Gove spricht zusätzlich von einem grossen wirtschaftlichen Schaden als Folge dieses minderwertigen ICT-Unterrichts. Wie Umfragen zeigen, halten ihn nur zwei Prozent der Jugendlichen für nützlich, niemand empfindet ihn als spannend. Keine Rede von intellektueller Herausforderung. Ein Grund, Informatik und benachbarte technische Disziplinen als uninteressant fürs Hochschulstudium einzustufen.
Die Fachleute wissen es schon lange, dass ein Kurswechsel unvermeidbar ist. Informatik spielt in der kommenden Wissensgesellschaft eine ähnliche Rolle wie die Mathematik während der technischen Revolution. Sie nicht zu unterrichten bedeutet, auf eine wichtige Dimension in der Entwicklung der konstruktiven mathematisch-technischen Denkweise der neuen Generation zu verzichten. Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass Informatikunterricht ab acht Jahren sehr fruchtbar ist.
Programmieren im engeren Sinn bedeutet nicht nur zu lernen, die Technik zu steuern, sondern schult auch, den Maschinen eindeutig und prägnant das gewünschte Verhalten mitzuteilen. Somit fördert es wichtige Kommunikationskompetenzen. Programmieren im weiteren Sinn fördert die konstruktive Lösungssuche für eine grosse Problemvielfalt, es fügt die grundlegenden Konzepte der technischen Wissenschaften wie modularer Entwurf, Testen und Verifikation bei.
An Maturitätsschulen trägt Informatikunterricht wesentlich zum Verständnis unserer Welt sowie zur Hochschulreife bei.
Ein Problem der Informationsverarbeitung zu lösen, bedeutet im Allgemeinen, aus gegebenen Daten das gewünschte Wissen (Information) zu gewinnen. Man muss wissen, dass man die Berechnung der Lösungen solcher Aufgabenstellungen nicht immer automatisieren kann. Denn es gibt Aufgaben, für deren Lösung kein Algorithmus existieren kann. Zweitens gibt es quantitative Naturgesetze der Informationsverarbeitung, die besagen, wie viel Rechenarbeit unvermeidbar ist, um konkrete Problemstellungen zu bewältigen. Nicht selten ist es mehr, als unser Universum physikalisch leisten kann. Dann geht es darum zu erforschen, wie viel von der gewünschten Information man mit vernünftigem Aufwand berechnen kann. Methoden zur Suche nach effizienten Lösungen zu unterrichten ist wichtiger geworden als die Vermittlung grösserer Teile des aktuellen Mathematikunterrichts.
Bergkantone als Vorreiter
Die meisten Kantone in der Schweiz und auch der künftige Lehrplan 21 legen das Schwergewicht noch immer auf den höchst unbefriedigenden Computerführerschein, der keinen nachhaltigen Wissenstransfer, keine Tiefe und keine nennenswerten Beiträge zur allgemeinen Bildung leistet. Es stellt sich nun die Frage, wie viele Bildungspolitikerinnen und -politiker in der Schweiz diese Fehlentwicklung in der Informatikausbildung weiterhin stolz als einen Beitrag zur Bildung verkaufen wollen und ob sie wie bisher im künftigen Lehrplan 21 weiterhin auf diesem „Mist“ aufbauen wollen, wie es Gove nennt.
Der grösste Gegensatz ist im Kanton Zürich zu beobachten. Einerseits will die Stadt ein zweites Silicon Valley werden, andererseits verweigert die kantonale Bildungsdirektion die Verankerung elementarer Informatikgrundlagen in den Lehrplänen und schwärmt von Konzepten, die immer mehr Länder als Irrtum der Geschichte bezeichnen. Vorreiter sind jetzt die Bergkantone Graubünden (z.B. Domat/Ems) und Uri (z.B. Attinghausen), die sich auf Versuche mit Programmierunterricht in Primarschulen einlassen. In Bern (z.B. Kehrsatz), Aargau, Luzern und Schaffhausen gibt es auch schon erste Schulen, die Bereitschaft zeigen, neue Wege im Informatikunterricht zu gehen.
Die ETH Zürich ist bereit
Die ETH Zürich ist für einen Wechsel zu einem vernünftigen Informatikunterricht gut vorbereitet. Im Ausbildungs- und Beratungszentrum für Informatikunterricht (www.abz.inf.ethz.ch) werden seit Jahren altersgerechte Unterrichtsmaterialien und Lehrbücher entwickelt. Sie wurden in mehr als 30 Primarschulen und Gymnasien ausprobiert. Es ist nicht schwierig, die Schulen dafür zu gewinnen, die Klassen haben Spass am Unterricht. Der Wissenstransfer und die erlangten Kompetenzen überschreiten sogar die Erwartungen von Experten stark. Erforderlich ist bloss eine grundlegende Änderung in der schweizerischen Bildungspolitik.