischen vielen Personen in verantwortungsvollen Positionen klar, dass nicht nur eine fachliche Eignung die wertvollen Mitarbeitenden ausmachen. Den grössten Handlungsbedarf orte ich im Kernthema ‹Kommunikation›. Es muss noch mehr für eine bessere Kommunikation der Aufgaben, Zielsetzungen, Lösungen und Leistungen der IT-Abteilungen unternommen werden.

Was raten Sie Firmen, die bis jetzt die Soft Skills vernachlässigt haben?
Da gilt wohl das alte Sprichwort «Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung». Anschliessend muss sich das Unternehmen mit seiner eigenen, aktuellen Kultur auseinander setzen und die Defizite identifizieren. Das geht nur mit einer Sicht von aussen und professioneller Hilfe durch geschulte Coaches, die dann auch die aufbauenden Trainings anbieten können.


Welche Rolle spielen Führungskräfte in der Förderung und Berücksichtigung von Soft Skills?
Wie auch bei den fachlichen Kompetenzen spielen die Führungspersonen eine wesentliche Rolle in diesem Bereich. Auf der einen Seite sollten sie natürlich selber ein gutes Niveau betreffend Soft Skills aufweisen. Und auf der anderen Seite müssen sie ihre Mitarbeitenden dazu ermutigen, entsprechende Schulungen zu fordern beziehungsweise daran teilzunehmen. Im Krisenfall sind es auch die Führungskräfte, von denen eben jene soziale Kompetenz erwartet wird, um wieder eine fruchtbare Arbeitsumgebung zu schaffen. Ihnen kommt also eine hohe Bedeutung zu, wenn es darum geht, Soft Skills nicht nur als modernes Schlagwort im Leitbild zu führen, sondern in die tägliche Arbeit einzubringen und bei Bedarf durch gezielte Schulungen zu stärken.

Soft Skills sind auch von individuellen Persönlichkeitsmerkmalen abhängig. Was kann erlernt werden und wo liegen die Grenzen?
Das ist richtig. Persönliche Erfahrungen im Familien- und Berufsumfeld, die man über viele Jahre ansammelt, haben einen wesentlichen Einfluss auf das eigene Verhalten. Soziale Kompetenzen können nicht erlernt und verstanden werden wie zum Beispiel technische Inhalte. Soft-Skills-Elemente wie Wertschätzung, Selbstbeobachtung, Kritik- und Kompromissfähigkeit, Respekt und Toleranz müssen langfristig immer wieder geübt, reflektiert und aufgebaut werden. Was wir uns aber immer wünschen und auch erwarten dürfen, ist grundsätzlich ein menschlicher, wertschätzender Umgang miteinander. Den müssen auch die Führungskräfte vorleben.


Wo sehen Sie im Management von Soft Skills die grössten Herausforderungen?
Das ist die Erkenntnis, das Soft Skills nicht in einer Schulung erlernt werden können, sondern die eigene Unternehmenskultur immer wieder hinterfragt werden muss. Soziale Kompetenz muss ebenso einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess unterworfen werden wie die klassische Wertschöpfungskette.

Ein zentrales Element ist die Kommunikation. Wie hat sie sich in den letzten Jahren verändert? Was erwarten Sie für die Zukunft?
Wir leben in einer Zeit, in der Kommunikation offensichtlich immer einfacher und schneller wird. So nehmen wir es zumindest wahr respektive so vermittelt es uns die ICT-Industrie und die Social-Media-Welt. In Wirklichkeit müssen wir uns den Themen der Kommunikation über unterschiedliche technische Kanäle intensiver stellen, da dadurch viele menschliche Kommunikationsebenen wegfallen. So vermittelt ein Mail weder Tonfall und Lautstärke noch Mimik und Sprechmelodie des Absenders. Diese Effekte werden oft übersehen und führen zu massiven Fehlinterpretationen und damit direkt in (unnötige) Konfliktsituationen. Wir müssen also wieder lernen, uns auf die Menschen hinter den Botschaften zu konzentrieren und versuchen, den direkten Kontakt wieder höher zu bewerten.


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