Der Schweizer Markt für Unternehmens- und IT-Beratung hat sich laut der Association of Management Consultants Switzerland (ASCO) sehr gut entwickelt. Es wurde kräftig zugelegt: Der erzielte Gesamtumsatz der 570 Unternehmen ist von 1,25 auf zuletzt 1,32 Milliarden Schweizer Franken gestiegen. Die Zahl der Berater ist um 6,7 Prozent auf 3520 gewachsen. Die Zahl der Beratungsunternehmen ist dagegen stabil geblieben. Zwar liegen noch keine abschliessenden Zahlen für 2011 vor, aber der ASCO rechnete im Sommer noch mit einem vier- bis sechsprozentigen Wachstum und der Neueinstellung von rund 1000 Beratern, davon 47 Prozent direkt von der Hochschule.
Doch was erwartet Absolventen und junge Beratende mit ein bis zwei Jahren Berufserfahrung in den Beratungsunternehmen? Welche Voraussetzungen müssen sie mitbringen? Was wird von ihnen verlangt in Sachen Fachberatungskompetenz und nicht zuletzt an IT-Wissen? Ebenfalls ganz wichtig ist die Frage, welche Hilfestellungen Unternehmen selbst leisten, um die Beratungs-Einsteiger auf das richtige Niveau zu bringen.
Schlüsselqualifikationen
Natürlich sind die spezifischen Anforderungen an die Jungberater je nach Tätigkeitsfeld der Unternehmensberatungen höchst unterschiedlich. Unternehmen, die in erster Linie in der Strategieberatung tätig sind, benötigen andere Qualifikationen als solche, die zum Beispiel schwerpunktmässig in der Prozess- oder IT-Beratung arbeiten. Doch es gibt eine Reihe von Schlüsselqualifikationen und generischen Anforderungen, die jeder Berater erfüllen sollte, der erfolgreich für sich und sein Unternehmen arbeiten möchte.
- Ausgeprägte Team- und Kommunikationsfähigkeiten stehen bei den sogenannten Soft Skills an oberster Stelle. Berater arbeiten in der Regel beim Kunden, in den Räumen des eigenen Unternehmens verbringen sie die wenigste Zeit. Darüber hinaus betreuen sie pro Jahr verschiedene Projekte bei unterschiedlichen Kunden. Bei jedem Projekt sind diese beiden Soft Skills gefragt. Sie müssen mit neuen Leuten zurechtkommen, sich in verschiedene Unternehmens- und Teamstrukturen einarbeiten und wechselnde Tätigkeiten und Rollen ausfüllen. Wer hier Einzelgänger ist oder zur Wortkargheit neigt, hat keine Chance.
Das gleiche gilt für Personen, die sich in Gruppen nicht wohl fühlen oder beispielsweise ungern Arbeitsergebnisse vor Gruppen oder auch Vorgesetzten präsentieren. Eine hohe Sozialkompetenz ist also eine wichtige Voraussetzung für den Beruf des Beraters. Natürlich sollten gerade junge Berater nicht in Situationen geraten, in denen sie die neue Unternehmens- oder IT-Strategie dem Verwaltungsrat oder dem CEO eines Unternehmens erklären müssen. Aber Berater tragen, gleich in welcher Rolle und auf welcher Hierarchiestufe sie tätig sind, immer eine höhere Verantwortung und stehen immer stärker unter Beobachtung als festangestellte Mitarbeiter des Kundenunternehmens. Damit muss man leben können. Sozialkompetenz ist eine persönliche Eigenschaft, die nur bedingt erlernbar ist. Deshalb bieten die meisten Unternehmensberatungen ihren jungen Beratern zwar entsprechende Weiterbildungen, zum Beispiel in Präsentationstechniken, Workshop-Führung und Moderation an, aber gewisse kommunikative Fähigkeiten und Freude an Teamarbeit sind Grundvoraussetzungen.
-Arbeitsengagement und Belastbarkeit: Wem diese Worte negativ ins Auge stechen, der sollte sich nicht auf eine Stelle in einer Unternehmens- oder IT-Beratung bewerben. Die Beratungshäuser achten heute stärker auf die viel zitierte Work-Life-Balance ihrer Mitarbeitenden, aber es ist immer noch ein Beruf, der überdurchschnittliches Engagement verlangt. Schon allein wegen der in der Regel sehr ausgeprägten Reisetätigkeit ist eine 40 Stunden Woche in kaum einer Beratung Standard.
-Beste Chancen für Berufseinsteiger:Knapp 50 Prozent der rund 1000 zusätzlichen Beraterstellen wurden 2011 wahrscheinlich mit Universitätsabsolventen besetzt. Erfahrungsgemäss haben Absolventen mit einem betriebswirtschaftlichen Studium, Ingenieure, Mathematiker, Physiker, Informatiker und Wirtschaftsinformatiker die besten Chancen auf einen Job bei einem der 570 Unternehmens- und IT-Beratungen in der Schweiz.
Wie bei jedem Arbeitgeber gilt auch für Unternehmensberatungen: ein guter bis exzellenter Abschluss erhöht die Chancen. Studierende, die detaillierte Informationen zu den Angeboten der Berater einholen möchten, sollten eine der zahlreichen Hochschulmessen besuchen, die fast alle grösseren Universitäten in der Schweiz veranstalten, um Studierende und Unternehmen zusammenzubringen. Ebenfalls eine gute Einstiegsmöglichkeit in die Beraterkarriere bieten Diplom- und Masterarbeiten. Viele Unternehmensberatungen offerieren Studierenden die Möglichkeit, als Werkstudenten ihre Abschlussarbeit dort zu verfassen. Spätere Festanstellung nicht ausgeschlossen. Wie in anderen Firmen achten Personalverantwortliche auch in Beratungsunternehmen darauf, wofür sich Bewerber neben ihrem Studium interessieren und engagieren. Wenn sie anspruchsvolle, interessante Tätigkeiten im sozialen Bereich verfolgt haben, können sie damit genauso punkten wie mit Auslandsaufenthalten.
Zusätzlich nachgefragte Fähigkeiten
Natürlich eignet sich nicht jede sozial kompetente und kommunikative Person als Berater. Dazu braucht es einiges mehr an Rüstzeug. Von Kunden der Unternehmensberater gross geschriebene Fähigkeiten, nach denen Berater zum Beispiel auch in den Rankings von «Manager Magazin» und «Bilanz» bewertet werden, sind neben den sozialen Kompetenzen methodische Kenntnisse, Marktkenntnisse, Vordenkertum, Fachwissen und Umsetzungsfähigkeit. Dabei legen Kunden in den letzten Jahren immer stärkeren Wert auf die Fähigkeit ihrer Berater, die Strategien, zu denen sie raten, auch umzusetzen – im Business, den Prozessen und der IT.
Diese vom Kunden verlangten Fähigkeiten können junge Berater zu Beginn ihrer Karriere selbstverständlich noch nicht bieten. Deshalb werden sie in der Regel intern geschult: Sei es durch mehrmonatige «Trockenkurse», in denen sie noch ohne Kundenkontakt die Schulungen der Beratungshäuser durchlaufen, sei es durch Trainings on the Job, bei denen die jungen Berater schon vor Ort bei den Kunden arbeiten, aber parallel dazu Schulungen durchlaufen und von erfahrenen Beratern begleitet und gecoacht werden. Die Trocken-Variante ist eher in grossen Beratungen anzutreffen, die On-the-Job-Alternative eher bei den mittelgrossen Beratungen.
Coaching- und Leading-Modell
Interne Schulung kann auch so aussehen: Ein Unternehmen kann mit dem Programm «Coaching und Leading» einen permanenten Personalentwicklungsprozess aufbauen und etablieren, der die fachliche, methodische und persönliche Weiterentwicklung der Berater systematisch vorantreiben soll. Gleichzeitig dient es als Grundlage für eine gerechte und nachvollziehbare Bewertung. Der Prozess setzt sich zusammen aus zielorientierten, auf konkreten Verantwortungen und Aufgaben bezogene Betreuung und Weiterbildung durch einen Coach (Führungskraft im Projekt) sowie aus einer langfristig orientierten Betreuung durch einen «Leader». Hier geht es um Karriere- und übergeordnete Kompetenzentwicklung. Das Coaching orientiert sich eher an den Qualifikationen, die für bestimmte Projekte notwendig sind. Coaches sind innerhalb von Projekten die wichtigsten direkten Ansprechpartner der Mitarbeiter.
Im Gegensatz zum Vorgesetzten klassischer Prägung kann der Coach mit jedem Projekt wechseln. Das stellt für das Unternehmen und für den Mitarbeiter eine faire, weil aus verschiedenen Perspektiven getroffene Bewertung seiner Arbeit sicher und hilft enorm dabei, Einsteiger schnell ins Unternehmen zu integrieren. Aber für Einsteiger bedeutet Coaching und Leading vor allem, dass sich die kurzfristigen Aufgaben und Personalentwicklungsziele im Projekt (Coaching) im Zusammenspiel mit den langfristigen Karriere- und Personalentwicklungszielen (Leading) zu einem ganzheitlichen Personalentwicklungskonzept verzahnen.
Leader betreuen die Berater über sämtliche Karrierestationen bis hin zur Partnerschaft. Allerdings bietet die Business- und IT-Beratung zusätzlich eine attraktive Fachlaufbahn bis zur zweithöchsten Karrierestufe an, für Mitarbeitende, die nicht unbedingt die Unternehmerrolle suchen und lieber verantwortlich in Kundenprojekten arbeiten möchten. Diese Fachlaufbahn führt nach dem Senior Consultant, über den Management- bis hin zum Principal Consultant.
Insgesamt gesehen sollten Bewerber sich einen Einstieg in die Beratung gut überlegen, da der Start sehr herausfordernd sein kann. Wer diesen Berufsweg einschlagen will, ist gut beraten, wenn er die Forderung nach permanenter persönlicher und fachlicher Weiterentwicklung wirklich ernst nimmt. Wer diese Hürden nicht scheut und erfolgreich meistert wird mit einem attraktiven, abwechslungsreichen Job belohnt.
Thomas Münger ist Partner bei Q-Perior und Geschäftsführer Schweiz.